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Knesseth verabschiedet "Anti-Terror-Gesetze"

Wahlrechtseinschränkungen und "Maulkorb" befürchtet

Von Hans Lebrecht

Vorige Woche (Mittwoch, 15. Mai) verabschiedete die Knesseth, das israelische Parlament, nach einer stürmischen Debatte mit großer Mehrheit zwei von dem rechtsradikalen Abgeordneten Israel Katz eingereichten und von der Scharon Regierung unterstützten Gesetzesvorlagen in zweiter und dritter, engültiger Lesung.

Eines der durch einen Mehrheitsbeschluss von 55 gegen 36 der Knesseth nun in Kraft getretenen Gesetze stellt unter Strafe von bis zu fünf Jahren Haft, wer zu politischer Gewalt oder Terror aufruft bzw. wer solches in Wort oder Tat fördert. Schon allein der Besitz von geschriebenem oder gedrucktem Material, das zu Gewalt aufruft, steht unter Haftstrafe bis zu einem Jahr. Da nach Ansicht der Scharonregierung einschließlich der äußersten Rechten und der in der "linken Mitte" stehenden Arbeitspartei (Koalitionspartner von Scharon) der Kampf des palästinensischen Volkes gegen das israelische Besatzungsregime und für nationale Befreiung zum Terror abgestemplt wird, ist klar, dass dieses Maulkorbgesetz gegen jeden gerichtet ist, der in irgendeiner Weise seine Sympathie mit diesem - nach dem Völkedrrecht legitimen Kampf - zum Ausdruck bringt.

Das andere nun in Kraft getretene Gesetz wurde von einer Knessetmehrheit von 78 gegen 17 verabschiedet. Dieses betrifft eine Abänderung des Grundgesetzes, derzufolge ein Bürger oder eine Partei, der oder die bewaffnete Aktionen eines anderen Staates oder einer Organisation gegen Israel befürwortet oder damit sympathisiert, künftig von der Beteiligung an Wahlen zur Knesseth ausgeschlossen werden kann. Dieses Gesetz war schon zweimal von der Knesseth zurückgewiesen worden. Die jetzt erfolgte Annahme wurde ermöglicht, weil unlängst während der Debatten im Ausschuss die ursprüngliche Fassung (derzufolge die aus Vertretern der in der abgehenden Knesseth vertretenen politischen Parteien zusammen gesetzte zentrale Wahlkommission das alleinige Recht gehabt hätte, die Entscheidung zu treffen, wer oder welche sich um Knessethsitze bewerbende Partei unter das Verbot fällt) nun leicht abgeändert wurde. Demnach muss nun jeder entsprechende Beschluss der Wahlkommission vom Obersten Gerichtshof überprüft und bestätigt oder zurückgewiesen werden. Inwieweit diese Neufassung sich positiv auswirken wird, oder ob sie sich lediglich als populistischer Deckmantel für die im Gesetz enthaltene Willkür erweisen wird, steht noch offen.

Jedenfalls wurde sowohl das Maulkorbgesetz, als auch das anti-demokratische Wahleinschränkungsgesetz von israelischen demokratischen Kreisen und den konsequenten Friedenskräften kritisiert und mit Sorge um den sowieso schon angeschlagenen gesellschaflich-politischen Charakter ihres Staates betrachtet. Mit Recht nannte die kommunistische Chadasch Abgeordnete Tamar Gozanski die Verabschiedung der beiden Gesetze als einen "Schwarzen Tag in der Geschichte des israelischen Staates".

Da es doch nur natürlich sei, dass die rund eine Million (nahezu 20 Prozent) zählenden arabisch-palästinensischen Bürger Israels sich solidarisch mit ihren mit brutaler Gewalt unterdrückten Brüdern und Schwestern in den besetzten Gebieten fühlen, betrachten diese die neuen Gesetze als rassisitischen Hebel zur Ausschaltung der arabischen Minderheit aus dem öffentlichen Leben und einer parlamentarischen Vertretung, erklärte der Chadasch Abgeordnete Issam Machoul.

Insbesondere die nach der Abstimmung gehaltene, mit rassistischen anti-arabischen Drohungen gespickten Rede des Initiators der rechtsradikalen-rassisitschen Gesetzgebung, Katz, löste Tumulte von Seiten der arabischen und einiger wenigen, ihnen zur Seite stehenden jüdischen Abgeordneten aus. Drei arabische Knessethmitglieder wurden wegen ihrer lautstarken und anhaltenden Verteidung gegen die rassistische Hetze des Redners vom Vorsitzenden der Sitzung aus dem Saal verbannt.

Katz drückte unter anderem auch seine bittere Enttäuschung über die in seinen Vorschlag durch den Ausschuss eingeschaltete Vetokraft des Obersten Gerichtshofes aus. Seiner Ansicht nach sei dieser Gerichtshof absolut nicht neutral, sondern hätte sich schon des öfteren auf die Seite der "linken Araberfreunde" gestellt. Außerdem sei das Gesetz gar nicht rassisisch, behauptete er, denn es gelte für alle Bürger des Staates, auch für Juden. Damit könnte er theoretisch sogar Recht haben, denn diese beiden Gesetze bedrohen wirklich sowohl die Araber, weil sie Araber sind, als auch demokratische jüdische Bürger, welche sich solidarisch auf die Seite des Völkerrechts und der Unterdrückten der Besatzerwillkür stellen.

Kibbutz Beit-Oren, 19. Mai 2002


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