Israel verschärft Wasserkrieg
Tel Aviv verhindert Reinigung palästinensischer Abwässer und droht mit dem Zudrehen der Hähne
Von Karin Leukefeld, Damaskus *
Mit der Drohung, den Palästinensern das Wasser abzustellen, ist der
Streit um das knappe kostbare Gut zwischen Israel und den besetzten
palästinensischen Gebieten erneut entflammt. Im israelischen
Armeerundfunk hatte der Minister für Infrastruktur, Uzi Landau am
vergangenen Donnerstag (8. April) die Palästinenser gewarnt, er werde
die Wasserzufuhr für Industrie und Landwirtschaft einstellen, sollten
sie nicht aufhören, ihre Abwässer ungereinigt zu entsorgen. Die
Palästinenser verunreinigten Flüsse und die unterirdischen
Wasserreservoirs (Aquiferen) der Westbank, die für die Wasserversorgung
der Region unerläßlich seien, so der Minister. »Wenn die Palästinenser
nicht ihre Kläranlagen in Gang setzen, werden wir ihnen nur noch
Trinkwasser geben«, sagte er. Nach Angaben der israelischen
Wasserbehörde würden 73 Prozent des Abwassers von der Westbank, in der
zwei Millionen Palästinenser leben, nicht gereinigt. Man gebe den
Palästinensern sauberes Wasser und bekomme Abwasser zurück, sagte ein
Mitarbeiter des israelischen Außenministeriums. Unerwähnt ließ der
Beamte allerdings, daß Israel rund 90 Prozent des Jordanwassers direkt
unterhalb des Tiberias See (See Genezareth) abzweigt und in das eigene
Wassernetz einspeist. Das Gebiet gehörte ursprünglich zu Palästina.
Der Leiter der Palästinensischen Wasserbehörde, Shadad Al-Attili, wies
gegenüber der Nachrichtenagentur AFP den Vorwurf Israels zurück. Sie
seien es, die den Bau palästinensischer Kläranlagen behinderten, sagte
er. Seit 1997 versuche die Autonomiebehörde, eigene Kläranlagen zu
bauen, »aber die Israelis verweigern uns die Genehmigung, in den
Gebieten B und C zu bauen.« Die israelische Besatzungsbehörde hat die
seit 1967 besetzten palästinensischen Gebiete der Westbank in Sektoren
unterschiedlicher strategischer Bedeutung eingeteilt, in denen die
palästinensische Autonomiebehörde nicht aktiv werden darf. Offenbar
versuchen die Besatzungsbehörden, Druck auf die Palästinenser auszuüben,
ihr Abwassersystem an israelische Kläranlagen anzuschließen, die auch
die Abwässer der illegalen Siedlungen klärt. Die Palästinenser beharren
auf einem eigenen Abwassersystem, denn ein Anschluß an die Kläranlagen
der Besatzer würde einer Anerkennung der illegalen Besatzung gleichkommen.
Im belagerten Gazastreifen mußte derweil das einzige Elektrizitätswerk
wegen Mangels an Treibstoff den Betrieb einstellen. Die Anlage benötigt
nach Auskunft der Hilfsorganisation OXFAM wöchentlich 3,5 Millionen
Liter Treibstoff, erhielt in der letzten Woche aber nur 550 000 Liter.
Über das israelische Osterfest (Passah) wurde gar nicht geliefert. Die
israelischen Besatzungsbehörden bestimmen nicht nur die Menge des
Treibstoffs, sie kontrollieren auch den Zufluß. Während die
palästinensische Elektrizitätsbehörde die israelische Blockade dafür
verantwortlich machte, hieß es auf seiten Israels, die Palästinenser
hätten ihre Rechnung nicht bezahlt. Bis Ende 2009 hatte die Europäische
Union die Gelder für den Treibstoff bezahlt, diese Hilfe aber im
November vergangenen Jahres an die Autonomiebehörde übertragen. Nach
israelischen Angaben sei der Streit unter den Palästinensern schuld, daß
kein Treibstoff geliefert würde: »Wenn sie kaufen, werden wir liefern«,
sagte ein israelischer Verbindungsoffizier. Nach Auskunft des UN-Büros
für die Koordination humanitärer Hilfe hatte die Anlage seit Anfang März
nur etwa 40 Prozent ihrer Kapazität an Strom produziert, was zu
Stromausfällen bis zu zwölf Stunden täglich geführt habe. Darunter
hätten vor allem die Wasserversorgung, Kläranlagen und Krankenhäuser im
Gazastreifen gelitten.
* Aus: junge Welt, 12. April 2010
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