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Bildungsblockade

Wie Israel den jungen Palästinensern die Zukunftschancen raubt

Karin Leukefeld *

Die nächste Generation der Palästinenser im Gazastreifen könnte ein niedrigeres Bildungsniveau haben als ihre Eltern. Zu dem Ergebnis kommt ein Bericht der Bildungsministeriums in Gaza, der zusammen mit der UN-Organisation für Bildung, Wissenschaft und Kultur, UNESCO, entstanden ist. Die israelische Blockade des Gazastreifens, die seit mehr als vier Jahren in Kraft ist, wirkt sich vor allem auf die junge Generation zwischen 18 und 24 aus, denen der Zugang zu Universitäten außerhalb des Gazastreifens erschwert oder verweigert wird. Nach Einschätzung der Vereinten Nationen sind 65 Prozent der etwa 1,6 Millionen Einwohner des Gazastreifens jünger als 25 Jahre. 80 Prozent der Gesamtbevölkerung sind auf humanitäre Hilfe angewiesen.

»Hochschulbildung jeder Art ist absolut entscheidend für eine funktionierende Gesellschaft und einen zukünftigen palästinensischen Staat«, sagte Max Gaylard, der UN-Koordinator für die besetzten palästinensischen Gebiete, dem UN-Informationsnetzwerk IRIN. Wichtig sei auch, berufliche Fähigkeiten aller Art aufrechtzuerhalten, »zum Beispiel im medizinischen Bereich oder für Ingenieure«. Genau das aber wird von der Besatzungsmacht Israel durch ein willkürliches Kontrollsystem, durch den Bau der Mauer und von Siedlungen in der Westbank be- und verhindert.

Die Wirtschaftsblockade des Gazastreifens zu Land, zu Wasser und aus der Luft wird durch wiederholte Militärschläge verschärft. Der Krieg gegen den Gazastreifen 2008/09, von den Israelis »Operation Gegossenes Blei« genannt, zerstörte sieben Universitäten und Fachschulen, Schulen, Krankenhäuser, Handwerks- und landwirtschaftliche Betriebe. Gezielt war der mit europäischen Hilfsgeldern gebaute Internationale Flughafen im Gazastreifen von Israel 2002 zerstört worden. Gleiches gilt für den Hafen von Gaza, der historisch einer der wichtigsten Verbindungshäfen der arabischen Welt mit Europa war.

Die Arbeitslosenrate im Gazastreifen wird vom Palästinensischen Zentralbüro für Statistik (PCBS) mit etwa 50 Prozent angegeben. Bei den 15--19jährigen liegt sie sogar bei 72 Prozent, heißt es in einem UN-Bericht vom Januar 2011. In der Westbank liegt demnach die Arbeitslosenrate bei 29 Prozent, bei den 15--19jährigen bei 34 Prozent.

Nach Lesart von UN und westlichen Industriestaaten ist Arbeitslosigkeit und mangelnde Bildung der Nährboden für (politische) Radikalisierung. Zugang zu Bildung und Arbeit ist gleichwohl ein Menschenrecht, das in völkerrechtlichen Verträgen und der UN-Menschenrechtscharta verankert ist. Damit die palästinensische Jugend zu ihrem Recht kommt, müßte die israelische Besatzung enden und die Palästinensische Autonomiebehörde (Fatah) in der Westbank und die Regierung der Hamas im Gazastreifen ihre Spaltung überwinden, die von ausländischen Interessen und Israel angefacht wird. Die UNESCO weist daraufhin, daß durch die Blockade Israels und durch die innerpalästinensische Spaltung in der Westbank und Gaza zwei getrennte Bildungssysteme entstanden seien.

Auch darum ging es Zehntausenden von Palästinensern mit ihrem »Einheitsmarsch«, den sie am Dienstag (15. März) in der Westbank und dem Gazastreifen organisiert hatten. »Wir fordern Einheit und Demokratie für Palästina«, sagte Mustafa Bargouthi von der Palästinensischen Nationalen Initiative in Ramallah. »Wir fordern unser Recht, die Regierung demokratisch und frei zu wählen«. Früher hätten die Palästinenser die Jugend der arabischen Welt inspiriert, meinte Bargouthi unter Verweis auf die Proteste in Tunesien, Ägypten und anderen arabischen Staaten. »Heute wird unsere Jugend von ihnen inspiriert.«

* Aus: junge Welt, 17. März 2011


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