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Zwist um Ostjerusalem

Israel forciert völkerrechtswidrige Baumaßnahmen. Protest aus den USA

Von Karin Leukefeld, Damaskus *

Der Druck auf Israel wächst angesichts dessen Siedlungspolitik in Palästina. Den konkreten Anlaß lieferte die jüngste Entscheidung der Gemeindeverwaltung von Jerusalem, im arabischen Ostteil einen neuen Wohnkomplex von 20 Häusern zu errichten. Nachdem in den vergangenen Monaten bereits Menschenrechtsgruppen gegen Häuserzerstörungen und das Bauprojekt Sutrm gelaufen waren, schalteten sich nun auch die USA ein. Am Wochenende war aus Washington die Forderung an Tel Aviv zu hören, auf die neue Siedlung zu verzichten. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu wies dies am Montag zurück und erklärte, er sei nicht bereit, sich vorschreiben zu lassen, wo Juden leben dürften. Das ganze Jerusalem sei die Hauptstadt Israels, dessen Souveränität über die Stadt »nicht zur Diskussion« stehe.

Washington hatte den israelischen Botschafter Michael Oren ins Außenministerium zitiert und deutlich gemacht, daß das Bauvorhaben, das nach Angaben des israelischen Militärfunks von einem US-Millionär finanziert wird, gestoppt werden müsse. Für den neuen Wohnkomplex, zu dem auch eine dreistöckige Tiefgarage gehört, soll das alte Hotel Sheperd abgerissen werden, das im arabischen Ostjerusalem im Ortsteil Scheich Jarrah liegt.

Das Völkerrecht verbietet den Bau israelischer Siedlungen auf arabischem Land, doch Israel setzt sich ungestraft seit Jahrzehnten über dieses Recht hinweg. Ostjerusalem, das 1967 von Israel besetzt und annektiert wurde, wird von den Palästinensern als Hauptstadt ihres zukünftigen Staates beansprucht. Das wird international zwar weitgehend akzeptiert, dennoch wurde der anhaltende Bau von israelischen Siedlungen bisher meist schweigend hingenommen.

Die Aneignung des historischen Palästinas steht für die zionistische Bewegung seit mehr als hundert Jahren auf der Agenda. Große Teile des 1967 besetzten Landes wurden von Israel völkerrechtswidrig annektiert, die Kampagne zur »Judaisierung« hat sich in den vergangenen Monaten drastisch verschärft. Als Voraussetzung zur Wiederaufnahme von Friedensverhandlungen mit den Palästinensern fordert Netanjahu inzwischen die Anerkennung Israels als »jüdischen Staat«, was die Palästinenser natürlicherweise zurückweisen.

In der vergangenen Woche hatte Tel Avivs Transportminister Israel Katz angeordnet, daß Straßenschilder in Israel, Ostjerusalem und Teilen der besetzten palästinensischen Gebiete in hebräischer Sprache »standardisiert« werden sollten. Bisherige englische und arabische Namen auf den traditionell dreisprachigen Schildern sollen verschwinden. Jerusalem, das im Arabischen »Al Quds« heißt, wird demnach zukünftig nur noch Yerushalayim (hebräischer Name) genannt, Nazareth, im Arabischen »Al Nasra«, nur noch Natzrat. Mohammed Sabih von der Arabischen Liga bezeichnete die Anordnung als »rassistisch und gefährlich«. Die Regierung Netanjahu wolle »Israel als jüdischen Staat manifestieren«.

Für George Jabbour, langjähriger Berater des syrischen Präsidenten Hafiz Assad, ist der Friedensprozeß in der Region »mit der letzten Wahl in Israel gestorben«. Die öffentliche Meinung in Israel neige immer mehr in Richtung »Religiosität, Fremdenfeindlichkeit und Rassismus«, sagte Jabbour im Gespräch mit der Autorin in Damaskus. Die Auseinandersetzung zwischen Netanjahu und US-Präsident Obama um die illegalen Siedlungen erinnere ihn an eine historische Begebenheit in der damaligen britischen Kolonie Rhodesien 1965. Damals habe der britische Premierminister Harold Wilson den rhodesischen Politiker Ian Smith gewarnt, Südrhodesien einseitig unabhängig zu erklären. Smith habe daraufhin geantwortet: »Herr Wilson hat nicht verstanden, daß ich hier in Südrhodesien mehr Macht habe, als Herr Wilson in seinem eigenen Land.« Jabbour kommentiert: »Genauso verhält sich Netanjahu.«

* Aus: junge Welt, 21. Juli 2009


Siedlungsstreit wird für Israel teuer

USA wollen Kreditbürgschaften von einer Milliarde Dollar zurücknehmen **

Im Streit um die israelische Siedlungspolitik will die US-Regierung Kreditbürgschaften in Milliardenhöhe zurücknehmen.

Jerusalem (AFP/ND). Washington wolle von bis zum Jahr 2011 verfügbaren Bürgschaften von insgesamt 2,8 Milliarden Dollar eine Summe von einer Milliarde Dollar abziehen, berichtete die israelische Wirtschaftszeitung »Calcalist«. Dabei geht es dem Bericht zufolge um Bürgschaften für staatliche Investitionen in jüdischen Siedlungen hinter der sogenannten Grünen Linie zwischen Israel und den Palästinensergebieten. Sie markierte bis zum Krieg 1967, bei dem Israel unter anderem das Westjordanland und Ost-Jerusalem besetzte, die israelische Grenze.

Der US-Kongress hatte im Jahr 2003 Kreditbürgschaften in Höhe von insgesamt neun Milliarden Dollar bewilligt. Bislang hat Israel 4,1 Milliarden Dollar davon in Anspruch genommen. Wegen Bauprojekten hinter der Grünen Linie hatte die US-Regierung bereits 2003 eine Tranche von 290 Millionen Dollar und 2007 weitere 740 Millionen Dollar zurückgezogen. Wie das israelische Armeeradio berichtete, sind im israelischen Haushalt für das laufende Jahr Kredite in Höhe von 250 Millionen Dollar für den Siedlungsbau im Westjordanland vorgesehen. Washington hatte erst am Wochenende nachdrücklich den Stopp eines jüdischen Siedlungsbau- Projektes in Ost-Jerusalem gefordert, was von Israel empört zurückgewiesen wurde. Die Siedlung soll auf einem Grundstück gebaut werden, das 1968 von Israel annektiert wurde. Der Siedlungsbau in Ost-Jerusalem läuft den Bestrebungen zuwider, das Gebiet in einem künftigen Palästinenserstaat zu dessen Hauptstadt zu machen.

Die rechtsgerichtete Organisation Israel Land Fund kündigte unterdessen an, über europäische Mittelsmänner Dutzende Grundstücke in Jordanien kaufen zu wollen. Wie der Chef der Organisation, Arieh King, am Montag sagte, geht es um ehemals jüdisches Eigentum, das vor der jordanischen Unabhängigkeit 1946 gekauft wurde. Nach der israelischen Staatsgründung 1948 hatte Jordanien einen Großteil der jüdischen Besitztümer beschlagnahmt.

** Aus: Neues Deutschland, 21. Juli 2009


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