Rassistischer Gesetzentwurf
Israels Bürger sollen künftig einen Loyalitätseid auf den "jüdischen Staat" leisten
Von Karin Leukefeld *
Ein Gesetzentwurf des israelischen Justizministers Yaakov Ne’eman über
die Änderung des Gesetzes zur Staatsangehörigkeit, wurde am Sonntag vom
israelischen Kabinett gebilligt. Demnach sollen Menschen nichtjüdischer
Herkunft künftig einen »Loyalitätseid« auf »Israel als jüdischen und
demokratischen Staat« ablegen, wenn sie die israelische
Staatsangehörigkeit beantragen. Auch Juden sollen einen solchen Eid
leisten. Bisher mußten neue Staatsangehörige lediglich erklären, den
Staat Israel und seine Gesetze zu achten. Ne’eman gehört der
reaktionären Partei »Unser Haus Israel« von Außenminister Avigdor
Liebermann an.
Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hatte schon frühzeitig seine
Zustimmung zu dem Gesetzentwurf signalisiert. Der Zionismus habe (mit
Israel) »einen vorbildlichen Nationalstaat« geschaffen, der »die
nationalen Bedürfnisse und die individuellen Rechte jedes Bürgers« gut
ausbalanciere, erklärte Netanjahu bei der Kabinettssitzung. Netanjahu
will die Anerkennung von Israel als »jüdischem Staat«, um seine
Forderung nach Jerusalem als »jüdischer Hauptstadt« international
durchzusetzen und das Recht der palästinensischen Flüchtlinge auf
Rückkehr in ihre Heimat auszuhebeln.
Lediglich die Minister der Arbeitspartei äußerten Kritik an dem
Gesetzentwurf. Sozialminister Isaac Herzog sprach (im Interview mit dem
Armeerundfunk) von einem »Hauch von Faschismus«, der sich »an den
Rändern der israelischen Gesellschaft« entwickle. Es gebe einen »Tsunami
von Maßnahmen«, so Herzog, die die Rechte in Israel einschränkten, »der
demokratische Charakter des Staates Israel ist bedroht«. »Von jetzt an
werden wir in einem neuen Land leben«, kommentierte Gideon Levy in der
israelischen Tageszeitung Haaretz das neue Gesetz, von dem allgemein
angenommen wird, daß die Regierung es unterschreibt. »Wir werden
offiziell bestätigt in einem völkischen, theokratischen,
nationalistischen und rassistischen Land leben«. Zu den wenigen
israelischen Kritikern gehörte die Gesellschaft für Bürgerrechte (ACRI).
In einem offenen Brief sagte Rechtsanwalt Oded Feller (ACRI), das neue
Gesetz mißachte das Recht auf freie Meinungsäußerung. »Ein Staat, der
eine Ideologie kontrolliert, eine Loyalitätserklärung fordert, der den
Glauben, die Ansichten und Meinungen seiner Bürger überwacht, ist keine
Demokratie«, sagte Feller. In der Knesset stehen im Herbst eine Fülle
ähnlicher Gesetzesvorschläge zur Debatte. Weitere Loyalitätsgesetze
sollen Filmproduktionen und die Arbeit von Nichtregierungsorganisationen
maßregeln.
Über die Nakba zu sprechen, die Katastrophe der palästinensischen
Vertreibung (1948), soll zukünftig illegal sein, ebenso Aufrufe, Israel
zu boykottieren. Wer solcher »Verstöße« für »schuldig« befunden wird,
dem soll leichter die Staatsangehörigkeit aberkannt werden. Unter
Anspielung auf die antikommunistische Hetzjagd in der McCarthy-Ära in
den USA der 1950er Jahre sprach Gideon Levy von einem »gefährlichen
McCarthy-Tanz ignoranter Abgeordneter, die von Demokratie nichts
verstanden haben«.
Der arabische Knesset-Abgeordnete Ahmad Tibi sagte dem arabischen
Nachrichtensender Al Dschasira (Englisch), das neue Gesetz richte sich
gegen die Palästinenser in Israel. »Palästinenser sollen erklären, daß
dieses Land den Juden gehört und die Palästinenser nur Gäste sind«,
meinte Tibi. Als »vollkommen rassistisch« bezeichnete auch der
Knessetabgeordnete Mohammed Barak das neue Gesetz.
* Aus: junge Welt, 11. Oktober 2010
Treue oder Transfer?
Von Roland Etzel **
Mit Schamfristen halten sich Israels Regierende offenbar nicht auf. Vor zwei Wochen, nach der auch formellen Beendigung des israelischen Baustopps auf besetztem palästinensischen Gebiet, hatten die USA Netanjahu & Co. wenn schon nicht gewarnt, so doch gebeten, den Nahostfriedensprozess nicht durch »unbesonnene Handlungen« zu gefährden. Irgendein positives Resultat dieser Bitte war bis dato nicht erkennbar gewesen. Entweder hält Israels Führung jene in Washington also für Witzfiguren, oder sie ist mit ihr im Einvernehmen. Oder beides?
Wie auch immer - die Jerusalemer Regierung hat inzwischen die nächste Breitseite gegen eine Verständigung mit den arabischen Nachbarn abgefeuert. Zwar wird der bisherige israelisch-palästinensische Verhandlungsgegenstand davon formell nicht berührt, aber die Absicht Israels, seine arabischen Bürger zu einer Art Treueschwur auf einen explizit »jüdischen Staat« zu verpflichten, ist eine Geste des bösen Willens. Sie kann selbst in auf Annäherung bedachten arabischen Monarchien wie Jordanien oder den Emiraten nur als Affront aufgefasst werden; gänzlich unprovoziert und deshalb mit unverkennbar rassistischer Note.
Gäbe es einen Wettbewerb, wie Frieden im Nahen Osten am wirksamsten hintertrieben werden kann - Premier Netanjahu und sein den »Transfer« aller Araber aus Israel vorbereitender Außenminister Lieberman wären schwer zu übertreffen. Und aus Washington dazu kein Wort.
** Aus: Neues Deutschland, 12. Oktober 2010 (Kommentar)
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