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Israels Hardliner im Aufwind

Proteste gegen neues "Nationalitätsgesetz". Zionistische Siedler greifen im Westjordanland Palästinenser an. Überschwemmungen im Gazastreifen

Von Karin Leukefeld, Damaskus *

Das neue Gesetz, wonach Israel ein »jüdischer Staat« sein soll, wird von Palästinensern mit israelischer Staatsbürgerschaft als Gefahr für ihre Rechte gesehen. Bei einer Umfrage der Nachrichtenagentur Maan News sagten 64,5 Prozent der Befragten, das neue Gesetz legalisiere die Diskriminierung der palästinensischen Minderheit und ermuntere dazu. 15,8 Prozent waren der Meinung, dass es ohnehin schon Diskriminierung gegen die Palästinenser in Israel gäbe. 19,7 Prozent schätzten, Benjamin Netanjahu habe das Gesetz unterschrieben, »um die Hardliner zu besänftigen«.

Bei einer Sondersitzung der Arabischen Liga in Kairo am vergangenen Wochenende erklärte Mahmud Abbas, Präsident der palästinensischen Autonomiebehörde, die Palästinenser würden »den Staat Israel niemals als jüdisch anerkennen«. Er warf Israel vor, einen »Staat nur für Juden« errichten zu wollen. Die Palästinenser seien zu neuen Friedensverhandlungen bereit, »wenn Israel einem vollständigen Stopp des Siedlungsbaus« zustimme, die lang beschlossene Freilassung von Gefangenen umsetze und »feste Grenzen« benenne.

Hunderte Israelis protestierten am Wochenende vor dem Haus des israelischen Ministerpräsidenten Netanjahu gegen das neue »Nationalitätsgesetz«. Mit der Demonstration, zu der die Bewegung »Frieden jetzt« aufgerufen hatte, sollte »dem demokratischen Lager eine laute Stimme verliehen werden«, hieß es auf seiten der Veranstalter. Das neue Gesetz zementiere »Nationalismus, Rassismus und Aggression« und werde »unser Land ruinieren«. Demonstranten zeigten Plakate mit der Aufschrift »Wir werden nicht zulassen, dass Ihr unser Land ruiniert« oder »Das Gesetz bedeutet Demokratie nur für Juden«.

Während des Protestes setzten Befürworter des neuen Gesetzes die arabisch-jüdische Schule »Hand in Hand« in Jerusalem in Brand und schmierten rassistische, antipalästinensische Parolen wie »Tod den Arabern« oder »Keine Koexistenz mit dem Krebsgeschwür« auf die Wände. Der israelische Bildungsminister Schai Piron verurteilte den Anschlag als »verachtenswert« und nannte ihn einen »Angriff auf die jüdisch-arabischen Beziehungen«.

In den von Israel besetzten palästinensischen Gebieten im Westjordanland nehmen die Spannungen zu. Eine 22jährige Palästinenserin, die am Montag in der Nähe der illegalen Siedlung Gush Etzion angeblich einen Siedler mit einem Messer verletzt haben soll, wurde von israelischen Soldaten erschossen. Augenzeugen berichteten, die Soldaten hätten das Feuer auf die junge Frau aus nur 20 Metern Entfernung eröffnet. Israelische Spezialkräfte hätten später das Haus der Familie der jungen Frau gestürmt und verwüstet.

Am Tag zuvor war ein 26jähriger Palästinenser von einer Gruppe Siedler angegriffen und verletzt worden, als er an einer Bushaltestelle einen Fahrschein kaufen wollte. Der israelische Minister für öffentliche Sicherheit, Jitzchak Aharonovitsch, hatte kürzlich angekündigt, die Gesetze für Israelis zu lockern, die »aus Gründen der Selbstverteidigung Waffen tragen«.

Mehr als 600.000 israelische Kolonisten leben derzeit in Siedlungen in den 1967 von Israel besetzten Gebieten. Diese sind völkerrechtswidrig errichtet worden und gelten als illegal.

Heftige Regenfälle haben derweil den schwer verwüsteten Gazastreifen in ein Katastrophengebiet verwandelt. Die UN-Organisation zur Unterstützung der palästinensischen Flüchtlinge (UNWRA) erklärte, dass 63 Schulen und andere öffentliche Einrichtungen geschlossen werden mussten, nachdem weite Teile des Küstenstreifens überflutet worden waren.

Hunderte Bewohner des Stadtviertels Radwan in Gaza-Stadt mussten evakuiert werden, es fehlt an Benzin für Pumpen und Strom sowie sauberem Wasser. Die humanitäre Situation, die durch den vergangenen Krieg und die anhaltende Weigerung Israels, Baumaterial zum Wiederaufbau in den Küstenstreifen zu lassen, habe sich durch die Regenfälle erheblich verschlechtert, hieß es in einer UNRWA-Erklärung. Mehr als 100.000 Palästinenser sind seit dem Krieg im vergangenen Sommer obdachlos. Mehr als 2.200 Palästinenser und 70 Israelis waren zwischen 8. Juli und 26. August 2014 getötet worden.

* Aus: junge Welt, Dienstag, 2. Dezember 2014


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