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Abschreckendes Exempel

Israelisches Militärgericht verurteilt palästinensischen Menschenrechtler

Von Karin Leukefeld, Damaskus *

Nach achtmonatiger Verhandlung vor einem israelischen Militärgericht ist Abdallah Abu Rahmah (38), international bekannter Koordinator der gewaltfreien Protestbewegung in Bilin gegen die israelische Mauer, verurteilt worden. Das Gericht befand ihn am Dienstag (24. Aug.) der »Aufwiegelung« schuldig und der »Organisation illegaler Demonstrationen«. Freigesprochen wurde er von dem Vorwurf, Steine geworfen und Waffen besessen zu haben. Die Urteilsverkündung fand in einem überfüllten Gerichtssaal statt. Neben Freunden und Verwandten des prominenten Aktivisten waren auch ein Vertreter der Europäischen Union sowie Diplomaten aus Frankreich, Malta, Deutschland, Spanien und Großbritannien gekommen.

Der Vorwurf der »Aufwiegelung« bezieht sich darauf, daß Abu Rahmah mit anderen Demonstranten leere Tränengaskartuschen der israelischen Polizei eingesammelt hatte, um sie in einer Ausstellung zu präsentieren. Nach Meinung des Militärgerichts habe Abu Rahmah damit die Öffentlichkeit gegen Israel aufwiegeln wollen. Der »absurde Vorwurf« mache klar, wie die Militärankläger »das Strafrecht ausnutzen, um gewaltfreien Widerstand zum Schweigen zu bringen und zu verleumden«, heißt es in einer Stellungnahme des Volkskomitees Bilin, das von einem »Schauprozeß« spricht. Grundlage der Gerichtsentscheidung waren die Aussagen Jugendlicher, die mitten in der Nacht festgenommen, ohne Hinweis auf ihre Rechte und ohne Zugang zu juristischem Beistand eingeschüchtert und zu Aussagen gedrängt worden waren. Das Strafmaß soll im September verkündet werden, die Anklage wird voraussichtlich eine mehrjährige Haftstrafe fordern.

Abu Rahmah war am 10. Dezember 2009, dem Internationalen Tag der Menschenrechte, verhaftet worden und befindet sich seitdem in israelischer Militärhaft. Im Dezember 2008 erhielt er in Deutschland von der Internationalen Liga für Menschenrechte die Carl-von-Ossietzky-Medaille. Vermutlich soll nun gerade wegen der internationalen Aufmerksamkeit, die Abu Rahmah und der Widerstand von Bilin in den letzten Jahren erreicht haben, an ihm ein abschreckendes Exempel statuiert werden. Seine Kriminalisierung signalisiert nach Aussage vieler Beobachter eine deutliche Verschärfung des israelischen Vorgehens gegen eine gewaltfreie Oppositionsbewegung.

Die außenpolitische EU-Beauftragte Catherine Ashton äußerte sich »besorgt über die Verurteilung«. Für die EU sei Abu Rahmah ein »Verteidiger der Menschenrechte«, der sich dem gewaltfreien Protest verschrieben habe. Das sei sein und aller Palästinenser »legitimes Recht«. Die EU betrachte den Verlauf der israelischen Mauer durch palästinensisches Land als »illegal«, fügte Ashton hinzu. Am 9.Juli 2004 hatte der Internationale Gerichtshof den Bau der Mauer als völkerrechtswidrig eingestuft.

Die sofortige Freilassung von Abu Rahmah forderten in Deutschland die Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW). »Ohne Anerkennung der legitimen Rechte der Menschen in Palästina und ihres gewaltfreien Eintretens hierfür wird es keinen Frieden in der Region geben können«, erklärte Matthias Jochheim, der stellvertretende Vorsitzende der IPPNW-Deutschlandsektion.

* Aus: junge Welt, 28. August 2010

Dokumentiert

EU rebukes Israel for convicting Palestinian protester

The European Union has criticised Israel for convicting an organiser of weekly Palestinian protests against the West Bank separation barrier.

EU foreign policy chief Catherine Ashton said she was "deeply concerned" about Abdullah Abu Rahmeh, who now faces several years in prison.

She said he was a "human rights defender" committed to non-violent protest.

Israel's foreign ministry described her statement as highly improper.

'Legitimate right'

Jailed since December, Abdullah Abu Rahmeh was convicted by a military court on Tuesday of inciting protests in the West Bank village of Bilin and of participating in the protests without a legal permit.

Lady Ashton expressed deep concern "that the possible imprisonment of Mr Abu Rahmeh is intended to prevent him and other Palestinians from exercising their legitimate right to protest against the existence of the separation barriers in a non-violent manner," her office said.

"The EU considers the route of the barrier where it is built on Palestinian land to be illegal," it quoted her as saying in a statement.

Her statement drew a sharp rebuke from Israeli Foreign Ministry spokesman Yigal Palmor, who said that any "interference with a transparent legal procedure is highly improper".

Sentencing is scheduled for next month, after which Abu Rahmeh - a 39-year-old schoolteacher - will appeal the conviction, his lawyer has said. Weekly protests

Activists have been protesting against the barrier for five years in what they say are mostly peaceful demonstrations. Some demonstrations have been attended by stone-throwing Palestinian youths.

Israel says it considers the protests to be "violent and illegal". Israeli security services have fired tear gas, stun grenades, rubber bullets and on occasion live rounds at protesters.

There have been two fatalities among protesters and an American peace activist suffered brain damage after being hit by a tear gas canister.

Israel says the barrier was established to stop Palestinian suicide bombers entering from the West Bank.

But Palestinians point to its route, winding deep into the West Bank around Israeli settlements - which are illegal under international law - and say it is a way to grab territory they want for their future state.

In 2004, the International Court of Justice in The Hague issued an advisory ruling that the barrier was illegal and should be removed where it did not follow the Green Line, the internationally recognised boundary between the West Bank and Israel.

Source: BBC News, 26 August 2010; www.bbc.co.uk




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