Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Israelis gedachten der Schoah-Opfer

"Marsch der Lebenden" in Polen / Knesset-Präsident vergleicht Ahmadinedschad mit Hitler *

Einen Tag nach dem Affront Irans gegen Israel bei der Anti-Rassismus-Konferenz der UNO hat das Land der sechs Millionen von den Hitlerfaschisten ermordeten Juden gedacht. In Israel hielten die Menschen am Dienstag (21. April) für zwei Schweigeminuten inne. In Polen fand der »Marsch der Lebenden« zum ehemaligen NS-Vernichtungslager Auschwitz statt.

Jerusalem/Warschau (Agenturen/ ND). In Israel wird am 27. Nissan des jüdischen Kalenders an die Opfer des Holocaust erinnert. Der seit 1951 begangene Gedenktag Jom ha-Schoah fiel in diesem Jahr auf den 21. April. Um 10 Uhr Ortszeit (9 Uhr MESZ) legten die Menschen in Israel zwei Schweigeminuten ein und gedachten der Holocaustopfer. Überall im Land heulten Sirenen. Im israelischen Parlament und in Schulen wurden die Namen von Menschen verlesen, die von den Nazis ermordet worden waren. Ort der zentralen Gedenkfeier war die Holocaust-Gedenkstätte Jad Vaschem, wo sich am Montagabend Überlebende des Holocaust zusammen mit Präsident Schimon Peres und Regierungschef Benjamin Netanjahu einfanden.

Wer gedacht habe, dass der Antisemitismus »nach den Gräueln der Schoah verschwinden würde, wurde heute eines Besseren belehrt«, sagte Netanjahu zu den Äußerungen des iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad wenige Stunden zuvor auf der Genfer UN-Konferenz gegen Rassismus. Israel werde »die Holocaust-Leugner keinen neuen Holocaust am jüdischen Volk verüben lassen«. Parlamentspräsident Reuven Rivlin verglich Ahmadinedschad in einem Brief an seine Kollegen in anderen Ländern mit Hitler.

Auch Vizeregierungschef Silvan Schalom sagte vor Beginn des »Marsches der Lebenden« zum früheren NS-Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau, was Iran derzeit zu tun versuche, sei »nicht weit von dem entfernt, was Hitler dem jüdischen Volk vor 65 Jahren angetan hat«. Ahmadinedschad sei aber nicht nur für Israel eine Gefahr, sondern für die ganze Welt. An dem Marsch zum früheren Lager Auschwitz-Birkenau, das zum Symbol der Vernichtungspolitik der Nazis wurde, nahmen am Dienstag etwa 7000 Menschen teil. Der Gedenkzug findet seit 1988 jährlich mit Teilnehmern aus aller Welt statt.

Linksfraktionschef Gregor Gysi hält das Fernbleiben Deutschlands und anderer Staaten bei der Anti-Rassismus-Konferenz in Genf für einen schweren politischen Fehler. Dem iranischen Präsidenten Ahmadinedschad mit seiner Hetze gegen Israel sei das Feld der UNO überlassen worden, sagte Gysi am Dienstag (21. April) in Berlin. Durch die Absage einiger Staaten einschließlich der USA habe die Rede Ahmadinedschads eine weltweite Aufmerksamkeit bekommen, die sie sonst nie bekommen hätte, betonte Gysi. »Ich kritisiere seine Äußerungen.« Als UNO-Mitglied müsse man an einer solchen Konferenz teilnehmen. »Da geht man hin, da protestiert man.«

Drei Tage vor Ende der UN-Konferenz in Genf haben am Dienstag rund 140 Länder unerwartet die bereits vorbereitete Abschlusserklärung angenommen. Das Dokument sei per Akklamation beschlossen worden, hieß es. Hintergrund der frühen Verabschiedung ist offenbar die Befürchtung, dass der Text durch weitere Diskussionen verändert werden könnte.

Am Freitag (24. April), dem letzten Tag der als »Durban II« bezeichneten Überprüfungskonferenz für bereits 2001 in Südafrika gefasste Beschlüsse gegen Rassendiskriminierung und Fremdenhass soll der Text nur noch einmal diskutiert werden. Libyen etwa hat noch Änderungswünsche, insbesondere was die Palästinenserfrage angeht. Die kämen dann aber nicht mehr zum Tragen, hieß es in Genf.

* Aus: Neues Deutschland, 22. April 2009

Rede von Präsident Peres

Israels Präsident Shimon Peres hat am Montagabend (20. April) bei der Eröffnungszeremonie zum Holocaustgedenktag eine Rede in Yad Vashem gehalten. Im Folgenden einige Auszüge:

„Sechs Millionen Juden wurden von den Nazis und ihren Kollaborateuren ermordet, nur weil sie jüdisch waren. 1.5 Millionen Kinder wurden vernichtet, weil sie zum jüdischen Volk gehörten. Sie hießen Moshe, Avraham, Rivka und Lea – wenngleich sie die Bedeutung ihrer Namen noch nicht kannten. Einer von drei Angehörigen unseres Volkes wurde während dieser sechs verfluchten Jahre ermordet. Jedes Opfer hatte einen Namen. Jeder ermordete Jude hatte eine Zukunft. Der Völkermord, den die Nazi-Mörder begangen haben, war ein historisches Verbrechen beispiellosen Ausmaßes.

Der Staat Israel ist unser historischer Sieg über das Nazibiest, das in Europa keinen Stein auf dem anderen gelassen hat. Die Gewissenerforschung in Bezug auf den Holocaust ist noch nicht vorbei, und wird vielleicht nie vorbei sein, nicht für uns und nicht für die Welt als Ganze. Der Nazismus wurde besiegt, aber der Antisemitismus ist noch immer höchst lebendig. Das Gas ist verflogen, aber das Gift bleibt. Es gibt noch immer Holocaust-Leugner und hitzköpfige Skinheads auf der Welt, die die Art von triebhaftem Hass mit sich tragen, der zu rassistischem Mord führt. Die Konferenz, die heute in Genf eröffnet worden ist, verkörpert die Akzeptanz von Rassismus anstelle des Kampfes gegen ihn, und ihr Hauptredner ist Ahmadinejad, der zur Vernichtung Israels aufruft und den Holocaust leugnet.“

„Es ist schwer zu ergründen, warum Despoten wie Hitler der Nazi, Stalin der Bolschewik und Ahmadinejad der Perser die Juden als Hauptzielscheibe gewählt haben für ihren Hass, ihren Wahnsinn und ihrer Gewalt. Womöglich haben sie auf das jüdische Volk gezielt wegen seiner spirituellen Macht – eine Nation arm an irdischen Gütern, aber reich an Werten -, denn der, der von Größenwahnsinn infiziert ist, fürchtet die Macht des Geistes. Die Juden haben keinen Götzen oder Autoritäten gehuldigt, und ihr Gott gab der Menschheit ihr Gewissen. Wir waren die ersten, die daran glaubten, dass jeder Mensch als Gottes Ebenbild geschaffen wurde, und uns wurde aufgetragen, das Leben zu heiligen und Mord und Diskriminierung zu verhindern.

Wir haben gelernt, dass unser geistiges Erbe von körperlicher Sicherheit abhängt. Ein Volk, das ein Drittel seiner Angehörigen im Holocaust verloren hat, ein Drittel seiner Kinder, vergisst nicht und darf nicht unvorbereitet getroffen werden.

Die erste Lehre, die wir aus dem Holocaust gezogen haben, war daher die Notwendigkeit einer umgehenden Schaffung einer jüdischen Heimstätte – eines jüdischen Staates. Ohne ihn wären die Überlebenden heimatlos geblieben und ihr Leben weiter ausgesetzt als Beute für Zerstörung. Der Staat Israel ist nicht nur der Schutzschild der Juden, sondern ein Ideal historischen Ranges: eine Nation mit einer moralischen Botschaft zu sein.“

Die vollständige Rede findet sich unter dem folgenden Link:
www.mfa.gov.il


Rede von Ministerpräsident Netanyahu

Nach Präsident Peres hat auch Israels Ministerpräsident Binyamin Netanyahu in Yad Vashem eine Rede zum Holocaustgedenktag gehalten.

„Im Fall des Holocaust kam die Rettung spät, zu spät für sechs Millionen unseres Volkes, und eine neue Flamme lebte in unseren verbliebenen Überlebenden erst mit der Gründung des Staates Israel im Land Israel wieder auf.

Der Antisemitismus ist eine uralte historische Erscheinung. Falls jedoch jemand angenommen haben sollte, dass dieses bösartige Phänomen nach den Schrecken des Holocaust von der Welt verschwinden würde, so ist heute klar, dass er falsch gelegen hat. Parallel zum menschlichen Fortschritt und der Aufklärung fallen die dunklen Schatten des Hasses wieder in unser Volk und in unseren Staat ein.

In unserer Generation, nur einige Jahrzehnte nach dem Holocaust, erwachen neue Kräfte, die klar und offen ihre Absicht bekunden, den jüdischen Staat von der Erdoberfläche zu tilgen. Und die Antwort der zivilisierten Welt? Anstelle einer kraftvollen Verurteilung hören wir bestenfalls eine schwache Stimme.

Es ist eine beklagenswerte Tatsache, dass während wir hier in Yad Vashem der Geschehnisse des Holocaust gedenken, es solche gibt, die sich zur Teilnahme an einem Spektakel des Israel-Hasses entschieden haben, das zu dieser Stunde im Herzen Europas vonstatten geht.

Von hier aus wende ich mich an Sie, den Präsidenten der Schweiz, und ich frage Sie: Wie können Sie, als Oberhaupt eines aufgeklärten Staates, sich mit denen treffen, die den Holocaust leugnen und nach einem weiteren streben?

Im Gegensatz dazu drücken wir jenen wichtigen Staaten unsere Wertschätzung aus, die sich zum Boykott dieser Hassdemonstration entscheiden haben – dazu gehören die Vereinigten Staaten, Kanada, Deutschland, Italien, Holland, Polen, Australien und Neuseeland, und auch die Delegierten, die den Saal während der hasserfüllten Worte des iranischen Präsidenten verlassen haben.

Wir müssen das Gewissen der Nationen aufrütteln, wir müssen Bündnisse schließen und in Verbindung treten, aber vor allem anderen müssen wir uns daran erinnern, dass die Fähigkeit zur Abwehr der Bedrohungen für die Existenz unseres Volkes von der Stärke unseres Staates herrührt, von unserer Einigkeit und unserem Zusammenhalt in Zeiten der Prüfung.

Wir werden den Holocaust-Leugnern nicht gestatten, einen weiteren Holocaust zu verüben. Dies ist die oberste Verpflichtung des Staates Israel, und es ist meine oberste Verpflichtung als Ministerpräsident Israels.“

Die vollständige Rede findet sich unter dem folgenden Link:
www.mfa.gov.il (Externer Link)

Quelle: Newsletter der Israelischen Botschaft, 21. April 2009




Zurück zur Israel-Seite

Zur Seite "Rassismus, Antisemitismus"

Zurück zur Homepage