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Existenzrecht negiert

Israels stärkste Partei Likud lehnt in ihrer Charta einen palästinensischen Staat ab. Wahlfavorit Netanjahu gegen Friedensverhandlungen und Rückzug aus besetzten Gebieten

Von Knut Mellenthin *

Weiterer Rechtsruck in Israel – Benjamin Netanjahu setzt auf Sie Weiterer Rechtsruck in Israel – Benjamin Netanjahu setzt auf Sieg Wenn Israel am nächsten Dienstag ein neues Parlament wählt, wird den Umfragen zufolge Benjamin Netanjahu, der Führer der weit rechts stehenden Likud-Partei, die Nase vorn haben. 29 Prozent der Israelis würden ihn gern als nächsten Regierungschef sehen – ein Amt, das er schon von Mai 1996 bis Mai 1999 besetzte, nachdem durch die Ermordung von Yitzhak Rabin und die folgende politische Krise eine Neuwahl erforderlich geworden war. Auf dem zweiten Platz liegt bei den aktuellen Umfragen Außenministerin Zipi Livni (Kadima) mit 17 Prozent, gefolgt von Verteidigungsminister Ehud Barak, dem Chef der sozialdemokratischen Arbeitspartei, mit nur neun Prozent.

Über die Stärke der Parteien in der nächsten Knesset geben die Umfragen kein ganz klares Bild. Insbesondere nährt die Kadima die schwache Hoffnung, es könne ihr doch noch gelingen, stärkste Partei zu werden. In diesem Fall würde Livni mit der Regierungsbildung beauftragt. Noch sehen die Umfragen aber den Likud mit 26 bis 29 Abgeordneten der insgesamt 120 Knesset-Sitze vor der Kadima mit 22 oder 23. Derzeit stellt die Kadima 29 Abgeordnete, der Likud nur zwölf. Sollte Netanjahus Partei am 10. Februar die Führungsposition verpassen, läge das hauptsächlich daran, daß sich viele seiner potentiellen Wähler für die rechtsextreme Partei Jisrael Beiteinu entscheiden. Die Umfragen geben ihr derzeit zwischen 16 und 21 Sitze; in der jetzigen Knesset hat die Partei, deren Rückhalt in erster Linie russische Einwanderer bilden, elf Abgeordnete. Die Arbeitspartei kann nach dem Votum in der kommenden Woche mit etwa 17 Abgeordneten rechnen. Das wäre zwar ein Verlust von zwei Sitzen, aber eine starke Erholung verglichen mit der Zeit vor dem Angriff auf Gaza, als den Sozialdemokraten nur noch neun Abgeordnete vorausgesagt wurden.

Netanjahu hat angekündigt, eine »Regierung der Einheit« bilden zu wollen, der möglichst sämtliche zionistische Parteien angehören sollen. Etwas anderes bliebe auch Livni kaum übrig, falls ihre Kadima den Likud wider Erwarten doch noch überholen sollte. Der Likud-Chef begründet die Notwendigkeit einer Megakoalition, die nur die wenigen arabischen und linken Abgeordneten ausschließen würde, mit der »iranischen Bedrohung«, in deren Zeichen er diesmal seinen ganzen Wahlkampf gestellt hat. Mit dieser vorgeblichen Gefahr rechtfertigt Netanjahu auch die Ablehnung von Friedensverhandlungen und die Verweigerung eines Rückzugs aus den besetzten Gebieten.

In der politischen Plattform des Likud aus dem Jahr 1999, die bis heute nicht widerrufen wurde, ist verankert, daß die Partei die Bildung eines Palästinenserstaates »westlich des Jordan«, das heißt in den besetzten Gebieten, grundsätzlich ablehnt. »Die Palästinenser können ihr Leben frei im Rahmen einer Selbstverwaltung gestalten, aber nicht als unabhängiger und souveräner Staat.« In zentralen Bereichen wie der Außen- und Sicherheitspolitik, Einwanderung und Umweltschutz müsse die Handlungsfreiheit der Palästinenser den israelischen Interessen untergeordnet sein. Weiter heißt es dort: »Das Jordan-Tal und die Gebiete, die es dominieren, müssen unter israelischer Souveränität bleiben. Der Jordan wird dauerhafte Ostgrenze des Staates Israel.« Gemeint ist die Annexion des Jordan-Tals, das ein Teil der seit 1967 besetzten Gebiete ist. Die Palästinensergebiete blieben dadurch rundum von israelischem Territorium eingeschlossen. Zentrale Teile der besetzten Gebiete sollen als »lebenswichtig für die israelische Verteidigung« ebenfalls unter direkter Militärherrschaft bleiben.

Laut Likud-Charta sollen alle jüdischen Siedlungen in den besetzten Gebieten erhalten werden: »Die jüdischen Gemeinschaften in Judea, Samaria und Gaza sind die Verwirklichung der zionistischen Werte. Die Besiedlung des Landes ist ein klarer Ausdruck des nicht verhandelbaren Rechts des jüdischen Volkes auf das Land Israel und stellt ein wichtiges Element der Verteidigung der Lebensinteressen des Staates Israel dar. Der Likud wird fortfahren, diese Gemeinschaften zu stärken und zu entwickeln und wird ihre Auflösung verhindern.« Vor diesem Hintergrund wird deutlich, was Netanjahu meint, wenn er immer wieder sagt, die palästinensische Gesellschaft sei »nicht stark genug, minimale Konzessionen für ein Friedensabkommen zu akzeptieren« – womit er gleichzeitig seine Ablehnung ernsthafter Verhandlungen begründet.

Die seit 1967 besetzten syrischen Golan-Höhen hat Israel am 14. Dezember 1981 förmlich annektiert. Drei Tage später erklärte der Sicherheitsrat der UNO diesen Akt für illegal, forderte seine sofortige Aufhebung und drohte mit Sanktionen – die aber selbstverständlich ausblieben. In der Plattform des Likud wird die Annexion bestätigt und die Verstärkung der jüdischen Besiedlung des Golan-Gebiets angekündigt. Ebenso beharrt der Likud auf der von der gesamten internationalen Gemeinschaft einschließlich der USA abgelehnten Annexion des arabischen Ostjerusalems und bekennt sich zu dessen verstärkter Besiedlung mit Juden sowie zur weiteren »Stärkung der israelischen Souveränität« über diesen Teil der Stadt.

* Aus: junge Welt, 7. Februar 2009


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