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Wahlen zur Knesset

Keine Hoffnung auf Änderung der palästinenser- und libanonfeindlichen Politik Israels. Prognosen erwarten knappen Sieg der Rechten

Von Karin Leukefeld, Beirut *

Insgesamt 34 Parteien und Listen treten bei den heutigen Parlamentswahlen in Israel an. Gewählt wird die 19. Knesset, das israelische Parlament; zu vergeben sind 120 Sitze. Vermutlich die Hälfte der Parteien dürfte an der Zwei-Prozent-Hürde scheitern. Im vorherigen Parlament waren 17 Fraktionen vertreten.

Die prominentesten Parteien sind der dem regierenden Rechtsbündnis zugehörige Likud-Block von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und Beitenu Israel, dem der im Dezember als Außenminister wegen Korruptionsvorwürfen zurückgetretene Avigdor Lieberman vorsteht. Beide Parteien zusammen könnten nach Schätzungen 35 Sitze erhalten, das wäre ein Minus von fünf Mandaten. Die rechtsliberale Partei Kadima von Expremier Ehud Olmert war bisher mit 28 Sitzen vertreten, könnte dieses Mal aber den Einzug ins Parlament verpassen. Die bisherige Kadima-Chefin und frühere Außenministerin Zipi Livni tritt mit einer neuen Liste »Hatnua« an. Die sozialdemokratische Arbeitspartei könnte unter ihrer neuen Vorsitzenden, der Journalistin Shelly Jachimowoch, Schätzungen zufolge bis zu 20 Sitze bekommen. Die ultrarechte Partei »Das Jüdische Haus« des Multimillionärs Naftali Bennet, hat vor allem Unterstützung bei der Siedlerbewegung. Die »Schas«-Partei vertritt die strengreligiösen orientalischen Juden. Die »Zukunftspartei« ist eine neue, säkulare Partei des ehemaligen Fernsehmoderators Jair Lapid (49), die das Regierungs- und Bildungssystem Israels reformieren will. Weiterhin treten die »Linkspartei«, die beiden arabischen Parteien »Balad« und »Taal« sowie die jüdisch-arabische sozialistische Partei »Chadasch« zu den Wahlen an.

Letzte Meinungsumfragen wiesen am Samstag auf eine schmale Mehrheit für die rechten und religiösen Parteien hin, die demnach mit 63 Mandaten knapp als Sieger aus den Wahlen hervorgehen könnten. Die »Gegner Israels«, vor allem die libanesische Hisbollah, die palästinensische Hamas und der Iran wollten »ein schwaches und zerstrittenes Israel«, so Netanjahu. »Das am meisten angegriffene Land der Welt darf sich nicht spalten«, forderte er im israelischen Fernsehsender Kanal 2.

Israelische und palästinensische Friedensaktivisten, die in Israel leben, nutzen die Wahl, um ihre Kritik am Wahlsystem zu äußern, das Palästinenser, die in Israel leben, das Wahlrecht verweigert. Mit ihrer Kampagne für »Wirkliche Demokratie« werben die Friedensaktivisten dafür, daß Israelis ihre Stimme an Palästinenser abtreten, die nicht stimmberechtigt sind. Shahaf Weisbein, eine israelische Aktivistin, hat ihre Stimme einem Palästinenser überlassen, um für die arabisch-israelische Partei »Balad« zu stimmen. Damit solle die Abgeordnete Hanin Zoabi unterstützt werden, die wegen ihrer politischen Haltung in der Knesset großen Anfindungen ausgesetzt ist. Weisbein begründete ihre Teilnahme an der Kampagne damit, daß Israel »keine Demokratie, sondern ein Apartheidregime« sei.

Einer Umfrage der Universität Haifa zufolge werden viele der israelischen Araber die Wahl boykottieren. 82 Prozent der 455 Personen, die einen Fragebogen der Fakultät für politische Wissenschaften beantworteten, hätten wenig oder kein Vertrauen in die israelische Regierung, 67 Prozent hätten auch keines in die arabischen politischen Parteien. Auf die Frage, welche Themen sie am meisten bewegten, gaben 47 Prozent der Befragten Arbeitslosigkeit und Probleme des Wohnens, der Gesundheit und Ausbildung an. 26 Prozent bezeichneten die Ungleichheit für Araber in einem jüdischen Staat als Gefahr für die Demokratie.

Auch Muhammed Ishtayaeh, ein Berater des Vorsitzenden der Palästinensischen Autonomiebehörde, Mahmud Abbas, warnte am Freitag davor, daß Israel ein Apartheidsystem bekomme, sollte der amtierende Ministerpräsident Netanjahu wieder gewählt werden. Der anhaltende Siedlungsbau in den besetzten palästinensischen Gebieten mache die Zwei-Staaten-Lösung unmöglich, sagte der Berater unter Verweis auf vorherige Äußerungen von Mahmud Abbas. Unter den Palästinensern werde der Ruf nach einer Ein-Staaten-Lösung immer lauter.

In der libanesischen Hauptstadt Beirut hat man derweil keine großen Erwartungen an den Ausgang der Wahlen. »Wer immer gewinnt, wird die gleiche feindselige Politik gegen die Palästinenser und gegen den Libanon fortsetzen«, sagte ein politischer Beobachter im Gespräch mit der Autorin in Beirut.

* Aus: junge Welt, Dienstag, 22. Januar 2013


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