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Die EU-Beziehungen zu Israel: Von Europa mit Sympathie

EU-Kommissar Chris Patten schreibt in Jedioth achronoth

Folgenden Artikel veröffentlichte die israelische Zeitung Jedioth achronoth in ihrer Ausgabe vom 30. Oktober 2002.

Die EU stützt ihre Beziehungen zu Israel auf die Notwendigkeit, es diesem Staat zu ermöglichen, in Frieden und international anerkannten Grenzen zu existieren, frei von der Bedrohung des Terrors. Die EU verurteilt den Terror entschlossen. Wir bestehen darauf, dass die PA alle in ihren Mitteln stehenden Bemühungen unternimmt, um die gemeinen Angriffe gegen unschuldige Israelis zu stoppen und die Schuldigen vor Gericht zu stellen.

Die Erreichung von Frieden ist ein dringendes Ziel, aber der Frieden kann nicht dadurch erzielt werden, dass die Palästinenser geschlagen und erniedrigt werden. Im Gegenteil, Israel wird Frieden und Anerkennung durch die arabische Welt erst dann gewinnen, wenn auch die Palästinenser den ihnen zustehenden Respekt erhalten und ihr Leben selbständig in einem demokratischen Staat mit international anerkannten Grenzen führen können.

Unsere unterschiedlichen Auffassungen über den Weg zum Frieden können das, was uns verbindet, nicht auslöschen, und natürlich zu allererst die Geschichte. Wir werden die Tragödie des Holocaust niemals vergessen. Wir erkennen den enormen Beitrag an, den die jüdische Kultur unserer Gesellschaft geleistet hat, und wir werten Israel als eine reife Demokratie, die einzige in der Region. Die grundlegende Kraft der Beziehungen zwischen den beiden Seiten spiegelt sich in dem Assoziationsvertrag wider, der seit zwei Jahren in Kraft ist. Er beinhaltet das Potential, unsere Zusammenarbeit auf eine Ebene zu bringen, wie es sie im Mittelmeerraum noch nie gegeben hat.

Der Umfang des Handels zwischen uns, eine wichtige Komponente im wirtschaftlichem Wachstum Israels, nahm seit Beginn des letzten Jahrzehnts um ein Dreifaches zu. Ein Drittel des israelischen Exports kommt in die EU Staaten, und ca. 40% des israelischen Imports stammt aus der EU. Nach dem Beitritt von weiteren zehn Mitgliedstaaten zur EU im Jahre 2004 werden sich noch mehr Möglichkeiten für den israelischen Markt bieten.

Die legendäre Initiative israelischer Geschäftsleute, das gut ausgebildete Personal und das hohe technologische Niveau machen Israel zu einem modernen und konkurrenzfähigen Markt. Der Beschluss Israels, industrielle Normen und Standards zu übernehmen, die in Europa üblich sind, die Verbesserungen, die in der monetären Politik vorgenommen wurden und die Beteiligung von Forschungsinstituten, Universitäten und Firmen an europäischen Forschungsprogrammen verstärken sein Eingliederungspotential. Wir sind zur Gründung einer freien Handelszone mit allen Mittelmeerstaaten bis 2010 verpflichtet. Auch in Krisenzeiten bestanden wir stets auf das Recht Israels, sich diesem Prozess voll anzuschließen.

Unsere Befürwortung eines Palästinenserstaates ist kein Zeichen für eine schwindende Sympathie für Israel. Im Gegenteil, wir sind der Meinung, dass regionale Entwicklung nicht nur für das wirtschaftliche Wachstum Israels lebensnotwendig ist, sondern auch für seine Sicherheit, und dass kein Staat im Herzen feindlicher Staaten aufblühen kann. Die Not der Palästinenser kommt jenen zugute, die unschuldige Israelis treffen wollen. Die europäische Hilfe an die palästinensische Bevölkerung verhindert also eine Vertiefung des Chaos und trägt zur Sicherheit Israels bei. Die Gelder, die wir an die PA überweisen, sind auch ein Hebel, mit dem wir die erforderlichen Reformen dort vorantreiben wollen.

So wie wir den Terror vorbehaltlos verurteilen. so verurteilen wir auch die übertriebene Gewalt, die Israel hin und wieder einsetzt: Töten ohne Gerichtsverhandlung und kollektive Strafen, die einer Demokratie wie Israel unwürdig sind. Wir riefen zu einem Siedlungsstopp in der Westbank auf und forderten die am Konflikt beteiligten Seiten auf, die Menschenrechte zu würdigen, denn wir haben aus dem düsteren Kapitel unserer Geschichte gelernt, wie bedeutend die Freiheit und die Würde des Einzelnen auf der Suche nach dem Frieden sind.

Das ist nicht nur unsere Haltung. Im Rahmen des „Quartetts“ präsentieren wir eine „Wegbeschreibung“ für die Schritte, die Israel und die Palästinenser bis 2005 unternehmen sollten. Nach zwei Jahren schwerster Gewalt können vielleicht gerade außenstehende Faktoren dabei helfen, einen Ausweg aus der Sackgasse zu finden.

Europa betrachtet Israel als einen Freund und wichtigen Partner. Wir wollen, dass Israel Europa in der gleichen Weise betrachtet. Wir werden uns weiter darum bemühen, eine sichere und blühende Zukunft nach Israel zu bringen, mit Frieden und Zusammenarbeit mit seinen Nachbarn. Die europäische Integration zeigt, dass Kompromisse und Versöhnung auch nach Generationen von Vorurteilen, Kriegen und Leid möglich sind.


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