Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

"Drohungen, Feindseligkeiten und Kampf sind nicht unser Weg"

Rede des Ministerpräsidenten Ehud Olmert bei der Herzliya Konferenz am 24. Januar 2007 - Heftige Angriffe gegen Iran (Wortlaut in deutsch)

Im Folgenden dokumentieren wir die Rede des Ministerpräsidenten Ehud Olmert bei der traditionellen Herzliya Konferenz am 24. Januar 2007 in einer deutschen Übersetzung, die von der israelischen Botschaft in Berlin versandt wurde.



Ministerpräsident Ehud Olmert:

Verehrte Gäste,

ich komme nicht umhin, mich zu den Geschehnissen des Tages und der Entscheidung des Generalstaatsanwaltes zu äußern, der eine Anhörung des Präsidenten unter dem Verdacht ernster Anklagepunkte anordnete. Unter diesen Umständen habe ich keinen Zweifel, dass der Präsident sein Amt nicht mehr ausüben kann und er die Präsidentenresidenz verlassen muss. Es ist ein trauriger Tag für den Staat Israel.

Meine Damen und Herren, genau heute vor einem Jahr und einem Tag hatte ich die Ehre, vor diesem Podium zu stehen, zur letzten Sitzung der Herzliya Konferenz, als amtierender Ministerpräsident, an Stelle von Ariel Sharon, der Tage zuvor insKoma fiel und noch nicht wieder aufgewacht ist. In jener Rede habe ich mein inständiges Gebet ausgesprochen, und das aller Anwesenden und der gesamten Nation, dass Arik Sharon zu uns zurückkehrt. Seither trage ich diese Hoffnung und dieses Gebet mit mir.

Heute möchte ich mich auf ein Thema konzentrieren, welches ich als das Wichtigste einschätze und das auch in den letzten Tagen auf dieser Konferenz diskutiert wurde. Dieses Thema ist eines mit den signifikantesten Auswirkungen für den Staat Israel und die Region im nächsten Jahrzehnt. Ich möchte Ihnen einen Bericht über die Bedrohung des Staates Israel durch den Iran darlegen.

Heute ist nicht einer unter uns, der nicht die innewohnenden Gefahren in dieser Bedrohung spürt, die nicht nur für Israel besteht, sondern auch für die Zukunft der Region und die Stabilität der Weltordnung. Jede israelische Regierung des letzten Jahrzehnts hat sich energisch dafür eingesetzt, unsere Fähigkeit zu verbessern, die Intentionen Irans zu verfolgen, das internationale Bewusstsein für die Bedrohung zu schärfen, internationale Unterstützung zu mobilisieren, um die Hilfe von außen für Irans Pläne zu unterbinden, und entsprechende Pläne für den Moment vorzubereiten, sollten sich diese Anstrengungen letztlich als nicht erfolgreich herausstellen.

Wir haben bemerkenswerte Fähigkeiten in all diesen Bereichen erreicht; dennoch sollten wir uns nicht selbst täuschen: das wichtigste zu erreichende Ziel liegt noch vor uns.

Seit vielen Jahren beobachten wir die Anstrengungen Irans, Atomwaffen unter dem Deckmantel eines zivilen Atomprogramms anzuschaffen. Sie arbeiten durch geheime Kanäle und an vielen Orten über den ganzen Iran verteilt. In den letzten Jahren sind wir Zeuge der besonders intensiver iranischer Aktivitäten geworden: von verdeckten und nicht-verdeckten Operationen.

Irans Unterstützung des palästinensischen Terrorismus – durch finanzielle Unterstützung, Bereitstellung von Waffen und Know-How, beides direkt und über Syrien – und die iranische Hilfe für den Terror im Irak, die Einwirkung aus dem Iran auf die Fähigkeiten der Hisbollah während des Kampfes im Libanon und die Hilfe, die sie gerade der Hamas angeboten haben, hat vielen die Ernsthaftigkeit der iranischen Bedrohung verdeutlicht. Diese Aktivitäten haben eine dem entgegen gesetzte Front geschaffen, die in unterschiedlicher Intensität auch alle ständigen Mitglieder des UN Sicherheitsrates mit einschließt, arabische Staaten wie Saudi Arabien, die Golfstaaten, Ägypten und Jordanien, andere Schlüsselstaaten des Westens wie Deutschland und Japan. Diese Front agiert, um Kräfte zu vereinen und um zu verhindern, dass diese Bedrohungen Realität werden.

Kürzlich kam ich von einer wichtigen Reise aus China, die am Ende einer Reihe diplomatischer Besuche stand, zurück. Ich traf alle Führer von Staaten, die als ständige Mitglieder des Sicherheitsrates fungieren, und solche anderer Schlüsselstaaten. Das Thema Iran stand an der Spitze auf unserer Agenda und bildete den Kern meiner Treffen und auch den jener Zusammenkünfte, die verschiedene Minister und Offizielle regelmäßig abhalten. Immer hat Einigkeit darüber geherrscht, dass es dem Iran nicht erlaubt werden kann, Atomwaffen oder das Material, das es ihm erlaubt, welche zu produzieren, anzuschaffen.

Die Diskussion des Sicherheitsrates über die Situation Irans und seine Akzeptanz der Resolution 1737 sind wichtige Schritte, die die Mitglieder des Sicherheitsrates enger zusammen brachten. Die Resolution konnte durch intensive und komplexe diplomatische Bemühungen erreicht werden. Viele Parteien haben daran teil gehabt, einschließlich verschiedener Kommissionen in Israel, auf politischem und auch fachlichem Level. Wir wissen, dass unsere Bemühungen erheblich zum Ergebnis beigetragen haben.

Es ist jedem klar, dass eine diplomatische Lösung des iranischen Themas die bevorzugte Lösung ist. Auch wir würden dies begrüßen. Die Richtung, in die sich die Mehrheit der internationalen Gemeinschaft hinbewegt, ist eine Lösung, die Früchte tragen kann, solange sie mit Scharfsinn und Bestimmtheit ausgeführt wird und akribisch an den Mindestanforderungen, bei denen es keinen Kompromiss geben kann, festgehalten wird.

In der Annahme dass, wenn alle Schritte, die in Zukunft von der internationalen Gemeinschaft unternommen werden (und solche, die bereits jetzt unternommen werden) schärfer, signifikanter, klarer und energischer sind, würde sich die Notwendigkeit für noch härtere Lösungen in der Zukunft verringern. Jene, die wie wir glauben, dass eine diplomatische Lösung zu bevorzugen ist, müssen nun ihre Kräfte sammeln, um Druck auf den Iran auszuüben, und zwar so lange, bis ein Wechsel erreicht wurde. Ein Auge zuzudrücken und dabei die Realität zu ignorieren und gefährliche Kompromisse einzugehen, während vermieden wird, klare Schritte zu unternehmen, wird jene, die den Iran davon abhalten wollen, eine Atommacht zu werden, dazu zwingen, in Zukunft noch schwerwiegendere Maßnahmen zu ergreifen.

Ich möchte klarstellen, dass der Iran sehr verletzlich und sensibel gegenüber internationalem Druck ist, trotz seiner trotzigen, arroganten und provokativen Haltung, und er zahlt bereits den immer höher werdenden Preis für sein Verhalten, der weiter steigen wird, wenn er seine Politik fortführt. So ernst die iranische Bedrohung ist, die Bedrohung eines Atomangriffs auf Israel steht beileibe nicht unmittelbar bevor.

Zum jetzigen Punkt ist noch Zeit, wenn auch nicht unbegrenzt, den Iran davon abzuhalten, eine Atommacht zu werden, die ihre Gegner - an erster Stelle Israel - bedroht. Wir sind nicht apathisch, wir können es uns nicht leisten, apathisch zu sein, und wir werden auf diese Bedrohung mit aller nötigen Ernsthaftigkeit reagieren.

Israel führt nicht den Kampf gegen die iranische Bedrohung an. Diese Bedrohung muss mit Ernst und Verantwortung behandelt werden, zuallererst und vor allem von den Großmächten und anderen Schlüsselstaaten. Wir stehen in der vordersten Reihe bei dem Kampf, dieses Thema an der Spitze der Agenden der Staatsführer und der internationalen öffentlichen Meinung zu bringen. Es ist unsere Pflicht, die Gefahren aufzuzeigen und dabei zu helfen, Lösungen zu finden. Das Jüdische Volk, in das die Narben des Holocaust tief eingeätzt sind, kann es sich nicht noch einmal erlauben, sich einer Bedrohung seiner Existenz gegenüber zu sehen. In der Vergangenheit hat die Welt geschwiegen und die Ergebnisse sind bekannt. Unsere Rolle ist es, die Welt davon abzuhalten, diesen Fehler zu wiederholen.

Dies ist eine höchst moralische Frage. Es gibt einen Moment, in dem jegliche diplomatischen Regeln irrelevant werden. Wenn ein Führer eines Staates ankündigt, offiziell und öffentlich, dass es seine Absicht ist, einen anderen Staat von der Landkarte zu löschen und solche Werkzeuge entwickelt, die es ihm erlauben, diese Ankündigung wahr zu machen, hat keine Nation das Recht, ihre Position in dieser Angelegenheit abzuwiegen. Es ist eine Verpflichtung höchsten Grades, mit aller Kraft gegen diesen Plan vorzugehen.

Wir haben nichts gegen das iranische Volk, wir sind kein Feind des iranischen Volkes und wir haben kein Interesse an einem Konflikt mit dem Iran. In der Vergangenheit hatten wir enge und freundschaftliche Verbindungen mit diesem Land mit seinen außergewöhnlichen Traditionen und eindrucksvollen Fähigkeiten, bevor die radikalen Parteien das Land übernommen haben.

Der heutige Iran, dessen Führung von religiösem Fanatismus und ideologischem Extremismus motiviert wird, hat sich für eine Konfrontationspolitik uns gegenüber entschieden und droht, Israel von der Karte der Nationen zu streichen. Er unterstützt den Terrorismus und untergräbt die Stabilität in der Region. Das iranische Regime, das die regionale Vorherrschaft anstrebt, trägt die Verantwortung für die auch heute von der Hisbollah angezettelten Unruhen, um die libanesische Regierung zu stürzen.

Drohungen, Feindseligkeiten und Kampf sind nicht unser Weg. Unser Bestreben war es, und wird es immer sein, in Frieden mit unseren nahen und fernen Nachbarn zu leben. Wir werden nie eine Hand zurückweisen, die in Aufrichtigkeit für einen genuinen Frieden, von jedweder Nation, gereicht wird. Danach sehnen wir uns.

Gleichzeitig sollte unser Wunsch nach Frieden nicht als Schwäche ausgelegt werden, sondern als Quelle der Stärke. Jeder, der uns in unserer Existenz bedroht, sollte wissen, dass wir die Entschlossenheit und Fähigkeiten haben, uns zu verteidigen, mit Härte und Umsicht und wenn nötig mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln zurückzuschlagen. Wir werden nicht das Leben unseres Volkes, das Leben unseres Landes riskieren. Wir haben das Recht auf volle Handlungsfreiheit im Interesse der Verteidigung unserer grundlegenden Interessen. Wir werden nicht zögern, sie anzuwenden. (…)

Es gibt keine menschliche Erfahrung, die wir nicht erlitten haben. Jede Art von Leid, Bedrohung, Hass, Eifersucht, Neid, Verfolgung, Gewalt und Blutvergießen hat unser Fleisch versengt. Mit unvergleichlicher Stärke haben wir unsere Leben aufgebaut und ein wunderbares Land gegründet. Keine Macht der Welt kann uns zerstören. Wir verweigern uns, in eine Stimmung der kollektiven, selbst-verursachten Angst hineingezogen zu werden. Wir erlauben den Leuten nicht, in Depressionen und Unsicherheit zu fallen. Wir haben eine unermessliche Stärke. Wir haben nichts zu fürchten und wir werden keine Angst haben.

Alle von uns verstehen die Bedeutung der Verantwortung und die Wichtigkeit des Zeitpunktes, der mit diesem empfindlichen Thema verbunden ist. Gemeinsam, mit vereinten Kräften, sich der Welt anschließend und mit einer verantwortungsbewussten Stimme zu Hause sprechend – nicht nervös sondern klar und entschlossen – werden wir den atomaren Bedrohungen widerstehen und siegen.

Quelle: Newsletter der israelischen Botschaft in Deutschland, 25. Januar 2007


Zurück zur Israel-Seite

Zur Iran-Seite

Zurück zur Homepage