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Aneinander vorbei geredet

Ergebnisloser Besuch des US-Nahostbeauftragten in Israel

Von Karin Leukefeld *

Babylonische Sprachverwirrung kennzeichnete den Besuch des US-Sonderbeauftragten für den Nahen Osten, George Mitchell, am Donnerstag und Freitag (16. und 17. April) in Israel. Während Mitchell gebetsmühlenhaft wiederholte, daß die US-Administration von einer Zwei-Staaten-Lösung zwischen Israel und Palästina ausgehe, wählten seine israelischen Gesprächspartner verschiedene Formeln, um deutlich zu machen, daß diese Lösung keine Option sei. Verteidigungsminister Ehud Barak ließ zur Begrüßung von Mitchell die Kampfjets seiner Luftwaffe einen Angriff auf das palästinensische Flüchtlingslager Maghazi in Gaza fliegen, wie durch ein Wunder wurde niemand verletzt. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu forderte von den Palästinensern, sie müßten Israel als »Staat der Juden« anerkennen und Außenminister Avigdor Lieberman erklärte, der Friedensprozeß sei in einer Sackgasse gelandet, man müsse »neue Ideen und Herangehensweisen entwickeln«. Es könne nicht um zwei Staaten für zwei Völker gehen, so der israelische Innenminister Eli Yishai, es gehe um »zwei Wirtschaftssysteme für zwei Völker«. Präsident Schimon Peres spielte Differenzen zwischen Israel und den USA herunter. Barack Obamas Friedensbemühungen in der Region stimmten mit der Position Is­raels überein, so Peres.

Am Freitag (17. April) traf Mitchell in Ramallah mit Präsident Mahmud Abbas zusammen. Innerhalb der Fatah werden Stimmen laut, die Verhandlungen mit Israel zu stoppen. Die Regierung Netanjahu müsse von den USA ebenso boykottiert werden, wie die Hamas. In Washington scheint man derweil an einem neuen Friedensvorschlag zu arbeiten. Israel soll gleichzeitig mit den Palästinensern und Syrien über Frieden verhandeln berichtete die israelische Tageszeitung Haaretz. Die 1967 besetzten Gebiete müsse es verlassen, die dann entmilitarisiert und unter internationalen Schutz gestellt werden könnten. Grundlage sei die arabische Friedensinitiative aus dem Jahr 2002, in der Israel Frieden angeboten wird, wenn es sich aus den besetzten Gebieten zurückzieht. Die israelische Regierung hat offenbar nicht vor, den US-Forderungen nach einer Zwei-Staaten-Lösung zu entsprechen, so lange Washington Israel keine Garantie gegen Iran bietet. Man denke jedoch nicht an einen Angriff auf die iranischen Nuklearanlagen, versicherte Präsident Peres gegenüber George Mitchell. Eine militärische Lösung mit dem Iran gebe es nicht.

* Aus: junge Welt, 18. April 2009


Ein starkes Stück

Von Roland Etzel **

Der neue israelische Ministerpräsident verlangt, dass die Palästinenser »den Staat Israel als den Staat des jüdischen Volkes anerkennen«. Gesagt hat dies Benjamin Netanjahu nicht auf irgendeinem Straßenpalaver, dessen Inhalt man hinterher bei Bedarf als fehlinterpretiert zurücknehmen kann, sondern dem US-Nahostunterhändler Mitchell. Es ist also die manifest gewordene Absicht dieser Regierung, die (Welt-)Öffentlichkeit mit einer neuen Qualität von israelischem Selbstverständnis als Staat zu konfrontieren.

Das ist schon ein starkes Stück und wirft eine Fülle staatsrechtlicher Fragen auf, die nicht einmal innerhalb der jüdischen Bevölkerung Israels geklärt, aber auch deren Angelegenheit sind. Für die Palästinenser allerdings ist Netanjahus Ankündigung nichts weniger als bedrohlich, besonders für diejenigen, die Staatsbürger Israels sind. Muss man hinzufügen: zur Zeit noch? Müssen die nun bald ihre Sachen packen? Gewiss, ein Minister könnte schon morgen verkünden: »Niemand hat die Absicht...« Aber das würde nicht stimmen. Ein Extremnationalist namens Lieberman hat sie. Vor kurzem forderte er den »Transfer« zumindest jener Palästinenser, die bei einem »Loyalitätstest« durchfielen. Und jetzt ist er Außenminister und hat von seinen Äußerungen nichts zurückgenommen.

Netanjahu/Lieberman haben so nebenbei auch die Zwei-Staaten-Lösung für erledigt erklärt, bislang das sogenannte Essential der Nahostpolitik des Westens. Und nun? Vielleicht sollten jene, die während des Gaza-Krieges so vehement das Existenzrecht Israels verteidigten, dies jetzt einmal für die Palästinenser tun. Zum Beispiel die deutsche Kanzlerin.

** Aus: Neues Deutschland, 18. April 2009 (Kommentar)




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