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Lammert soll Gefangenen helfen

Palästinensischer Abgeordneter bittet um Unterstützung für in Israel inhaftierte Politiker

Der Bundestagspräsident wird Post bekommen. Norbert Lammert wird per Brief ersucht, sich für die Freilassung von 25 eingekerkerte Parlamentsabgeordneten einzusetzen. Es handelt sich um 25 Palästinenser von der mit dem Stigma Terrororganisation versehenen Hamas.

Norbert Lammert, der Präsident des Deutschen Bundestages, hat sich kraft seines Amtes in vielfältiger Weise und weltweit für parlamentarische Demokratie und Respekt vor dem Mandat eingesetzt. Das erwartet von dem CDU-Politiker nun auch der Parlamentarier Mushir al-Masri, der Lammert einen Brief schrieb. Überbringer des Schreibens ist der LINKE-Bundestagsabgeordnete Norman Paech, dem der Brief während seiner kürzlichen Reise nach Israel/Palästina übergeben wurde.

In dem Schreiben heißt es: »Wie Sie sich sicherlich erinnern, sind bereits drei Jahre seit der Entführung und Inhaftierung von 50 Mitgliedern des Palästinensischen Legislativrats in israelischen Gefängnissen vergangen. Derzeit befinden sich noch 25 Mitglieder des Legislativrats in israelischen Gefängnissen. Die Entführung und Inhaftierung von gewählten Parlamentariern ist ein politisches Verbrechen, eine scheußliche Verletzung der Demokratie und ein ernstzunehmender Präzedenzfall hinsichtlich der Verletzung von parlamentarischer Immunität in der zivilisierten Welt.«

Das ist die Vorgeschichte: Ab August bis Ende des Jahres 2006 hatten Kommandos der israelischen Armee im Gaza-Streifen und im Westjordanland 50 Abgeordnete des zu Beginn jenes Jahres gewählten Parlamentes, des Palästinensischen Legislativrates, gekidnappt und in israelische Gefängnisse gebracht. Es waren ausnahmslos Vertreter der Hamas, die zum Missfallen Israels und der westlichen Staaten die Fraktion der Fatah bei der Wahl überflügelt hatte und die Regierung stellte.

Die Einkerkerung erfolgte offiziell wegen des pauschalen Terrorvorwurfs an die Hamas, wird von Israel aber informell mit der Gefangenennahme des israelischen Soldaten Gilad Schalit Anfang 2006 durch ein Palästinenserkommando gerechtfertigt. Der Brief geht darauf nicht ein. Allerdings ist ein (von Israel offiziell auch nicht ausgesprochenes) Junktim zwischen der Entführung Schalits und der Einkerkerung Dutzender Abgeordneter formaljuristisch wie völkerrechtlich unhaltbar.

Masris Brief endet mit den Worten: » Wir möchten hiermit die Gelegenheit ergreifen, Sie über die internationale Kampagne für die Freilassung der Entführten ... zu informieren, und wären Ihnen überaus dankbar, wenn Sie diese Angelegenheit in internationalen Foren ansprechen und schnelle Maßnahmen zur Erlangung der Freiheit für die palästinensischen Parlamentarier in die Wege leiten.«

Von Abgeordneten des Europa-Parlaments ist bekannt, dass sie dieser Bitte nachgekommen sind. Der LINKE-Abgeordnete Paech bedauert, dass sich der Bundestag bisher nicht in der Lage gesehen habe, »eine Stellungnahme gegen diesen eklatanten Völkerrechtsbruch« zu verabschieden.

Der UN-Menschenrechtsrat in Genf befasste sich am Donnerstag mit dem sogenannten Goldstone-Report, der Israel und bewaffneten Palästinensergruppen Vergehen während des Gaza-Krieges zur Last legt. Die 47 Mitglieder des Rates sollen über eine Resolution entscheiden, die auch Israel Kriegsverbrechen zur Last legt.

* Aus: Neues Deutschland, 16. Oktober 2009


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