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Triumph Netanjahus im Kongress

Ovationen für konfrontative Rede des israelischen Premiers

Von Roland Etzel *

Zum Abschluss seines US-Besuchs hat Israels Regierungschef Netanjahu seine harte Linie im Nahostprozess bekräftigt. Zwar signalisierte Netanjahu am Dienstag (24. Mai) vor dem US-Kongress, dass Israel zu »schmerzhaften Kompromissen« bereit sei. Tatsächlich schmerzhaft erscheinen seine Vorschläge allerdings allein für die palästinensische Seite.

Es war Benjamin Netanjahus Tag. Der israelische Ministerpräsident erntete für seine Vorstellungen zur Regelung des israelisch-palästinensischen Konflikts im US-Kongress prasselnden Applaus. Es waren dem Vernehmen nach die selben Vorschläge, die in der Vorwoche von US-Präsident Barack Obama mit deutlich weniger Gegenliebe aufgenommen worden sein sollen. Aber im derzeitigen Kongress genießt die Politik der isrealischen Falkenregierung Netanjahu/Lieberman nahezu uneingeschränkte Zustimmung und hat zusätzlich in Außenministerin Hillary Clinton eine zuverlässige Stütze in der Regierung. Die stehenden Ovationen im US-Parlament für Netanjahu dürften deshalb die Gesamtbilanz seines US-Besuchs nachhaltiger prägen als seine vorherigen Dissonanzen mit Obama.

Als Streitpunkte waren vor allem die Grenzen des israelischen und damit auch die eines zu gründenden palästinensischen Staates ausgemacht worden. Obama hatte die Demarkationslinien vom 4. Juni 1967, also dem Vorabend des Nahostkrieges jenes Jahres, als Grundlage ins Gespräch gebracht. Dies ist einerseits eine Selbstverständlichkeit, gibt es doch eine nach wir vor gültige UN-Sicherheitsratsresolution vom 22. No- vember 1967, die dies verlangt. Andererseits haben alle US-Regierungen danach Israel zu verstehen gegeben, dass sie nicht auf der Umsetzung dieses Beschlusses bestehen. Obamas Vorgänger George Bush jun. soll Israel sogar zu verstehen gegeben haben, dass diese Resolution für ihn »ungültig« sei.

Auf diese Zusage beruft sich Netanjahu jetzt – mit der kuriosen Begründung, Israel könne nicht mit Grenzen leben, die nicht zu verteidigen seien, einer Klausel, die das Völkerrecht aus gutem Grund nicht kennt. Im Klartext heißt das: kein Rückzug auf die Grenzen vom 4. Juni 1967. Zwar sprach Netanjahu von »großzügigen Gebietsabtritten«, blieb aber konkretere Angaben schuldig. »Ich erkenne an, dass wir bei einem echten Frieden Teile unseres alten jüdischen Heimatlandes werden aufgeben müssen«, erklärte Netanjahu mit großer Geste, obwohl er lediglich vage andeutete, Land abzutreten, auf das Israel eigentlich keinerlei Rechtanspruch hat. Doch im Kongress erntete er dafür frenetischen Jubel.

Für die Palästinenser war das allerdings noch der angenehmere Teil der Rede. In den anderen Hauptkonfliktpunkten zeigte Netanjahu nicht die geringste Kompromissbereitschaft: kein Rückzug aus dem palästinensischen Teil Jerusalems, kein Rückkehrrecht für Flüchtlinge; kein Stopp des jüdischen Siedlungsbaus auf palästinensischem Land; scharfes Nein zur Ausrufung eines palästinensischen Staates, wie es die Autonomiebehörde für September plant, ohne den Segen Israels.

Um diesen erlangen zu können, stellte Netanjahu in Washington allerdings hohe Hürden auf für Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas – so hoch, dass sie wohl auf dessen Scheitern angelegt sind. Der israelische Ministerpräsident warf Abbas vor, den Friedensprozess zu behindern, weil er angeblich den Staat Israel nicht anerkennen würde. »Unser Konflikt ging nie um die Gründung eines palästinensischen Staates. Es ging immer um die Existenz eines jüdischen Staates«, so Netanjahu. Ein »jüdischer Staat Israel« stellt allerdings das Existenzrecht der 20 Prozent starken arabischen Minderheit innerhalb Israels in Frage. Netanjahu verweigert jetzt aber selbst Verhandlungen, solange Abbas eine Aussöhnung mit der Hamas und mithin eine Regierung der »nationalen Einheit« anstrebe.

Nach dieser Rede und vor allem deren voller Unterstützung im US-Kongress dürfte eine friedliche Lösung des Nahostkonflikts in noch weiterer Entfernung als schon bisher liegen.

* Aus: Neues Deutschland, 26. Mai 2011


Absage an den Frieden

Stehende Ovationen im US-Kongreß für Israels Ministerpräsident Netanjahu

Von Karin Leukefeld **


Als der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu vor vollem Haus im Kongreß in Washington die Nahostpolitik von US-Präsident Barack Obama vorführte, tönte ein lautstarkes »Stoppt die israelischen Kriegsverbrechen« von der Zuschauerbank. Mehr konnte die 28jährige Friedensaktivistin Rae Abileah von »Move over AIPAC« nicht rufen, denn sofort wurde sie von Mitgliedern des »Amerikanisch-israelischen Ausschusses für öffentliche Angelegenheiten« (AIPAC) überwältigt, zu Boden geworfen und so heftig mißhandelt, daß sie in ein Krankenhaus eingeliefert werden mußte. »Als Jüdin und als amerikanische Steuerzahlerin kann ich nicht schweigen«, begründete sie ihren Protest gegen die Rede Netanjahus. Er sage, Israel in den Grenzen von 1967 sei nicht zu verteidigen. Was aber »wirklich nicht zu verteidigen ist, ist die Besatzung von Boden, das Aushungern von Gaza, die Inhaftierung von Andersdenkenden und der Mangel an gleichen Rechten für alle«.

Während Abileah aus dem Saal geschleppt wurde, beklatschten demokratische und republikanische Senatoren und Abgeordnete mit mindestens 20 stehenden Ovationen den israelischen Ministerpräsidenten, während dieser Satz für Satz deutlich machte, daß niemand Israel in die Schranken weisen werde. Er sei bereit, über einen Friedensplan mit den Palästinensern zu verhandeln, so Netanjahu. Die Größe eines zukünftigen palästinensischen Staates werde er »großzügig bemessen«. Einige Siedlungen sollten nicht gebaut werden, andere im Tausch für palästinensisches Land »jenseits israelischer Grenzen« bleiben. Allerdings werde es weder ein Israel in den Grenzen von 1967 geben noch werde er jemals einer Teilung von Jerusalem zustimmen, machte Netanjahu deutlich. »Israel braucht Grenzen, die es verteidigen kann«, sagte er. Jerusalem werde »die unteilbare Hauptstadt eines jüdischen Staates« sein.

Damit wies Netanjahu Forderungen von Obama zurück, die dieser erst Ende letzter Woche als Perspektive für einen Frieden im Nahen Osten genannt hatte. Auch die EU fordert einen palästinensischen Staat in den Grenzen von 1967, der neben der Westbank und Gaza auch Ostjerusalem als Hauptstadt umfassen soll. Er sei überzeugt, eine »leuchtende Zukunft und Frieden für unsere Kinder« zustande zu bringen, so Netanjahu. »Aber Israel wird nicht mit einer palästinensischen Regierung verhandeln, die von der palästinensischen Version von Al-Qaida unterstützt wird«, sagte er unter Verweis auf die Vereinbarung von Fatah und Hamas, eine Übergangsregierung der nationalen Einheit zu bilden. Das größte Hindernis sei aber die Weigerung der Palästinenser, Israel als einen »jüdischen Staat« anzuerkennen, betonte der Regierungschef weiter. Nach zwei Jahrzehnten fruchtloser Verhandlungen sei es höchste Zeit, daß der palästinensische Präsident Mahmud Abbas »sich vor sein Volk stellen muß und sagt: ›Ich werde einen jüdischen Staat akzeptieren‹.« Diese sechs Worte würden »die Geschichte ändern«, so Netanjahu.

Saeb Erekat von der PLO sagte, Netanjahu sei »kein Mann des Friedens« und habe »nichts angeboten«. Die palästinensische Regierung werde nicht den Versöhnungsprozeß aufgeben, wie Netanjahu es von Mahmud Abbas gefordert habe, als er sagte, Abbas müsse sich zwischen ihm und der Hamas entscheiden. Netanjahu habe »keinen Plan für einen Frieden«, sagte auch der frühere Mossadagent Yossi Alpher. Einziges Ziel von Netanjahu sei gewesen, die USA und europäische Staaten zu überzeugen, keinesfalls die Initiative der Palästinenser zu unterstützen, die im September von den Vereinten Nationen die Anerkennung eines eigenen Staates in den Grenzen von 1967 erreichen wollen. In Israel rechnet man in der UN-Vollversammlung offenbar mit einer klaren Mehrheit für das Anliegen der Palästinenser.

** Aus: junge Welt, 26. Mai 2011


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