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Issawi weiterhin im Knast

Israelisches Gericht verlängert Haft für hungerstreikenden Palästinenser

Von Karin Leukefeld *

Hunderte Demonstranten haben am Donnerstag bei Ramallah im Westjordanland ihre Solidarität mit palästinensischen Häftlingen gezeigt, die sich seit Monaten im Hungerstreik befinden. Dabei kam es zu Zusammenstößen mit israelischen Soldaten vor dem Militärgefängnis Ofer.

Ein israelisches Gericht in Jerusalem hatte am Dienstag die Haftzeit des gefangenen Palästinensers Samer Issawi um einen weiteren Monat verlängert. Das Gericht folgte damit dem Antrag des Militärstaatsanwalts, der einem zuvor von Issawis Rechtsanwalt, Jawad Bulous, gestellten Ansuchen widersprochen hatte.

Issawi, der seit mehr als 200 Tagen mit einem Hungerstreik gegen seine Inhaftierung protestiert, wurde mit einem Rollstuhl unter scharfer Bewachung in den Gerichtssaal gefahren. Auf die Frage des Richters, wie es ihm gehe, habe Issawi nach Angaben seines Anwaltes mit schwacher Stimme gesagt, er habe Schmerzen und werde bald sterben. Als der Richter die Fortdauer der Haft des vom Tode gezeichneten Mannes anordnete, brach seine Mutter im Gerichtssaal zusammen.

Am Tag der Verhandlung waren nach Angaben der palästinensischen Gefangenenorganisation 800 palästinensische Gefangene aus Solidarität mit Samer Issawi in einen eintägigen Hungerstreik getreten. Außer Issawi sind drei weitere Gefangene – Tareq Qaadan, Jafar Ezzedine and Ayman Sharawna – im Hungerstreik, um gegen die israelische Administrativhaft zu protestieren. Seit mehr als einem Jahr werden sie ohne Anklage gefangen gehalten.

Issawi gehörte im Oktober 2011 zu den 1027 palästinensischen Häftlingen, die im Tausch gegen den von palästinensischen Militanten gefangenen israelischen Soldaten Gilad Shalit freigekommen waren. 14 dieser Männer wurden Anfang 2012 von Israel erneut verhaftet, zu ihnen gehören Samer Issawi und Ayman Sharawna. Als Grund für die Verhaftung gab ein Sprecher von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu an, die Männer hätten »gegen die Vereinbarungen der Freilassung verstoßen«, weil sie erneut »illegale Aktivitäten« aufgenommen hätten, die für Israel eine Bedrohung darstellten.

Der Hungerstreik sei »ein Kampf des palästinensischen Volkes gegen die Besatzung und gegen die Gefängnisse« der Besatzungsmacht, hieß es in einer Erklärung des Gefangenen Issawi, die vor der Gerichtsverhandlung vom Ministerium für die Gefangenen der Palästinensischen Autonomiebehörde veröffentlicht worden war.

Seit Wochen haben in der Westbank und vor israelischen Gefängnissen Tausende Palästinenser für die Freilassung der Hungerstreikenden protestiert. Ein Vertreter des Islamischen Dschihad sagte im Gazastreifen, der Tod eines der Gefangenen könnte die im November 2012 vereinbarte Waffenruhe mit Israel infrage stellen. Selbst der PLO-Vertreter und Unterhändler mit Israel, Saeb Erekat, hatte sich mit der isrelischen Seite in Verbindung gesetzt und die Freilassung der Hungerstreikenden gefordert. Nach seinen Angaben habe sich auch Ägypten in die Verhandlungen mit Israel eingeschaltet, offensichtlich bisher ohne Erfolg.

Ein Versuch der Europäischen Union, auf die israelische Regierung einzuwirken, um die Gefangenen freizulassen, blieb ebenfalls ohne Ergebnis. Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton forderte Israel auf, Angehörigenbesuch für die vier Männer zu gestatten. Israel ging darauf bisher ebensowenig ein wie auf besorgte Mahnungen des Nahostquartetts (Rußland, USA, UN und EU). Das französische Außenministerium hatte am Montag die israelische Regierung aufgefordert, »das Risiko eines tragischen Endes« des Hungerstreiks der vier Männer zu bedenken und »angemessene Schritte zu unternehmen«. Die Anwendung von Administrativhaft müsse »eine Ausnahme« bleiben, hieß es in der Erklärung. Israel nutzt die aus der britischen Mandatszeit stammende Haft, die jeweils von einem Militärgericht in geschlossener Sitzung angeordnet und beliebig oft verlängert werden kann, zur dauerhaften Inhaftierung von Personen, denen juristisch keine Straftaten nachgewiesen werden können. Nach Angaben der Gefangenenhilfsorganisation Addameer wurden im Januar 2013 noch 178 Palästinenser auf diese Weise festgehalten

* Aus: junge welt, Freitag, 22. Februar 2013


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