Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Teilerfolg in Paris:

Israel zieht seine Panzer zurück - Kämpfe abgeflaut

Die Gespräche in Paris

Die USA und die Europäische Union (EU) haben am Mittwoch, den 4. Oktober 2000, in Paris in der Nahost-Krise zu vermitteln versucht. Einen Tag vor einem geplanten Treffen mit Ägyptens Präsident Hosni Mubarak, sollten Israels Ministerpräsident Ehud Barak und Palästinenser-Präsident Yassir Arafat dazu gebracht werden, ihre Friedensgespräche trotz der seit Jahren schwersten Unruhen in den Palästinenser-Gebieten wieder aufzunehmen. Am Abend kam nach zähen Verhandlungen ein Dreiertreffen zwischen US-Außenministerin Madeleine Albright, Barak und Arafat in Paris doch noch zustande.

Zuvor waren Arafat und Barak zu getrennten Gesprächen mit dem französischen Präsidenten Jacques Chirac und mit Albright zusammengekommen. Für das Dreiertreffen hatte Arafat als Vorbedingung die Einsetzung einer internationalen Untersuchungskommission und Sicherheitsgarantien für die palästinensische Zivilbevölkerung verlangt.

Barak erklärte nach seinem Gespräch mit Chirac als Vertreter der EU-Ratspräsidentschaft, Arafat sei für die neue Welle der Gewalt im Nahen Osten verantwortlich und müsse sich entscheiden, ob er Frieden schließen wolle. Arafat müsse nur seiner Miliz und Polizei befehlen, das Schießen einzustellen, und die Gewalt hätte sofort ein Ende, sagte Barak. Dies sei eine Bedingung für die Wiederaufnahme der Friedensgespräche.

Israel ist nach Angaben der US-Regierung mit einer Untersuchung der Vorfälle unter Leitung der USA einverstanden. Israel und die Palästinenser sollten demnach getrennt ermitteln und gemeinsam mit den USA Vorschläge ausarbeiten, um zukünftige Unruhen zu verhindern. Dagegen fordern die Palästinenser, dass in der Untersuchungskommission Frankreich, die EU und Ägypten die arabischen Staaten vertreten sollten.

UN-Generalsekretär Kofi Annan sagte, in Paris entscheide sich, ob der Friedensprozess wieder auf den Weg gebracht werden könne.

Die bisherige Bilanz der Kämpfe

Die Unruhen haben seit Donnerstag vergangener Woche (28. September) mindestens 65 Menschenleben gefordert. Mehr als 1.800 Menschen wurden verletzt, die meisten von ihnen Palästinenser. Allein am Mittwoch, den 4. Oktober, kamen acht Palästinenser ums Leben, darunter auch ein 12-jähriger Junge.

Erste Schritte zur Deeskalation?

Israels Verkehrsminister Amnon Lipkin-Schahak sagte, Barak habe den Rückzug von Panzern und Schützenpanzern von Positionen im Westjordanland und dem Gazastreifen angeboten. Arafat habe den Palästinensern das Ende der Unruhen befohlen. Der amtierende Außenminister Schlomo Ben Ami bezeichnete das Ergebnis von Paris als „halb gut, halb schlecht“. Israel werde beobachten, ob Arafats Zusicherung auch befolgt werde.

Bereits am Mittwoch (04.10.)hatte Israel 23 Panzer aus den Außenbezirken von Nablus im Westjordanland abgezogen. Am Donnerstag (05.10.) rückten weitere Panzer von einem Berg außerhalb von Ramallah ab. Zwei Panzer wurden vom Südrand Jerusalems zurückgezogen. Dort waren am Mittwochabend noch Häuser jüdischer Siedler beschossen worden. Die Lage im Westjordanland und dem Gazastreifen blieb trotz des Panzerrückzugs gespannt. In Gaza versammelten sich tausende Palästinenser auf dem zentralen Platz der Stadt und schwenkten Arafat-Bilder.

Am Donnerstag trafen Arafat und der ägyptische Präsident Husni Mubarak in Scharm el Scheich ein. Auch Albright war auf dem Weg dorthin. Baraks Büro erklärte dagegen, der israelische Ministerpräsident wolle nicht kommen.

Diplomatie

Der französische Staatspräsident Jacques Chirac sprach nach den Gesprächen in Paris von einem bedeutenden Schritt, der eine Rückkehr zur Ruhe in den Autonomiegebieten und in Jerusalem gestatten könne. In grundlegenden Fragen seien Fortschritte erzielt worden. Die Gespräche zwischen Barak, Arafat und Albright in Paris dauerten bis zum frühen Morgen. Kurz vor Mitternacht trafen die drei Politiker im Elysee-Palast Chirac und UN-Generalsekretär Kofi Annan. Ein wichtiger Streitpunkt des Verhandlungsmarathons war die Forderung Arafats nach einer internationalen Untersuchungskommission. Am Abend wollte der palästinensische Präsident verärgert aus dem Raum stürmen, wie seine Beraterin Leila Schahid berichtete. Albright habe ihn daran gehindert, indem sie angeordnete habe, die Türen der Residenz des amerikanischen Botschafters zu schließen.

Quellen: Tagespresse bzw. Internetmeldungen vom 5. und 6. Oktober 2000

Zur Israel-Seite

Zur Palaestina-Seite

Zurück zur Seite "Regionen"

Zurück zur Homepage