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Israel rüstet deutsche U-Boote mit Atomraketen aus

Ein Spiegel-Bericht, ein Dementi und ein Hintergrundartikel

Von Knut Mellenthin

Der Spiegel hatte eine Story über die Bewaffnung israelischer U-Boote mit atomar bestückten CMs. Quelle dafür war ausschließlich die Los Angeles Times vom 11. Oktober.

Die Geschichte ist an sich nicht neu. Siehe mein Artikel im Neuen Deutschland vom 19. Juni 2002. Anlass meines Artikels war eine story in der Washington Post. Ich habe schon damals darauf hingewiesen, dass der Sachverhalt im Wesentlichen seit mehreren Jahren bekannt war.

Das einzig Neue an dem aktuellen Artikel der Los Angeles Times ist die Behauptung, dass es Israel GELUNGEN sei, amerikanische Cruise Missiles so zu modifizieren, dass sie Atomsprengköpfe tragen können. Stand im Juni 2002 war, dass Israel an dem Problem ARBEITET.

Die LA Times behauptet unter Berufung auf zwei anonyme Amerikaner und einen anonymen Israeli, dass es Israel gelungen sei, amerikanische Harpoon-Raketen so umzubauen, dass sie nukleare Sprengköpfe tragen können. Der Informationsstand im Juni 2002, als ich meinen Artikel schrieb, war hingegen, dass Israel sich zwar zunächst um die Anschaffung von Harpoons für seine U-Boote bemüht habe, inzwischen aber an der Entwicklung einer eigenen U-Boot-fähigen CM arbeite. "Ihre Reichweite soll zur Zeit bei 1500 Kilometern liegen. Einen vermutlich ersten Test dieses Lenkflugkörpers gab es bereits im Mai 2000 im Indischen Ozean." (aus meinem Artikel - es wird allgemein angenommen, dass Israel und Indien auf dem Gebiet der Atombewaffnung eng zusammenarbeiten.) - Das Problem der Harpoon aus israelischer Sicht ist ihre kurze Reichweite (80 Meilen lt. LA Times, 130 km lt. Spiegel). Israel strebt meiner Ansicht nach mit der Entwicklung U-Boot-gestützter Atomwaffen vor allem die Fähigkeit an, die einzige islamische Atommacht, Pakistan, bedrohen zu können. Dafür ist eine größere Reichweite als die der Harpoon erforderlich. Gegenüber Iran sind U-Boot-gestützte Atomwaffen eigentlich überflüssig, da Israels Rakete Jericho II jetzt schon den Iran erreichen kann, ebenso wie die israelischen Kampfflugzeuge der Typen F-16 und F-15.

Inzwischen ist die vom SPIEGEL übernommene Geschichte der LA Times dementiert worden. Das Dementi besagt sinngemäß, dass ein solcher Umbau der Harpoon technisch unmöglich sei. Das kann ich selbstverständlich nicht beurteilen. Es würde aber die Vermutung bestätigen, dass Israel zu dem bewussten Zweck an der Entwicklung einer eigenen U-Boot-Rakete arbeitet.

Anhängend zuerst mein Artikel von Juni 2002, dann das Dementi, wie es auf der Internetseite von Ha'aretz zu lesen war.

Israel rüstet deutsche U-Boote mit Atomraketen aus

Knut Mellenthin

Wie die „Washington Post“ jetzt berichtet, ist die israelische Kriegsmarine dabei, drei von Deutschland gelieferte U-Boote mit Cruise Missiles auszustatten, die Atomsprengköpfe tragen können. Israel gab hierzu postwendend ein Dementi ab, dass bei näherem Hinsehen jedoch überhaupt keines ist. Das Oberkommando der israelischen Marine bestritt lediglich, dass Israel bereits Cruise Missiles mit Atomsprengköpfen besitzt, und fügte vielsagen hinzu: „Wir wären froh, wenn wir ein paar davon hätten.“ - Dieses Pseudo-Dementi besagt lediglich, dass die U-Boot-fähigen nuklearen CM’s Israel sich noch im Entwicklungs- und Erprobungsstadium befinden und dass noch nicht sämtliche technischen Probleme gelöst sind.

Der Sachverhalt ist im Wesentlichen schon seit mehreren Jahren bekannt und war bereits Gegenstand zahlreicher Veröffentlichungen. Die drei U-Boote sind bei den Howaldtswerken Deutsche Werft AG (HDW) und der Thyssen Nordseewerke AG gebaut worden. Der konkrete Auftrag erfolgte Mitte der 90er Jahre, das letzte der U-Boote wurde vor Jahren an Israel übergeben. Der Stückpreis wird mit 680 Millionen DM angegeben. Die ersten beiden U-Boote wurden ganz oder überwiegend aus dem deutschen Haushalt im Rahmen der Militärhilfe finanziert; die Kosten des dritten teilten sich Deutschland und Israel.

Die U-Boote tragen die ihnen von der israelischen Marine gegebene Bezeichnung „Dolphin“, Delphin. Tatsächlich entsprechen sie weitestgehend dem jüngsten deutschen Typ U-212, doch enthalten sie von diesem abweichend spezielle elektronische Komponenten, die von der israelischen Industrie produziert wurden. U-212 gilt weltweit als eines der modernsten, wenn nicht sogar das modernste U-Boot, das zur Zeit verfügbar ist. Es hat 10 Torpedorohre. Vier von diesen haben einen größeren Durchmesser und sind zum Abschuss von Lenkflugkörpern geeignet. Hieß es zunächst, Israel bemühe sich zu diesem Zweck um die Anschaffung der US-amerikanischen Lenkwaffe „Harpoon“, so arbeitet es inzwischen an der Entwicklung einer eigenen U-Boot-fähigen CM, die von den Amerikaner als „Popeye Turbo II“ bezeichnet wird. Ihre Reichweite soll zur Zeit bei 1.500 Kilometern liegen. Einen vermutlich ersten Test dieses Lenkflugkörpers unternahm die israelische Marine im Mai 2000 im Indischen Ozean.

Deutschland hat also ein atomar nachrüstbares Waffensystem an ein Land geliefert, das den Atomwaffensperrvertrag nicht unterzeichnet hat und das fieberhaft an der massenhaften Produktion von Atomwaffen ebenso wie an deren Weiterentwicklung arbeitet. Nach Schätzung der wohl kompetentesten Stelle, Jane’s in London, besitzt Israel bereits etwa 400 Atomwaffen mit einer Gesamtstärke von 50 Megatonnen. Eine Megatonne entspricht dem 80-fachen der Hiroshima-Bombe. Nach anderen Schätzungen hat Israel 100 Kurz- und Mittelstreckenraketen vom Typ „Jericho“, sowie eine nicht zu präzisierende Zahl von Atombomben, die von F-16-Kampffliegern abgeworfen werden können.

Offiziell hat Israel bis heute nicht einmal zugegeben, dass es überhaupt Atomwaffen besitzt, obwohl daran überhaupt kein Zweifel möglich ist. Die „Washington Post“ bemerkt dazu, dass die US-Regierung die israelische Diskretion begrüßt und zitiert hierzu einen nicht namentlich genannten ehemaligen hochrangigen US-Diplomaten: „Würde Israel sich eindeutig äußern, würde das Probleme mit seinen Nachbarn wie Ägypten und Syrien schaffen.“ Solange Israel nicht offen über seinen Atomwaffen-Besitz spricht, werde dieser von den Regierung der Nachbarstaaten nicht als offensive Bedrohung aufgefasst.

Dass die U-Boote aus Deutschland von den israelischen Streitkräften in erster Linie dazu benutzt werden sollen, die „Triade der atomaren Abschreckung“ (auf dem Land, in der Luft und im Wasser) abzurunden, war schon im Anfangsstadium der Verhandlungen über die Lieferung kein Geheimnis. Der frühere Kommandant der israelischen Marine, Generalmajor Avraham Botzer, erklärte bereits im Dezember 1990 im Fernsehen, das Land brauche U-Boote nicht nur, um feindliche Kriegsschiffe anzugreifen, sondern auch als Plattform für Waffensysteme, die der Abschreckung gegen einen Angriff mit nicht-konventionellen Massenvernichtungswaffen dienen sollen.

Angeblich soll die Ausrüstung der von Deutschland gelieferten drei U-Boote mit nuklear bestückten Cruise Missiles dazu dienen, ein Abschreckungspotential zu schaffen, das auch einen schweren Angriff Iraks oder Iran mit Massenvernichtungswaffen überleben könnte. Um dies zu begründen, wird die Gefahr beschworen, dass eines dieser Länder schon in wenigen Jahren, vielleicht schon in zwei Jahren Atomwaffen besitzen könnte. Tatsächlich sind beide Länder noch weit davon entfernt, auch nur eine einzige kriegsfähige, tatsächlich einsetzbare Nuklearwaffe zu entwickeln. Und die Vorstellung, sie könnten - ohne dass die USA vorher eingreifen - ein Potential entwickeln, das groß genug wäre, um Israels auf dem Land stationierte Atomwaffen mit einem Angriffsschlag auszuschalten, ist fernab der Realität.

Was also ist der Zweck der Atomrüstung Israels nun auch noch unter Wasser? Ein Aspekt könnte sein, dass mit den auf beweglichen U-Booten stationierten Cruise Missiles auch Ziele erreichbar wären, die heute noch außerhalb der Reichweite israelischer Waffensysteme liegen. Israelische Politiker und Militärs haben in der Vergangenheit vage Statements abgegeben, die mit gutem Willen so interpretierbar waren, dass Israel in einem Konflikt niemals als erster Atomwaffen einsetzen würde. Aber in einer Zeit, wo auch Israels wichtigster Verbündeter, die USA, von diesem Grundsatz ganz offiziell abrücken, könnten auch die israelischen Erklärungen früherer Zeiten an Wert verlieren.


Das Dementi

Experts dismiss report of submarine-based nuclear missiles By The Associated Press
Ha’aretz, 13.10.2003

Israeli and foreign defense experts on Sunday dismissed a report that Israel had modified submarine-based missiles to carry nuclear warheads, saying such an alteration was technically impossible.

The Los Angeles Times reported in its Saturday editions that Israel had modified some of its nuclear warheads to fit U.S.-made Harpoon cruise missiles and upgraded the missiles so they could hit targets on land in addition to maritime ones. The article quoted two U.S. officials and one Israeli official, all speaking on condition of anonymity.

Israel made the modifications in response to Iran's alleged nuclear ambitions, the Times reported. Both the United States and Israel view Iran as an enemy and say it is close to developing nuclear weapons that might be used against Israeli targets.

Former Deputy Defense Minister Efraim Sneh called the assertion that Israel had made the Harpoon nuclear impossible. "Anyone with even the slightest understanding of missiles knows that the Harpoon can never be used to carry nuclear warheads," Sneh told Army Radio. "Not even (Israel's) extraordinarily talented engineers and its sophisticated defense industries can transform the Harpoon into a missile capable of doing this. It's simply impossible."

Ted Hooton, editor of Jane's Naval Weapon Systems in London, echoed Sneh's assessment, saying problems with payload weight would put the Harpoon out of balance, limiting its range and accuracy. "It seems to me that a nuclear weapon, which is extremely dense, would make the Harpoon nose heavy and significantly reduce its range – in any event well below the 90 miles it is designed for", Hooton said.

Vgl. zum Thema auch:
Israelische Atomwaffen und deutsche U-Boote


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