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Abriß bewohnter Häuser

Israel: Behörden rauben Palästinenserfamilien die Lebensgrundlage

Von Karin Leukefeld *

Internationalen Protesten zum Trotz hat die Stadtverwaltung von Jerusalem entschieden, weitere Häuser im Ostjerusalemer Viertel Silwan abzureißen, um das Projekt eines »Archäologieparks« umzusetzen. Hinter den Plänen steht der Geschäftsmann und Politiker Nir Barkat, der seit Dezember 2008 Bürgermeister von Jerusalem ist. Der archäologische Park soll die »Stadt Davids« zeigen, die jüdische Siedler inmitten des arabischen Wohnviertels Bustan-Silwan ausfindig gemacht haben. Dem Park sollen bis zu 88 Häuser von Palästinensern weichen.

Die nun beschlossene Anordnung sieht vor, zunächst 22 dieser Häuser abzureißen. Ein Alternativplan des Stadtplaners Youssef Jabareen, den dieser im Auftrag der Einwohner von Silwan erarbeitet hat und der den Erhalt der Häuser mit einem archäologischen Park verbindet, wird von der Stadtverwaltung ignoriert. Obwohl Ostjerusalem als Hauptstadt eines palästinensischen Staates vorgesehen ist, verfolgt die Stadtverwaltung mit Unterstützung der israelischen Regierung die Judaisierung der Jerusalemer Altstadt, des Heiligen Tals und von Ostjerusalem. Der lange bürokratische Weg, den Israel für die Hauszerstörungen beschreitet, soll nach außen »Rechtmäßigkeit« vortäuschen, wobei legitime palästinensische Ansprüche komplett ignoriert werden. Erstmals war der Plan für einen archäologischen Park 2005 vorgelegt worden, mußte aber wegen internationalen Drucks auf Eis gelegt worden. Ein erneuter Versuch scheiterte zuletzt im März, wiederum am internationalen Druck. Nun versucht Bürgermeister Nir Barkat es erneut zu einem Zeitpunkt, an dem Israel wegen des Massakers an Friedensaktivisten der Free-Gaza-Flottille Ende Mai so sehr unter Druck steht, daß es die Blockade des Gazastreifens lockern mußte. Als »ungünstig vom Zeitpunkt her« kritisierte denn auch Verteidigungsminister Ehud Barak die Entscheidung. Palästinenserpräsident Abbas forderte den US-Präsidenten zum Handeln auf.

Die Hartnäckigkeit, mit der Israel die Pläne verfolgt, machten eine Friedensvereinbarung zwischen Israel und den Palästinensern unmöglich, erklärte das Israelische Komitee gegen Hauszerstörungen (ICAHD). Die rund 1500 Einwohner von Silwan seien empört und wütend; wiederholt kam es zu Protesten und Prügeleien. »Israel führt uns vor, daß das Recht für sie nicht gilt«, meint Hajj Fahkri Abu Diab vom Volkskomitee in Silwan. »Sie wollen keinen Frieden, weil sie ihn nicht brauchen.« Die Welt müsse wissen, daß das Vorgehen Israels mit Gerechtigkeit nichts zu tun habe, so Abu Diab. »Sie zerstören nicht nur Häuser, sie zerstören Leben und Familien.«

Laut einer ICAHD-Statistik hat Israel seit der Besetzung von Ostjerusalem, der Westbank und dem Gazastreifen 1967 insgesamt 24 145 Häuser in den besetzten Gebieten zerstört. Bei dem dreiwöchigen Krieg gegen Gaza (2008/09) wurden nach Angaben der Vereinten Nationen 4247 Häuser zerstört. Im Jahr 2008 ergingen 959 Anordnungen für Hauszerstörungen, 87 wurden tatsächlich zerstört. Mehr als umgerechnet drei Millionen Euro mußten Palästinenser 2008 an Strafe zahlen, weil sie Räumungsaufforderungen der israelischen Behörden nicht nachgekommen waren.

* Aus: junge Welt, 24. Juni 2010


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