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3000 neue Siedler

Regierungsbildung in Israel: Netanjahu versucht zu beschwichtigen – und bereitet Landnahme in palästinensischen Gebieten vor

Von Karin Leukefeld *

Israels designierter Ministerpräsident präsentierte sich und sein Programm am Mittwoch abend der einheimischen Wirtschaft und reagierte damit offensichtlich auf internationale Kritik an jüngsten Äußerungen zur Palästinafrage. Unter anderem versprach Benjamin »Bibi« Netanjahu während des Treffens in Jerusalem »Sicherheit, Wohlstand und Frieden«. Dafür sei er angetreten, und das werde er mit seiner neuen Regierung umsetzen. Frieden sei nicht das letzte, sondern das »dauerhafte Ziel« für alle Israelis und deren Regierungen, dafür werde er mit den Palästinensern verhandeln, so Netanjahu. Dabei werde es nicht nur um wirtschaftliche Fragen gehen, sondern »auch um Frieden«.

Zuvor war der Premier in spe international unter Druck geraten, weil er sich nicht eindeutig zur »Zwei-Staaten-Lösung« bekannt hatte. Folglich forderte die palästinensische Autonomiebehörde von Netanjahu ein klares Bekenntnis dazu. Nur so könne Tel Aviv zeigen, daß es die Palästinenser »als Partner« respektiere, sagte der palästinensische Verhandlungsführer Saeb Erekat am Mittwoch. US-Präsident Barack Obama betonte die »Notwendigkeit« weiterer Friedensbemühungen, auch wenn sie mit einer Regierung Netanjahu »nicht einfacher« geworden seien.

Die neue Regierung werde ein »Partner für den Frieden« sein, versicherte Netanjahu, der bisher die ultrarechte Partei »Unser Haus Israel« von Avigdor Liebermann und die Arbeitspartei von Ehud Barak für seine »Regierung der nationalen Einheit« gewinnen konnte. Derzeit verhandelt er noch mit reaktionären orthodox-jüdischen Siedlerpartei Shas über deren Regierungsbeteiligung. Obwohl etwa die Hälfte der in die Knesset gewählten Abgeordneten der Arbeitspartei dem Vorsitzenden Barak ihre Zustimmung zu der Koalition verweigert haben, werden sie sich vermutlich mit Kritik an der zukünftigen Regierung eher zurückhalten. Die zur Barak-Partei gehörige Abgeordnete Sheli Yachimovich blieb zwar bei ihrer Kritik an einer Koalitionsbeteiligung. Allerdings meinte sie, sie werde der Abstimmung über ein Kabinett mit Avigdor Lieberman lediglich »fernbleiben«.

Ehud Barak selbst äußerte am Donnerstag (26. März) die Überzeugung, daß die Arbeitspartei eine rechte Regierung »in die Mitte« ziehen werde. Was immer der ehemalige Kriegsminister inhaltlich darunter verstehen mag: Es wird zudem bezweifelt. Ein Rechtsruck der Arbeitspartei sei wahrscheinlich, sagte der Politikexperte Ghassan Al-Khatib aus Ramallah – auch deswegen, weil Barak »nach rechts tendiert«. Dieser habe den illegalen Bau jüdischer Siedlungen in den besetzten palästinensischen Gebieten unterstützt und sich für den »völlig unnötigen« Krieg gegen Gaza instrumentalisieren lassen.

Die nächste israelische Regierung, so Al-Khatib weiter, werde neue Spannungen zu den Palästinensern aufbauen, »die kleine Chance eines Friedens zwischen beiden Seiten wird sich gegen Null bewegen«. Drei Viertel der neuen Abgeordneten in der Knesset gehörten rechten Parteien an, konstatierte Marwan Bishara vom TV-Sender Al Dschasira in Doha. Die zionistische Arbeitspartei habe sich auf eine Koalition mit dem »Neofaschisten Avigdor Lieberman« eingelassen, das werde der israelischen Politik einen rassistischen Stempel aufdrücken. Das sei nicht nur für die Palästinenser, sondern für alle Araber eine Gefahr, so Bishara.

Bei den Regierungsverhandlungen haben sich nach Meldungen des israelischen Militärrundfunks Netanjahu und Lieberman offenbar darauf geeinigt, in der Besatzungsregion Ost 1 zwischen Jerusalem und der illegalen strategischen Siedlung Ma’aleh Adomim 3000 neue Wohneinheiten für Siedler zu bauen. Die Absprache sei geheim und tauche bisher in den offiziellen Vereinbarungen nicht auf, berichtete der Militärfunk. Der Bau neuer Siedlungen speziell in diesem Gebiet ist seit mehr als zehn Jahren heftig umstritten, weil eine weitere israelische Landnahme dort das Westjordanland praktisch spalten und eine zukünftige israelisch-palästinensische Grenzziehung unmöglich machen würde.

* Aus: junge Welt, 27. März 2009


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