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"Piratenakt in internationalen Gewässern" oder Unterbindung illegalen Waffenschmuggels?

Israelische Marine entert Containerschiff Francop und findet Tonnen von Waffen - Herkunft und Ziel unbekannt

Von Karin Leukefeld

Das Containerschiff Francop sollte seine Ladung am Sonntag, den 1.11. im ägyptischen Hafen Damietta an Bord nehmen. Wegen „großer Überlastung“ des Hafens begannen die Ladearbeiten jedoch einen Tag später, am Montagvormittag. 24 Stunden später war das Boot beladen und „segelte“, so eine Bemerkung im Fahrplan, den die derzeitige Reederei des Schiffes, die United Feeder Services (UFS), im Internet zur Verfügung stellt. Nach Limassol (Zypern) sollte die Francop weiter nach Beirut (Libanon), Lattakia (Syren) und Mersin (Türkei) fahren. Am 10. November wurde sie in Damietta zurückerwartet.

Doch der ruhigen Passage bereitete die israelische Marine am Mittwochmorgen (4. Nov.) mit einem Piratenstück ein Ende. Eine Sondereinheit habe das Boot geentert und die Container untersucht, teilte ein israelischer Militärsprecher am Mittwochnachmittag mit. Man habe den Verdacht gehabt, das Schiff könne Waffen transportieren. Und tatsächlich, nach kurzem Suchen wurde man fündig und förderte tonnenweise Waffen zu Tage, die wenige Stunden später der eilig herbei getrommelten internationalen Presse ordentlich aufgereiht im israelischen Hafen Ashdod präsentiert wurden. Offenbar wussten die israelischen Sondereinsatzkräfte, wo sie suchen sollten, die Container mit den Waffen seien zwischen anderen Containern versteckt gewesen, hieß es. Außerdem habe man ein Dokument gefunden, das die Herkunft der Schiffsladung mit einem iranischen Hafen angab, sagte eine Sprecherin des israelischen Militärs. Damit sei klar, dass die Waffen aus dem Iran nach Syrien gebracht werden sollten, um von dort an die Hisbollah geliefert zu werden.

Die Außenminister Syriens und des Iran, Walid Mou’allem und Manoucher Mottaki, wiesen in einer gemeinsamen Pressekonferenz die Anschuldigungen zurück. „Das Schiff transportiert keine iranischen Waffen nach Syrien und enthält auch kein militärisches Material, das in Syrien zu Waffen zusammengebaut wird. Das Schiff transportiert wichtige Güter von Syrien in den Iran“, erklärte Walid. Von Lattakia aus sollte das Schiff über Mersin zurück nach Ägypten fahren. Die Hisbollah erklärte, sie habe mit den von Israel gefundenen Waffen nichts zu tun und kritisierte den „Piratenakt in internationalen Gewässern“ durch die israelische Marine. Außer der israelischen Behauptung, gibt es tatsächlich keinen Beweis, dass die Waffen für die libanesische Organisation bestimmt waren.

Das Schiff wäre auf seiner normalen Route durch die Maritime Kontrollzone der UNIFIL, der UN-Friedensmission im südlichen Libanon gefahren und hätte, wäre der Verdacht auf Waffen an Bord der UNIFIL mitgeteilt worden, sicherlich von deren Einheiten überprüft worden. Gemäß UN-Resolution 1701 ist der Transport von Waffen (an die Hisbollah) verboten. Diesen Weg hat Israel jedoch nicht eingeschlagen sondern, nach eigenen Angaben gemäß internationaler Vereinbarungen für das Entern und Durchsuchen von Schiffen, die Sache selbst in die Hand genommen. Das dürfte mit den Spannungen zu tun haben, die zwischen der UN, UNIFIL und Israel bestehen. Die israelische Armee hat sowohl im Libanonkrieg 2006 als auch im Gazakrieg 2008/09 Einrichtungen der UN angegriffen und bricht mit nahezu täglichen Überflügen und Spionagetätigkeiten im Südlibanon die UN-Resolution 1701, mit der der Libanonkrieg 2006 beendet wurde. Ein UN-Bericht über die Einhaltung der Resolution hatte kürzlich keinen Waffenschmuggel an Hisbollah festgestellt.

Der Nachrichtensender Al Dschasira verwies auf die Gleichzeitigkeit des israelischen Waffenfundes mit der Eröffnung der UN-Debatte über den Goldstone Bericht in New York. Seit Bekanntwerden des Berichts, der sowohl palästinensischen Milizen als auch der israelischen Armee während des Gazakrieges im vergangenen Winter mögliche Kriegsverbrechen vorhält, hat Israel eine rigorose Kampagne gestartet, um den Bericht und die Untersuchungskommission unglaubwürdig zu machen und von dessen Inhalt abzulenken. Ministerpräsident Benjamin Netanyahu hatte gedroht, falls der Bericht von der UN angenommen werde, sei „der Friedensprozess gestorben.“

Äußerungen des israelischen Oberbefehlshabers der Streitkräfte, General Gabi Ashkenazi haben derweil die Sorgen in der Region vor einem neuen israelischen Waffengang gegen die Palästinenser oder auch gegen den Libanon erhöht. Der General beschuldigte die Hamas, Waffen in öffentlichen Gebäuden und Wohngebieten zu verstecken, die israelische Armee sei aber in der Lage, in Städten, Moscheen, Krankenhäusern, Schulen und Kindergärten zu kämpfen. In Richtung Libanon drohten israelische Politiker in den letzten Wochen mehrfach. Solange die Hisbollah nicht entwaffnet sei, sei ein Krieg jederzeit wieder möglich.

Der Schiffseigner des Containerschiffes Fancop, die Reederei Bartels aus Hamburg teilte derweil mit, dass das Schiff von Israel wieder freigelassen wurde und seine Route fortsetze. Es sei seit zwei Monaten unter Zeitcharter im Auftrag der Reederei UFS unterwegs. Alle mit der Buchung der Ladung zusammenhängenden Aufgaben lägen in Verantwortung von UFS. Ladung, die UN-Resolutionen widersprechen, dürften nicht transportiert werden. Weder Bartels noch der Kapitän des Schiffes hätten von Waffen an Bord gewusst. Der Inhalt der zu ladenden Container werde gegenüber der Reederei nicht deklariert, das liege in der Verantwortung der Hafenbehörden. Dazu hieß es aus Ägypten, das mit Israel ein Friedensabkommen geschlossen hat, man werde sicherlich nicht zulassen, dass aus einem ägyptischen Hafen Waffen an die Hisbollah verschifft würden. Sowohl die Reederei Bartels als auch die Reederei UFS in Limassol betonten, weder sie noch der Kapitän hätten zu irgendeinem Zeitpunkt von Waffen an Bord des Schiffes gewusst.

Netanyahu: Waffenschmuggel zeigt Absurdität der Lage

Israels Ministerpräsident Binyamin Netanyahu hat sich am Mittwoch zum Fall des mit Waffen aus dem Iran beladenen Frachters „Francop“ geäußert, den eine Spezialeinheit der israelischen Marine zuvor sichergestellt hatte. Dabei stellte er die Angelegenheit in den Kontext der internationalen Kampagne, die derzeit gegen Israel betrieben wird.

„Die Übernahme des Schiffs durch die Marine illustriert die große Absurdität: Auf der einen Seite schickt der Iran Waffen in Wespennester von Terroristen, um unsere Zivilisten zu töten. Auf der anderen Seite zeigt der Goldstone-Bericht mit dem Finger auf Israel“, so Netanyahu, der zugleich beteuerte: „In den nächsten Tagen werden wir diese Absurdität unseren Freunden weltweit präsentieren.“

(Yedioth Ahronot, 05.11.09)




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