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Israels Rechte klagen über Nestbeschmutzer

Ausschuss soll Kritiker mundtot machen

Von Oliver Eberhardt *

Israels Rechtspopulisten wollen Menschenrechtsorganisationen von einem Untersuchungsausschuss des Parlaments durchleuchten lassen. Das Vorhaben stößt selbst in der Koalition auf Widerstand: Man wolle lästige Kritiker mundtot machen, lautet der Vorwurf.

Er ist kein Linker. Einst gründete sein Vater Menachem Begin den Likud-Block. Nun verteidigt dessen Sohn, Benny Begin, am rechten Likud-Rand das ideologische Erbe seines Vaters. Dazu gehört es, die palästinensischen Gebiete als Teil Israels zu sehen. Deshalb mag die Linke Benny Begin nicht.

Doch in jüngster Zeit war Begin einer der lautesten Fürsprecher der Linken: »Man muss nicht gutheißen, was der andere tut«, sagt er, »aber man ist kein Demokrat, wenn man seinen Gegner mundtot machen will.«

Und genau das passiere zur Zeit: Die rechtspopulistische Partei Jisrael Beitenu (Unser Haus Israel) unter Außenminister Avigdor Lieberman beantragte kürzlich, einen parlamentarischen Ausschuss einzurichten, der die Finanzierung und die Ideologie linker Menschenrechtsorganisationen durchleuchten soll – und zwar jener, die »den Staat Israel oder die Armee deligitimieren«. Welche Organisationen dazu gehören, soll der Ausschuss selbst entscheiden dürfen.

Treffen könnte es alle Gruppierungen, die Fehlverhalten von Sicherheitsorganen oder einzelner Soldaten und Beamter öffentlich machen. »Sie halten die Armee davon ab, ihre Arbeit zu tun, und gefährden damit Menschenleben«, klagte die Jisrael-Beitenu-Abgeordnete Fania Kirschenbaum, die den Antrag in der Parlamentsdebatte begründete.

Am Ende der Diskussion stimmten gerade einmal 42 Abgeordnete dafür, den Antrag zur weiteren Beratung an den Hauptausschuss weiterzuleiten. Das waren sehr viel weniger, als die Koalition Mandate hat. Die Opposition war der Abstimmung zum größten Teil ferngeblieben.

»Dieser Antrag stellt einen solchen Tiefpunkt dar, dass viele von uns es unwürdig fanden, darüber ernsthaft zu beraten«, erläuterte Nizan Horowitz von der linksliberalen Partei Meretz, »zuallererst müsste man Jisrael Beitenu untersuchen. Die haben dem Ansehen Israels am meisten geschadet.« Dabei kann man darauf bauen, dass ein solcher Untersuchungsausschuss am Ende ohnehin vom Obersten Gerichtshof kassiert werden wird. Dessen Präsidentin Dorit Beinisch hat bereits erklärt, auch das Parlament müsse sich an die Grundgesetze halten, in denen Rede- und Meinungsfreiheit garantiert werden.

Der Antrag wirft erneut ein grelles Licht auf das Demokratieverständnis der Lieberman-Partei, deren Abgeordnete überwiegend Einwanderer aus Nachfolgestaaten der Sowjetunion sind,. Es ist bereits das zweite Mal, dass Jisrael Beitenu mit einem Versuch von sich reden macht, Rechte einzuschränken. Vor einigen Monaten hatten die »Liebermannen« mit der Forderung für Aufsehen gesorgt, alle nichtjüdischen Neubürger sollten einen Treueeid ablegen. Damals wie heute hatte die Partei für den Fall der Ablehnung damit gedroht, die Regierungskoalition zu verlassen, für die ihre 15 Abgeordneten das Zünglein an der Waage sind.

Womit auch Premier Benjamin Netanjahu in die Kritik gerät. Als Lieberman Netanjahus Parteifreund Begin und drei weitere Likud-Abgeordnete wegen ihrer Kritik als »Duckmäuser« bezeichnete und ihnen vorwarf, sie seien der Grund dafür, warum die Rechte niemals regiere, selbst wenn sie die Wahl gewonnen hat, erklärte Netanjahu nur halbherzig, der Likud sei keine Diktatur, jeder dürfe sagen, was er wolle. Ansonsten schweigt er, und sein Schweigen wird ihm von den Medien als Hinnahme ausgelegt.

»Es scheint, als sei Netanjahu davon besessen, die Koalition um jeden Preis zu erhalten«, kommentierte die Zeitung »Jedioth Ahronoth«, »Dabei ist dies der Anfang von seinem Ende.« Denn: Lieberman und seine Leute bleiben zwar, aber dafür bröselt seine Koalition in kleinen Stücken. Die Arbeitspartei hat sich gerade gespalten, ein Teil hat die Koalition verlassen. Und dem Likud könnte Ähnliches drohen. »Momentan würde mir ein Austritt nicht schwer fallen«, sagt Begin, »Das ist nicht mehr die Partei meines Vaters.«

* Aus: Neues Deutschland, 19. Januar 2011


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