Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Putins Scherz kam bei Scharon nicht an

Zum ersten Mal besucht ein russischer Präsident den Staat Israel

Von Irina Wolkowa, Moskau

Als »historisch« werten russische Medien und Politikwissenschaftler die viertägige Nahost-Reise von Präsident Wladimir Putin, die am Dienstag begann. Denn neben Ägypten stehen erstmals auch Israel und die palästinensischen Autonomiegebiete auf dem Programm.

Zwar besuchte Altpräsident Boris Jelzin nach seinem Rücktritt die wichtigsten Orte im Heiligen Land, ein amtierender russischer Präsident ließ sich dort bisher jedoch noch nie blicken. Obwohl die Zeit dazu aus Sicht von Beobachtern überreif ist. Denn sowohl Israels Ministerpräsident Ariel Scharon und Präsident Mosche Katzav als auch der neue palästinensische Präsident Mahmud Abbas haben Moskau bereits besucht. Zu sowjetischen Zeiten eindeutig auf der Seite der arabischen Staaten, schwenkte das »postkommunistische« Moskau schon unter Jelzin pragmatisch um und ist heute auf gleich gute Beziehungen zu Arabern und Israelis bedacht. Bisher aber liege das große Potenzial, das aus seiner Sicht sowohl in der politischen als auch in der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit allen Staaten der Region liegt, weit gehend brach, glaubt der Chef des russischen Israel-Nahost-Instituts, Jewgeni Satanowitsch.

Russland gehört zu den Garantiemächten des Nahost-Friedensprozesses, zum so genannten Nahost-Quartett (UNO, EU, USA, Russland). Die Initiative überließ Moskau aber bisher meistens den Westmächten. Die wiederum, in Israel ohnehin wirtschaftlich stark präsent, verdrängten Russland zunehmend auch von den Märkten der arabischen Staaten. Das soll nun anders werden, entsprechend dem Konzept einer offensiven Außenpolitik, die als Doktrin gleich nach der Amtsübernahme Putins verkündet wurde. Russland will sich sowohl als Gas-Exporteur als auch als alternativer Lieferant von Rüstungsgütern ins Gespräch bringen.

Wladimir Putins Reiseroute ist denn auch mehr oder minder identisch mit der seiner westlichen Amtskollegen. Ebenso das Programm, das jedoch nicht ohne Tücken ist. In Ägypten, wo der Präsident auch mit dem Chef der Arabischen Liga konferiert und an einem Wirtschaftsforum teilnimmt, will Gastgeber Hosni Mubarak den Kremlchef vor allem für eine kerntechnische Zusammenarbeit und die Unterstützung für Ägyptens Streben nach einem ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat gewinnen.

Das aber könnte Punkte in Israel kosten, dessen Führung Ägypten schon auf dem Weg in den Atomwaffenclub sieht. Zudem kreidet Israel den Russen die kerntechnische Zusammenarbeit mit dem Erzfeind Iran und die geplante Lieferung von Boden-Luft-Raketen an das benachbarte Syrien übel an. Letztere sorgte noch kurz vor Beginn der Putin-Reise für Verstimmung bei Israels Regierungschef Ariel Scharon.

Putin hatte wie üblich, um eine gute Atmosphäre für den Besuch zu schaffen, israelischen Medien ein Interview gegeben. Auf die Frage, warum Russland den Syrern Luftabwehr-Raketenkomplexe des Typs »Strelez« verkaufe und ob dadurch nicht die Sicherheit Israels bedroht werde, antwortete der Präsident: »Die Raketen schränken natürlich die Möglichkeit von Flügen über der Residenz des syrischen Präsidenten ein.« In der Umgebung Putins verstand man das als Scherz, nicht so in Israel. Premier Scharon äußerte »Beunruhigung« darüber, dass die Luftabwehrraketen in die Hände von Terroristen fallen könnten. Was er nicht sagte: Tatsächlich hatten israelische Flugzeuge vor Monaten in geringer Höhe über dem Palast des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad manövriert, was die Syrer natürlich als Bedrohung betrachteten, worauf sie nach Gegenmitteln suchten.

Zurückhaltend dürfte die israelische Regierung auf Putins Vorschlag reagieren, im Herbst in Moskau einen Nahost-Gipfel zu veranstalten. Mehr Glück dürfte er in Sachen Wirtschaftskooperation haben. Darauf drängen schon die Aussiedler aus Russland, die in Israel inzwischen über 25 Prozent der Bevölkerung ausmachen.

* Aus: Neues Deutschland, 27. April 2005


Nahost-Konferenz in Moskau
Der russische Präsident Wladimir Putin hat bei seinem Besuch in Ägypten eine internationale Nahost-Friedenskonferenz vorgeschlagen. Daran sollten Vertreter des Nahost-Quartetts und aller beteiligten Parteien teilnehmen, sagte Putin am 27. April nach einem Treffen mit dem ägyptischen Präsidenten Husni Mubarak in Kairo. Er sei dabei zu prüfen, auf welcher Ebene und wann eine solche Konferenz organisiert werden könne. Dies werde er auch mit dem israelischen Regierungschef Ariel Scharon besprechen. Putin sollte am Abend seinen historischen Besuch in Jerusalem beginnen. (AFP-Meldung vom 27. April 2005)



Zurück zur Israel-Seite

Zur Russland-Seite

Zurück zur Homepage