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Hausaufgaben für Netanjahu

USA möchten Israel schriftlich zu Entgegenkommen verpflichten

Nachdem US-Präsident Obama Israels Ministerpräsidenten Netanjahu beim Treffen in Washington nicht zu Zugeständnissen bewegen konnte, soll der Premier ihm nun schriftlich erklären, wie es im Nahen Osten mit den Verhandlungen weitergehen soll.

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat seine Gespräche mit der US-Regierung ohne Einigung beendet und will nun mit seinen wichtigsten Ministern über das weitere Vorgehen beraten. Wie der israelische Rundfunk weiter berichtete, wollte Netanjahu nach seiner Landung noch am Donnerstagabend mit sechs Ministern zusammentreffen. Netanjahu soll der US-Regierung schriftliche Zusagen machen, um den seit 15 Monaten festgefahrenen Nahostfriedensprozess wieder in Gang zu setzen. Diese Antworten sollen noch vor Beginn des Gipfeltreffens der Arabischen Liga am Wochenende in Libyen vorliegen.

Die israelischen Medien berichteten am Donnerstag (25. März) ausführlich über die Forderungen der US-Regierung an Netanjahu. Danach soll sich Netanjahu schriftlich dazu verpflichten, dass der im September auslaufende zehnmonatige Baustopp im Westjordanland verlängert wird. Darüber hinaus solle Netanjahu sicherstellen, dass es keine jüdischen Bauprojekte in arabischen Stadtvierteln Ost-Jerusalems mehr gebe, berichtete die Tageszeitung »Jediot Achronot«. Israel solle sich im Westjordanland auf die Linien vor Ausbruch des palästinensischen Volksaufstandes (Intifada) Ende September 2000 zurückziehen. Schließlich solle Netanjahu zusagen, die Friedensverhandlungen mit den Palästinensern innerhalb von zwei Jahren abzuschließen.

Diese Regelungen würden bedeuten, dass Israel weiterhin in jüdischen Stadtteilen und Vororten in Ost-Jerusalem bauen könnte. Diese sollen nach Vorstellung Israels nach einem Friedensvertrag mit den Palästinensern ins eigene Staatsgebiet übernommen werden. Ein Rückzug aus dem Westjordanland hätte unter anderem zur Folge, dass die israelische Armee nicht mehr wie bisher nach Belieben Razzien in Palästinenserstädten machen und Palästinenser festnehmen kann.

Menschenrechtsverletzungen im Gaza-Krieg sowohl von israelischer wie palästinensischer Seite sollten nach Ansicht des zuständigen UN-Gremiums nicht ungesühnt bleiben. Der UN-Menschenrechtsrat billigte am Donnerstag in Genf eine entsprechende Resolution. Danach soll eine unabhängige Kommission aus Rechtsexperten prüfen, wie Israel und die Hamas Vorwürfen über mögliche Kriegsverbrechen nachgehen. Eine von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon beauftragte unabhängige Kommission unter Vorsitz des südafrikanischen Richters Richard Goldstone hatte Israel und der Hamas in einem umstrittenen Bericht solche Verbrechen vorgeworfen.

Seit Monaten streiten die Vereinten Nationen mit Israel und den Palästinensern um eine Untersuchung des Krieges zwischen Ende Dezember 2008 und Mitte Januar 2009, bei dem mehr als 1400 Menschen starben. Die Resolution im UN-Menschenrechtsrat wurde gegen die Stimmen der USA, Italiens und der Niederlande angenommen. Frankreich und Großbritannien enthielten sich. Ursprünglich war angestrebt worden, dass sich die EU-Mitglieder enthalten. Ende Februar war bereits die Vollversammlung der Vereinten Nationen einem arabischen Vorstoß gefolgt und hatte eine neue Untersuchung verlangt.

* Aus: Neues Deutschland, 26. März 2010


Netanjahus Botschaft

Israels Premier demonstriert während seines US-Besuchs Stärke

Von Raoul Wilsterer **


Die Informationslage blieb auch nach Abschluß des dreitägigen US-Besuchs von Benjamin Netanjahu am Donnerstag (25. März) eher dürftig. Die Spannungen zwischen Tel Aviv und Washington, die Israels Premier vorgeblich beseitigen wollte, seien auch bei dessen Gespräch mit dem Nahost-Sondergesandten George Mitchell am Mittwoch (24. März) nicht überwunden worden, wurden von der Agentur apn US-»Regierungskreise« zitiert. Zuvor hätten sich auch Barack Obama und Hillary Clinton, der gastgebende Präsident und dessen Außenministerin, mit ihrer »Forderung nach einem Siedlungsstopp in den palästinensischen Gebieten einschließlich des arabischen Ostjerusalems« vergeblich bemüht.

Trotzdem behauptete Netanjahu noch am Mittwoch abend (24. März), es sei gelungen, die Meinungsunterschiede zu überwinden. »Ich denke, wir haben den goldenen Mittelweg zwischen der traditionellen israelischen Politik und unserem Wunsch gefunden, Fortschritte auf dem Weg zum Frieden zu machen.« So sagte er und meinte mit jener »traditionellen israelischen Politik« seinen gegen zahlreiche UN-Resolutionen verstoßenden, in jüngster Zeit massivst vorgetragenen Anspruch auf Ostjerusalem. Damit billigte er ausdrücklich auch die seit Monaten forcierten Genehmigungen von Bauvorhaben zur Ansiedlung weiterer jüdischer Siedler auf dem als Hauptstadt eines zukünftigen palästinensischen Staats vorgesehenen Gebiet.

Netanjahus Fazit kann nicht das von Obama sein. Dieser weiß, daß die palästinensische Seite erst dann wieder zu Gesprächen – ob direkt geführt oder in indirekter Pendeldiplomatie zwischen Ramallah und Tel Aviv – antreten kann, wenn ihr Baustoppostulat in Ostjerusalem mindestens zeitweise erfüllt wird. Er weiß auch, daß Ramallah bereits vor zweieinhalb Wochen von der Forderung nach einem vollständigen Halt der Siedlungsvorhaben auch im Westjordanland wieder abgelassen – und damit Schwäche gezeigt hatte. Ein nochmalige Einknicken kann sich die Autonomieregierung aktuell nicht leisten – vor den eigenen Leuten ebensowenig wie international.

Netanjahu fühlt sich offensichtlich stark und gestärkt auch durch den US-Besuch. Ihm ist bewußt, daß ihn das gesamte rechtsextreme, rechte und konservative Lager und auch große Teile der Sozialdemokratie Israels stützen. Und ihm ist auch bewußt, daß er sich in den USA auf eine mächtige Israel-Lobby, die bis weit in die Reihe der Demokratischen Partei hineinreicht, verlassen kann.

Vor diesem Hintergrund wird Obama die Tatsache, daß die Entscheidung der Jerusalemer Stadtverwaltung, den Bau weiterer 20 Wohnungen für jüdische Bewohner im arabischen Osten zu genehmigen, ausgerechnet zu Beginn seines Gesprächs mit Netanjahun bekannt wurde, entsprechend werten. Von »falschem Timing«, wie bei der Verkündung des Baus von 1600 Wohnungseinheiten in Ostjerusalem zu Beginn des Besuchs von US-Vizepräsident Joseph Biden in Israel am 7. März, konnte am Dienstag nicht mehr die Rede sein. Und war es auch nicht. Netanjahu entschuldigte sich diesmal nicht mit dem »Zeitpunkt«. Und Obama entschloß sich zu einer Geste. Zu mehr nicht. Er verzichtete auf einen Fototermin und eine Erklärung vor Journalisten.

Zu erklären gab es nichts. Außenamtssprecher Mark Toner sagte lediglich: »Die USA haben klargestellt, daß sie vertrauensbildende Schritte und ein verbindliches Engagement in dem (Nahost-)Friedensprozeß erwarten.« Diese Botschaft hat weder Netanjahus Freunde in Washington noch in Tel Aviv erreicht. »Das Thema Wohnungsbau in Jerusalem ist bedingungslos, und wenn wir hier nachgeben, verlieren wir alles«, meinte Netanjahus Stellvertreter Silvan Schalom am Donnerstag (25. März).

** Aus: junge Welt, 26. März 2010


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