Eine besondere Beziehung
Hintergrund. Die Pro-Israel-Doktrin als Konstante der US-amerikanischen Außenpolitik
Von Knut Mellenthin *
Wenige Tage nach dem spektakulären Versöhnungstreffen zwischen dem
US-Präsidenten Barack Obama und dem israelischen Premierminister am 6.
Juli in Washington ist ein Video aus dem Jahr 2001 mit bemerkenswerten
Äußerungen von Benjamin Netanjahu aufgetaucht (jW berichtete). Der
damalige Oppositionsführer hatte sich bei einem Treffen mit Siedlern in
den besetzten Gebieten völlig entspannt gegeben, da er glaubte, die
Kamera sei abgeschaltet.
Zunächst legte Netanjahu seine Philosophie gegenüber den Palästinensern
dar: »Die Hauptsache, vor allem anderen, ist, sie zu schlagen. Nicht
bloß einen Schlag, sondern so schmerzhaft, daß der Preis für sie zu hoch
wird. Ein breiter Angriff gegen die palästinensischen Behörden. Um sie
dahin zu bringen, daß sie Angst haben, alles würde zusammenbrechen.«
Auf die Frage, ob dann die Welt nicht Vorwürfe gegen Israel erheben
würde, antwortete Netanjahu: »Die Welt wird gar nichts sagen. Die Welt
wird sagen, daß wir uns verteidigen. (...) Ganz besonders jetzt, mit
Amerika. Ich weiß, was Amerika ist: Amerika ist etwas, was leicht
manipuliert werden kann. Manipuliert in die richtige Richtung.« - Selbst
wenn die US-Regierung sich kritisch äußern sollte, würde das keine Rolle
spielen: »Nehmen wir mal an, sie sagen irgend etwas. Sollen sie doch! 80
Prozent der Amerikaner unterstützen uns. Es ist absurd. Wir haben so
eine Unterstützung, und trotzdem sagen wir: Was machen wir mit ... Ich
hatte keine Angst, mit Clinton zusammenzuprallen. Ich hatte keine Angst,
mit den Vereinten Nationen zusammenzuprallen.«
Im weiteren Verlauf des Gesprächs erläuterte Netanjahu, daß er die
Oslo-Vereinbarungen der 1990er Jahre zwischen der PLO und dem 1995 von
einem rechtszionistischen Attentäter ermordeten Premierminister Yitzhak
Rabin für »eine Katastrophe« halte. Er sei, bevor er von Mai 1996 bis
Mai 1999 die Regierung übernahm, gefragt worden, ob er sich an die
Oslo-Abkommen halten werde. Diese Frage habe er grundsätzlich bejaht,
aber in der Praxis die Regelungen durch eine weiträumige Definition der
unter israelischer Militärherrschaft bleibenden »Sicherheitszonen«
ausgehebelt. Von der US-Regierung habe er damals einen Brief bekommen,
der Israel völlig freie Hand bei der Bestimmung dieser
»Sicherheitszonen« gab. Um diese Garantie zu bekommen, habe er gedroht,
daß die israelischen Streitkräfte sich anderenfalls nicht aus Hebron
zurückziehen würden, was ein zentraler Punkt der Oslo-Vereinbarungen
war. Das gesamte Gespräch ist im hebräischen Originaltext und in
englischer Übersetzung im Internet zu finden:
mondoweiss.net/2010/07/the-world-wont-say-a-thing-netanyahu-on-ongoing-israeli-expansion.html
In einem Punkt einig
Den einfachsten und schwerwiegendsten Grund für Netanjahus
Selbstsicherheit, er werde aus jedem Konflikt mit Washington als Sieger
hervorgehen, beschrieb der Fraktionsführer der Republikaner im
US-amerikanischen Abgeordnetenhaus, Eric Cantor, am 10. Juli dieses
Jahres während eines jüdischen Gottesdienstes auf Long Island (New York)
so: Der derzeitige Kongreß sei in politischer Hinsicht einer der am
tiefsten gespaltenen in der jüngeren Geschichte der USA. Republikaner
und Demokraten seien über fast jedes Thema unterschiedlicher Meinung.
Aber trotz so vieler Differenzen in außen- und innenpolitischen Fragen,
sagte Cantor, stehe der ganze Kongreß in einem Punkt einig zusammen: der
Unterstützung Israels und seiner Lebensinteressen. (Haaretz, 11.7.2010)
In Wirklichkeit sind es fast niemals sämtliche Abgeordneten und
Senatoren, die bereit sind, Israels »Lebensinteressen« über alle anderen
Gesichtspunkte zu stellen und sie in vielen Fällen auch gegen den
Präsidenten der USA durchzusetzen. Aber Mehrheiten von mindestens 75 bis
80 Prozent in beiden Häusern des Kongresses sind der zionistischen Lobby
in nahezu jeder Frage, die auch nur entfernt etwas mit Israel zu tun
hat, sicher. Das gilt schon seit Jahrzehnten, spätestens seit den 1970er
Jahren. An diesen sehr konstanten, zuverlässigen Mehrheiten scheitert
letztlich jeder Versuch des einen oder anderen Präsidenten, die
US-amerikanische Nahostpolitik von absoluter Einseitigkeit zu einer mehr
vermittelnden Stellung zu verändern.
Einige Beispiele aus jüngster Zeit: Während der Angriffe gegen das
Gazagebiet im Januar 2009 verabschiedete das Abgeordnetenhaus - elf Tage
vor Obamas Amtseinführung - eine Resolution, die sich ohne jede
Einschränkung mit der Kriegführung Israels solidarisierte, der Hunderte
von Zivilisten zum Opfer fielen. 390 Parlamentarier stimmten für die
Entschließung, nur fünf dagegen; außerdem gab es 37 Enthaltungen.
Anfang Juni 2009 wurde ein von mindestens 329 Abgeordneten und 76
Senatoren unterzeichneter Brief an Obama veröffentlicht. Darin wurde der
Präsident dringend aufgefordert, auf gar keinen Fall irgendeine Form von
Druck auf die israelische Regierung auszuüben.
Im August 2009, während die USA mit Israel zäh und ergebnislos über ein
Siedlungsmoratorium verhandelten, veröffentlichten 71 der 100 Mitglieder
des Senats einen offenen Brief an Obama, in dem sie vorbehaltlos die
Haltung der israelischen Regierung lobten und den US-Präsidenten
aufforderten, jetzt die arabischen Staaten zu »Gegenleistungen« zu drängen.
Im November 2009 beschloß das Abgeordnetenhaus eine Resolution, die in
scharfer Form den im Auftrag der UNO erstellten Goldstone-Bericht über
den Gaza-Krieg verurteilte. 344 Abgeordnete stimmten dafür, 36 dagegen,
52 enthielten sich. 33 der Gegenstimmen und 44 der Enthaltungen kamen
von demokratischen Abgeordneten.
Nach dem blutigen israelischen Angriff auf ein türkisches Hilfsschiff
für das abgeriegelte Gazagebiet im Juni dieses Jahres überschlugen sich
Abgeordnete und Senatoren beider Parteien mit enthusiastischen
Solidaritätserklärungen für das »zur Selbstverteidigung gezwungene«
Israel und mit abenteuerlichen Vorschlägen. Beispielsweise verlangte
eine Reihe namhafter Parlamentarier, alle Teilnehmer der Hilfsflotte auf
eine schwarze Liste zu setzen und ihnen die Einreise in die USA zu
verweigern. Andere forderten den Ausschluß der Türkei aus der NATO. Aus
einem Gewirr abstruser Profilisierungsversuche kristallisierten sich
schließlich zwei offene Briefe heraus: der eine von 87 Senatoren
unterschrieben, der andere von mindestens 315 Abgeordneten. Im Schreiben
der Senatoren wurde unter anderem gefordert, die türkische
Hilfsorganisation IHH als »terroristisch« zu ächten und »unfaire«
Resolutionen des UN-Sicherheitsrats durch das amerikanische Veto zu
verhindern.
Beabsichtigter Affront
Für das Aufzählen der ganz wenigen Ausnahmen, in denen sich die
Kongreßmehrheit bisher noch nicht zum bedingungslosen Fürsprecher
israelischer Interessen machte, reichen die Finger einer Hand bequem
aus. Genau betrachtet geht es überhaupt nur um zwei Themen: die
Freilassung des 1987 zu lebenslanger Haft verurteilten israelischen
Spions Jonathan Pollard und die Anerkennung ganz Jerusalems als
Hauptstadt Israels. An beiden Punkten lag und liegt selbstverständlich
allen israelischen Regierungen viel. Aber weder sie noch die
Pro-Israel-Lobby in den USA haben jemals die Auseinandersetzung um diese
beiden Themen zugespitzt: Sie vermeiden nach Möglichkeit politische
Schlachten, die das Risiko einer öffentlichen Niederlage bergen.
Ganz anders Präsident Obama, der sich im März auf eine
Auseinandersetzung um die israelische Baupolitik in Ostjerusalem
einließ, die er geradezu zwangsläufig verlieren mußte. Am 25. November
2009 hatte sich Netanjahu nach langem Drängen der US-Regierung bereit
erklärt, für die Dauer von zehn Monaten die Bautätigkeit in den
besetzten Gebieten weitgehend einzustellen. Von Anfang an war klar, daß
sich dieses Moratorium nach israelischer Interpretation nicht auf
Jerusalem bezog. Dennoch war es ein offenbar beabsichtigter Affront, daß
am 9.März ausgerechnet während eines Israel-Besuchs von Vizepräsident
Joe Biden die Absicht bekanntgegeben wurde, 1600 neue Wohneinheiten in
Ostjerusalem zu bauen. Außenministerin Hillary Clinton bezeichnete die
israelische Entscheidung am 12. März als »zutiefst negativ« für die
Gespräche mit den palästinensischen Kreisen um Präsident Mahmud Abbas.
Obamas Nahost-Sondergesandter George Mitchell verschob am 16. März einen
geplanten Besuch in Israel.
Vergeblich bestritt Obama einen Tag später, daß es eine »Krise« in den
amerikanisch-israelischen Beziehungen gebe. Die israelische Seite und
ihre Unterstützer in den USA waren jetzt offenbar fest entschlossen, dem
US-Präsidenten eine deutliche Niederlage beizubringen. Am 22.März wurde
Netanjahu auf dem Jahreskongreß der offiziellen Pro-Israel-Lobby AIPAC
(American Israel Public Affairs Committee) in Washington mit
Jubelstürmen und Ovationen gefeiert, als er Israels »Recht, in ganz
Jerusalem zu bauen«, verteidigte. Das gleiche Publikum begleitete die
Ansprache von Hillary Clinton mit eisigem Schweigen.
Netanjahus Sieg
Am 23. März gab es im Weißen Haus ein Treffen hinter verschlossenen
Türen zwischen Obama und Netanjahu. Einige Äußerlichkeiten, wie etwa das
Fehlen eines gemeinsamen Fototermins, wurden vor allem von zionistischer
Seite zu einem riesigen Zerwürfnis aufgebauscht. Tatsächlich aber dürfte
der Mangel an zur Schau gestellter Herzlichkeit vor allem auf zwei
Punkte zurückzuführen sein: Erstens hatte sich Netanjahu auf recht
brachiale Weise selbst eingeladen, und zweitens wurden wenige Stunden
vor dem Treffen neue Baugenehmigungen für Ostjerusalem erteilt.
Zu dieser Zeit kursierte im Abgeordnetenhaus bereits ein offener Brief
an Außenministerin Clinton mit der Forderung, die öffentliche Kritik an
Israel einzustellen. Das Bestehen von Meinungsverschiedenheiten zwischen
beiden Staaten sei nicht zu leugnen, aber »unserer Ansicht nach lassen
sich solche Differenzen am besten im Stillen, mit gegenseitigem
Vertrauen und Verständnis lösen«. Diese klare Absage an die Transparenz
außenpolitischer Beziehungen und Kontroversen, soweit Israel ins Spiel
kommt, trug am Ende die Unterschriften von 327 der insgesamt 435
Abgeordneten. Von den 102 Parlamentariern, die den Brief nicht
unterzeichnet hatten, gehören 94 den Demokraten an. Die Mehrheit der 253
demokratischen Mitglieder des Abgeordnetenhauses hatte sich also dem vom
AIPAC angeschobenen Störmanöver gegen Obama angeschlossen. Daß
Politiker, die die Meinungsverschiedenheiten ihres Landes mit Israel ins
Reich der Geheimdiplomatie verbannen wollen, gleichzeitig keine Scheu
haben, ihren Präsidenten öffentlich anzugreifen, selbst wenn er ihrer
eigenen Partei angehört, demonstriert die völlig unterschiedlichen
Maßstäbe, mit denen hier je nach Bedarf hantiert wird.
Vor diesem Hintergrund besiegelte schließlich das nächste Treffen
zwischen Obama und Netanjahu am 6. Juli in Washington den kompletten
Sieg des israelischen Ministerpräsidenten. Dana Milbank kommentierte
einen Tag später bissig in der Washington Post: »Stars und Stripes waren
an ihrem üblichen Platz auf dem Weißen Haus. (...) Aber um die wirkliche
Bedeutung von Netanjahus Besuch bei Präsident Obama zu erfassen, hätten
die Verantwortlichen des Weißen Hauses statt dessen die weiße Fahne der
Kapitulation wehen lassen können.«
Auf der anschließenden gemeinsamen Pressekonferenz mit Netanjahu
verzichtete der US-Präsident auf jede Kennzeichnung von Differenzen.
Statt dessen lobte er die »außerordentliche Freundschaft« zwischen
beiden Ländern, zwischen denen ein »unzerreißbares Band« bestehe. »Es
umfaßt unsere Sicherheitsinteressen, unsere strategischen Interessen,
aber, am wichtigsten von allem, das Band zwischen zwei Demokratien, die
gemeinsame Werte teilen und deren Völker sich im Laufe der Zeit immer
näher gekommen sind.«
Israels Atomrüstung sakrosankt
Auf eine Frage nach dem vorausgegangenen Streit zwischen beiden
Regierungen antwortete Obama, davon könne gar keine Rede sein. »Wenn Sie
sich alle Stellungnahmen ansehen, die ich während der letzten anderthalb
Jahre abgegeben habe, dann war das eine ständige Bekräftigung der
besonderen Beziehung (special relationship) zwischen den Vereinigten
Staaten und Israel, eine ständige Bekräftigung, daß unsere Verpflichtung
gegenüber Israels Sicherheit unerschütterlich ist.«
Zu den israelischen Atomwaffen gab das Weiße Haus anschließend eine
spezielle Erklärung ab. Hintergrund war die am 28. Mai einstimmig- also
auch mit Billigung der USA - verabschiedete Schlußresolution der New
Yorker Konferenz zur Überprüfung des Atomwaffensperrvertrags. Israel war
darin aufgefordert worden, dem Abkommen beizutreten und seine
Atomanlagen internationalen Kontrollen zu unterstellen. Außerdem wurde
in der Resolution die Schaffung einer atomwaffenfreien Zone im Nahen und
Mittleren Osten gefordert und die Durchführung einer internationalen
Konferenz zu diesem Thema im Jahre 2012 beschlossen.
Die israelische Regierung erklärte sofort, daß sie sich an die
Resolution auf gar keinen Fall halten werde. Die am 6. Juli vom Weißen
Haus abgegebene Stellungnahme schuf restlose öffentliche Klarheit, daß
Israel sich dabei auf die Unterstützung der US-Regierung verlassen kann.
Obama habe Netanjahu versichert, so hieß es da, »daß Israel immer die
Fähigkeit haben muß, sich selbst zu verteidigen (...) und daß
ausschließlich Israel selbst seine Sicherheitsbedürfnisse bestimmen
kann«. »Der Präsident betonte, daß die USA ihre seit langem feststehende
Praxis fortsetzen werden, eng mit Israel zusammenzuarbeiten, um
sicherzustellen, daß Abrüstungsinitiativen nicht auf Kosten der
israelischen Sicherheit gehen.« Die Konferenz über eine atomwaffenfreie
Zone im Nahen und Mittleren Osten werde nur stattfinden, falls Israel
bereit wäre, daran teilzunehmen. Beide Regierungen würden außerdem
zusammenarbeiten, um Kritik an den israelischen Nuklearwaffen während
der Vollversammlung der Internationalen Atomenergiebehörde im September
zu verhindern oder sie wirkungslos zu machen.
Druck auf Obama
Obamas vollständige Anpassung an die Politik Netanjahus verhindert
indessen nicht, daß Republikaner und Neokonservative von der »am meisten
Israel-feindlichen Regierung in der Geschichte der Vereinigten Staaten«
sprechen. So drückt sich das im Juli gegründete »Notkomitee für Israel«
aus, an dessen Spitze mit Noah Pollack ein maßgeblicher Autor der
neokonservativen Zeitschrift Commentary steht. Weitere prominente
Vertreter des Komitees sind William Kristol, Herausgeber der gleichfalls
neokonservativen Wochenzeitung Weekly Standard, und Gary Bauer von der
christlichen Ultrarechten. Er propagiert unter dem Titel »American
Values« seit vielen Jahren alle möglichen sozialreaktionären Vorstellungen.
Das »Notkomitee« ist, Berichten US-amerikanischer Medien zufolge, eng
mit der Beratungsfirma Orion Strategies verbunden, deren Chef Randy
Scheunemann im letzten Präsidentschaftswahlkampf als Außenpolitikcoach
von Sarah Palin fungierte. Als erstes hat das »Notkomitee« sofort eine
Kampagne gegen den demokratischen Abgeordneten Joe Sestak begonnen, der
sich bei den sogenannten Halbzeitwahlen um einen Sitz im Senat bewirbt.
Ihm wird angekreidet, daß er die Blockade des Gazagebiets kritisiert hat.
Am 2. November entscheiden die Wähler über alle 435 Abgeordnetenmandate
und über 36 der 100 Senatssitze. Der Umstand, daß sie nur jeweils für
zwei Jahre gewählt werden und ihre aufwendigen Wahlkämpfe aus der
eigenen Tasche oder durch Spenden finanzieren müssen, macht die
US-Abgeordneten extrem anfällig für lobbyistische Einflüsse.
Sarah Palin hatte 2008 an der Seite des republikanischen Senators John
McCain für das Vizepräsidentenamt kandidiert. Nun scheint sie
entschlossen, sich 2012 erneut zur Wahl zu stellen - und dann vielleicht
sogar mit dem Ziel, die erste Präsidentin der USA zu werden. Wie die
Nachrichtenagentur Reuters am 13. Juli berichtete, hat die ehemalige
Gouverneurin von Alaska in drei Monaten 865000 Dollar Spendengelder
eingenommen und verfügt über einen politischen Fonds von mehr als einer
Million Dollar.
In ihrer Polemik gegen Obama bedient sich Palin des Israel-Themas, um
den Präsidenten des »Verrats« am »treuesten Verbündeten« der USA zu
bezichtigen. Gleichzeitig lasse Obama sich von China und Rußland
»herumschubsen« und gefährde die Sicherheit der USA durch Senkung der
Militärausgaben. McCain machte den Präsidenten gar verantwortlich für
die internationalen Versuche, die Blockade des Gazagebiets zu
durchbrechen: Mit seinem »Druck« auf Israel in der Siedlungsproblematik
und der Infragestellung des »ungeteilten« Jerusalems als israelischer
Hauptstadt habe er Schwäche signalisiert und die Gegner des jüdischen
Staates ermutigt.
US-Wahlkampfthema Israel
Obama pflegt auf solche Angriffe nicht etwa mit einer Verteidigung
seiner Politik zu antworten. Statt dessen verweist er, wie zuletzt
Anfang Juli in einem Gespräch mit dem privaten israelischen
Fernsehsender Channel 2, darauf, daß sein Bürochef und sein politischer
Spitzenberater Juden seien. In diesem Interview sagte Obama laut Haaretz
vom 8. Juli auch: »My closeness to the Jewish American community was
probably what propelled me to the U.S. Senate«. Also: Seine Nähe zur
jüdischen Gemeinschaft der USA habe ihm vermutlich zu seiner politischen
Blitzkarriere verholfen. Er bestärkte damit allerdings nur den häufig
geäußerten Verdacht, daß er diese »Nähe« lediglich aus opportunistischen
Gründen gesucht habe, aber mit dem Herzen nicht wirklich bei der Sache
sei. Laut einer Meinungsumfrage, die die Jerusalem Post am 16. Juli
veröffentlichte, halten nur zehn Prozent der jüdischen Israelis den
US-Präsidenten für proisraelisch, während 46 Prozent glauben, er
begünstige die Palästinenser.
Mittlerweile steht fest, daß Republikaner und Neokonservative ihr
Eingreifen in die Halbzeitwahlen zum Kongreß vorrangig mit dem
Israel-Thema bestreiten wollen. Die größte israelische Tageszeitung,
Jedioth Ahronoth, schrieb schon Ende Mai, in der Demokratischen Partei
befürchte man, daß »die Juden« bei den Halbzeitwahlen »Rache nehmen«
könnten. Das sei der Grund dafür, daß die US-Regierung auf »Hofierung«
Israels umgeschaltet habe. Umfragen deuten darauf hin, daß die
Demokraten im November deutliche Verluste hinnehmen müssen und daß sie
sogar ihre Mehrheit im Abgeordnetenhaus verlieren könnten. Jedenfalls
wird der nächste Kongreß höchstwahrscheinlich noch prozionistischer
zusammengesetzt sein als der jetzige und die Außenpolitik der Regierung,
insbesondere auch mit Blick auf die Kampagne gegen den Iran, noch
stärker als bisher in diesem Sinn beeinflussen.
* Aus: junge Welt, 27. Juli 2010
Lesen Sie auch:
Obamas Wende
Israel ist wieder ein Aktivposten in der Nahost-Strategie der Vereinigten Staaten. Von Aluf Benn, Haaretz
Zurück zur Israel-Seite
Zur USA-Seite
Zurück zur Homepage