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Tel Aviv übt "Vergeltung"

Israel bombardiert Südlibanon. Syrische Truppen nehmen Jabrud ein. Saudi-Arabien rüstet libanesische Armee auf

Von Karin Leukefeld *

Die israelische Armee hat am späten Freitag nachmittag mindestens neun Raketen auf den Südlibanon abgeschossen. Nach Angaben der libanesischen Nachrichtenagentur ANI schlugen sechs Raketen unweit der Dörfer Kfar Schuba und Helta im Südosten des Landes ein. Der Fernsehsender Al-Manar, der der Hisbollah nahesteht, berichtete, das ein Feld in Brand geraten, aber keine Menschen verletzt worden seien. In dem Ort Awidah kam eine fünfköpfige Familie mit dem Schrecken davon, als zwei Raketen in ihr Haus trafen, das sie gerade verlassen hatten. Eine Rakete schlug im Wohnzimmer, die zweite im Schlafzimmer der Kinder ein. Awidah liegt 20 Kilometer entfernt von Kfar Kila, unweit der von Israel besetzten Scheeba-Farmen. Spanische Soldaten der UNIFIL-Truppen, die seit 2006 im Südlibanon einen israelisch-libanesischen Waffenstillstand überwachen sollen, untersuchten den Schaden und dokumentierten die Raketenteile. Soldaten der libanesischen Armee sammelten die Teile für weitere Untersuchungen ein.

In einer Stellungnahme bestätigte die israelische Armee die Attacke. Man habe eine »terroristische Infrastruktur der Hisbollah« bombardiert und »getroffen«, hieß es in der am Freitag abend veröffentlichten Erklärung. Der Angriff sei eine Vergeltung für einen Sprengsatz, der zuvor neben einem israelischen Patrouillenfahrzeug explodiert war und drei Soldaten verletzt haben soll. Inzwischen hat die im Irak und Syrien agierende Gruppe »Islamischer Staat im Irak und in der Levante« (ISIL) die Verantwortung für den Angriff auf eine »Einheit der zionistischen Armee« übernommen.

Der Zwischenfall weist auf die großen Spannungen hin, die der Krieg in Syrien in den benachbarten Staaten auslöst. Besonders betroffen ist der Libanon, weil hier die politischen Machtblöcke gegensätzliche Positionen einnehmen. Die von Saad Hariri geführte Zukunftspartei unterstützt – im Einverständnis mit den »Freunden Syriens« – die bewaffneten Gruppen in Syrien, die Hisbollah kämpft an der Seite der syrischen Streitkräfte.

Mit der Einnahme der Stadt Jabrud am Sonntag haben die syrischen Streitkräfte die bewaffneten Gruppen weiter in die Qalamunberge abgedrängt, die im libanesisch-syrischen Grenzgebiet liegen. In Jabroud hatten die Kämpfer ihre letzte Nachschublinie aus dem Libanon verteidigt, die syrische Armee und Hisbollah wollen den Nachschub von Waffen, Munition, Kämpfern und Geld aus der libanesischen Hafenstadt Tripoli über den Grenzort Arsal nach Syrien stoppen. Der harte Kampf in den Qalamunbergen wirkt sich auch in Tripoli aus, wo sich Anhänger und Gegner der syrischen Führung seit Monaten tödliche Kämpfe liefern. Allein am vergangenen Freitag und Samstag wurden elf Personen getötet, darunter ein Soldat der libanesischen Armee. Er starb bei einem Angriff mit Mörsergranaten auf einen Kontrollpunkt der Armee.

Saudi-Arabien, das die bewaffneten Gruppen in Syrien finanziert, hatte sich kürzlich irritiert darüber gezeigt, daß die libanesische Armee das Eingreifen der Hisbollah in Syrien nicht verhindert hatte. Die Beiruter Tageszeitung As Safir berichtete, daß König Abdullah bin Abdulaziz im November 2013 den libanesischen Präsidenten Michel Sleiman nach den Gründen dafür gefragt habe. Auf die Antwort hin, daß es der libanesischen Armee an militärischer Ausrüstung und Aufklärungstechnologie mangele, habe König Abdullah »in königlicher Pose« angewiesen, »schnell alles zu tun, damit die libanesische Armee mit allem Nötigen ausgerüstet« werde. Der ausgehandelte Deal umfaßt drei Milliarden US-Dollar aus der königlichen Schatztruhe für den Kauf neuer Waffensysteme für die libanesische Armee. Gekauft werden soll in Frankreich, als Dank für französische Unterstützung der Saudis in Syrien und bei UN-Verhandlungen mit dem Iran über dessen Atomprogramm. Eine französische Militärquelle bekräftigte gegenüber As Safir, daß Frankreich die libanesische Armee nur mit Verteidigungswaffen ausrüsten werde. Der »bestehende ›Status quo‹ an der libanesisch-israelischen Grenze« dürfe nicht verändert werden. Im Klartext heißt das, daß die libanesische Armee keine modernen Waffen- oder Aufklärungssysteme erhalten wird, die Israel als Bedrohung ansehen könnte.

* Aus: junge Welt, Montag, 17. März 2014


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