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"Was würde man sagen, wenn ..." - Mischehen mit Palästinensern behindert

Israelisches Parlament verabschiedet problematisches Ehegesetz

Zum neuen Ehegesetz, das das israelische Parlament am 31. Juli verabschiedet hat, dokumentieren wir heute zwei Meinungsäußerungen, die mit dem Vorgang sehr kritisch umgehen.


Das rassistische Israel

01.08.2003
Das israelische Parlament hat ein Gesetz verabschiedet, das nur noch wenig von einem Verbot von "Mischehen" zwischen israelischen und palästinensischen Menschen entfernt ist.

Wie der britische Independent am Freitag berichtete, wurde das Gesetz sowohl von Amnesty International (AI) als auch von Human Rights Watch (HRW) als rassistisch, undemokratisch und diskri- minierend bezeichnet.

Das am Donnerstag eilig durch das Parlament gebrachte Gesetz verhindert, daß palästinensische Menschen durch die Heirat mit einem israelischen Menschen die israelische Staatsbürgerschaft oder eine Aufenthaltsgenehmigung für Israel erhalten.

Dies bedeutet, daß die Eheleute entweder in den besetzten Gebieten oder getrennt leben müssen. Da die israelische Regierung das bis- herige Genehmigungsverfahren seit Mai 2002 eingefroren hatte, kann dieses Gesetz auch Paare treffen, die bisher legal in Israel gelebt haben.

Darüber hinaus trifft das Gesetz auch Kinder, die in Palästina geboren wurden und werden. Wenn sie älter als 12 Jahre sind soll ihnen ebenfalls sowohl die Staatsbürgerschaft als auch eine Aufenthaltsgenehmigung verwehrt werden.

Außerdem ist die Situation für jüngere Kinder nicht eindeutig. Es ist möglich, daß Kinder nach Erreichen des 12. Lebensjahres deportiert werden.

Das Gesetz zielt explizit nur auf palästinensische Menschen. Menschen aus allen anderen Ländern der Welt können weiterhin die israelische Staatsbürgerschaft oder eine Aufenthaltsge- nehmigung durch eine Heirat erlangen.

AI und HRW hatten das israelische Parlament, die Knesset, in einem gemeinsamen Brief aufgefordert, das Gesetz abzulehnen. In einer Erklärung sagte AI: "Ein Gesetz, daß eine derart eklatante Rassendiskriminierung aufgrund von Volkszugehörigkeit oder Nationalität erlaubt würde eindeutig internationale Menschenrechtsgesetze und Verträge, die Israel ratifiziert hat, verletzen."

Hanny Megally von HRW sagte: "Es ist skandalös, daß die Regierung dieses Gesetz eingebracht hat und es ist schockierend, daß die Knesset es durchpeitscht."

Yael Stein, Sprecher der israelischen Menschenrechtsorganisation B'Tselem, sagte: "Dies ist ein rassistisches Gesetz, daß aufgrund von Rassenmerkmalen entscheidet, wer hier leben darf."

Die Regierung hatte es eilig, das Gesetz verabschieden zu lassen und hatte es, um es durchzubringen sogar als Vertrauensfrage bezeichnet. Es wurde mit 53 Ja-Stimmen zu 25 Nein-Stimmen bei einer Enthaltung angenommen.

Die israelische Rechte befürchtet eine "Überfremdung" durch den Zuzug von palästinensischen Menschen, deren Anteil derzeit 20 Prozent der Gesamtbevölkerung ausmacht und bisher schneller gewachsen ist als die restliche Bevölkerung.

"Heute habe ich die Hoffnung verloren", sagte Sa'id abu Muammar, ein israelischer Staatsbürger palästinensischer Herkunft, gegenüber Reuters. Seit ihrer Hochzeit vor einem Jahr versteckt er seine palästinensische Ehefrau vor der Polizei. "Das haben wir bisher gemacht und das werden wir vermutlich auch in Zukunft tun müssen."

Aus: http://www.freace.de/artikel/aug2003/israel010803.html


WAS WÜRDE MAN SAGEN, WENN.....

Von Hans Lebrecht, Kibbutz Beit-Oren


Was würde man sagen, wenn irgend ein Land ein Gesetz erlassen würde, das Eheleuten verschiedener Staatsangehörigkeit, nationaler Herkunft oder Religionsgemeinschaft aus solcherlei Mischehen per Gesetz nicht gestatten würde, sich gemeinsam in ihrem Land niederzulassen und zusammen ein Familienleben gründen wollten? Vergehen gegen die Menschenrechts Charter, Rassismus oder einfach Unmenschlichkeit zum Zwecke der >>Reinhaltung des national-religiösen Charakters<< des Landes? Der Leser kann sich daraus beliebig aussuchen, was er will.

So eine Gesetzes Abänderung bestätigte eine 53 zu 25 Mehrheit des israelischen Parlaments, der Knesset am Donnerstag (31. Juli) kurz vor Beginn der Sommerferien. Nicht etwa, dass diese Abänderung eines Paragraphen des seit 1953 geltenden Staatsbürgerrechts Gesetzes an seinem sowieso rassistischen Charakter geändert hätte. Ist doch schon darin festgelegt, dass ein Angehöriger des jüdischen Glaubens, von einer jüdischen Mutter geboren, oder nach den streng othodoxen Glaubensgesetzen zum Judemtum übergetretene Person, in Eretz-Israel geboren oder vom ersten Moment seiner Ankunft in Israel zum erklärten Ziel, sich da niederzulassen, die israelische Staatsangehörigkeit mit all dazu gehörigen Rechten und Pflichten per sofort erwerben kann. Demgenüber ein >>Nichtjude<<, darunter fallen auch Angehörige der in Israel lebenden einheimischen arabisch-palästinensischen Bevölkerungsgruppe (offiziell nicht als Minderheit anerkannt). Nichtjuden, also auch in Israel geborene und lebende Araber haben diesem Gesetz zufolge das Recht, zwischen dem Alter von 18 bis 23 einen Antrag zur Erwerbung der israelischen Staatsangehörigleit zu stellen. Wenn die Sicherheitdsbehörden keine Bedenken einreichen, wird einem solchen Antrag im Allgemeinen stattgegeben. Bei Eheschließungen eines israelischen Bürgers mit einem nichtjüdischen ausländischen Partner kann der sich in Israel niederlassende Ehepartner ebenfalls die israelische Staatsangehörigleit erwerden.

Nun hat jetzt die Knesset die Abänderung eines Paragraphen dieses Gesetzes beschlossen. Danach wird es >>eingereisten<< palästinensischen Ehepartnern und aus dieser Ehe entstandenen Kinder nicht mehr gestattet sich in Israel niederzulassen und die israelische Staatsangehörigkeit zu erhalten. Ich betone, die Gesetzes Abänderung betrifft ausschließlich arabisch-palästinensische Ehepartner, nicht solche aus anderen Ländern der Erde eingereisten nicht-arabische oder nicht-palästinensische Ehepartner. Solche Ehepartner können demnach nicht mehr in Israel, sondern nur im Ausland oder in den besetzten palästinensichen Gebieten zusammen wohnen, oder getrennt leben. Darin liegt der rassistische menschenfeindliche Charakter der jetzt beschlossenen Abänderung des sowieso rassistischen Staatsbürgergesetzes.

Wie gesagt: Was würde man sagen, wenn irgend ein anderer Staat ein solches Gesetz verabschieden würde, in welchem die Definition >>nichtjüdisch<<, >>arabisch<< oder >>palästinensisch<< durch >>jüdisch<< ersetzt werden würde? Ich glaube, die Antwort versteht sich von selbst.

Das in Israel legal wirkende arabische Adalat Menschenrechts Kommitee, sowie einige Knesset Mitglieder der Meretz Partei und arabische Abgeordnete der Arabischen Einheitsliste und der von der KP beeinflussten Hadash Fraktion haben einen Antrag an den Obersten Gerichtshof eingereicht. Sie fordern den Gerichtshof auf, den am Donnerstag beschlossenenen Zusatz zum Staatsbürgergesetz zu annulieren, da dieser dem vor einigen Jahren eingeführtem Grundgesetz über Menschenwürde und Gleichheit vor dem Gesetz widerspricht.


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