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Phantomgefechte

Netanjahus Wahlkampfauftakt

Von Knut Mellenthin *

Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu will die Kampagne für seine Wiederwahl dem Kampf gegen zwei Phantome widmen: der iranischen Atombombe und der »terroristischen Bedrohung«. Das kündigte der 63jährige am Dienstagabend bei seiner offiziellen Wahlkampferöffnung in Jerusalem an. Israel wählt am 22. Januar ein neues Parlament. Der Amtsinhaber gilt als sicherer Sieger; es gibt keine Konkurrenten, die ihm gefährlich werden könnten.

Mit dem iranischen Dummenschreck hatte Netanjahu schon vor vier Jahren seinen Wahlkampf bestritten. Bereits seit zwanzig Jahren behauptet er unaufhörlich, daß dies die Gefahr Nummer 1 für Israel sei und daß Iran nur noch wenige Monate von der Bombe entfernt sei. Es war daher keine Überraschung, daß er auch jetzt wieder in Jerusalem verkündete: »Wir müßen vor allem das iranische Nuklearprogramm stoppen, die Zeit dafür läuft aus; das wird meine erste Mission als Regierungschef sein.«

Was er zu diesem Zweck konkret tun will, ließ er taktisch klug im Nebel: Im Wahlkampf sollte man klare Aussagen, auf die man später »festgenagelt« werden könnte, tunlichst vermeiden. In den vergangenen Monaten war Netanjahu mit seinem Versuch, Washington zu einem Kriegsversprechen mit Datum zu erpressen, gescheitert. Er hält aber immer noch daran fest, daß eine Entscheidung bis spätestens zum Sommer 2013 fallen müsse, da es sonst »zu spät« sei. Vermutlich orientieren sich die Kriegstreiber auf den 14. Juni 2013, wenn im Iran ein neuer Präsident zu wählen ist. Massenproteste der Opposition gegen angebliche Wahlfälschung, wie vor vier Jahren, könnten dann den Auftakt für westliche Militäraktionen bilden.

Ein weiterer zentraler Punkt in Netanjahus Wahlkampagne soll offenbar die beschleunigte Be- und Zersiedlung der besetzten Palästinensergebiete werden. »Wir haben viel getan, um die Siedlungen zu stärken. In den nächsten vier Jahren werden wir ebenfalls viel dafür tun«, versprach der Premierminister am Dienstag seinen Anhängern. Nur am Rande wiederholte er sein Pflichtbekenntnis zu Verhandlungen mit den Palästinensern – allerdings nur mit jenen unter ihnen, die »einen echten und allseitigen Frieden« wollen. Und die gibt es bekanntlich nicht mehr, nachdem die israelische Regierung sogar dem moderaten, zu fast jedem Kompromiß bereiten Präsidenten Mahmud Abbas öffentlich ihr Mißtrauen ausgesprochen hat.

Jüngste Meinungsumfragen prognostizieren, daß das von Netanjahu und dem wegen Betrugsverdacht zurückgetretenen Außenminister Avigdor Lieberman geführte Wahlbündnis Likud-Beiteinu zwischen 35 und 39 Mandate gewinnen wird – mindestens drei weniger, als vor vier Jahren auf die beiden Parteien entfielen. Nutznießer ist die noch weiter rechts stehende Partei Habajit Hajehudi, die mit 15 bis 20 Abgeordneten rechnen kann. Da die Knesset 120 Sitze hat, würde Netanjahu mindestens 22 zusätzliche Stimmen brauchen, um die nächste Regierung zu bilden.

* Aus: junge Welt, Donnerstag, 27. Dezember 2012


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