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Kampf um Susija

Israel will Dorf in Palästina für Siedlung zerstören. Bewohner wehren sich gegen Abriss

Von Karin Leukefeld *

Die Gewalt der israelischen Besatzungstruppen gegen die palästinensische Bevölkerung hat erneut zugenommen. Im Gazastreifen wurde ein Fischer angeschossen. Drei Palästinenser wurden innerhalb weniger Tage bei Razzien getötet. Bei einer der Beerdigungen kam es erneut zu Auseinandersetzungen, wobei acht Personen verletzt wurden. Die palästinensische Autonomiebehörde verurteilte die Eskalation der Gewalt und warf Israel vor, mit der Gewalt davon ablenken zu wollen, nicht zu einem Friedensprozess mit den Palästinensern bereit zu sein.

Die israelische Zivilverwaltung plant derweil den Bau von weiteren 1.065 Wohneinheiten in Ostjerusalem und im Westjordanland. Das geht aus einer Erklärung der israelischen Organisation Peace Now (Frieden jetzt) hervor. Die Wohneinheiten sollen schrittweise in acht bereits bestehenden illegalen Siedlungen auf palästinensischem Boden gebaut werden. Die israelische Zivilverwaltung gilt als Regierung in den besetzten palästinensischen Gebieten.

In den vergangenen 20 Jahren hat Israel völkerrechtswidrig den Siedlungsbau im Palästina erheblich vorangetrieben. Ein Blick auf die Landkarte zeigt, dass die verbliebenen palästinensischen »Inseln« nur schwerlich zu einem eigenen palästinensischen Staat zusammengefügt werden können. Während die rund 500.000 Siedler in den von Israel besetzten Gebieten mit Strom, Wasser, Straßen und Wohnungen versorgt werden, bleiben die palästinensischen Dörfer von der Versorgung weitgehend abgeschnitten.

In einem Bericht des Europäischen Rates für Außenbeziehungen wird nun gefordert, dass die EU wegen der völkerrechtswidrigen Siedlungspolitik ihre Beziehungen zu israelischen Banken und anderen Geldinstituten einschränken soll. Die EU verletze ihre eigenen Gesetze, wenn sie Geschäftsbeziehungen mit oder in den illegalen Siedlungen fortsetze, heißt es in dem Bericht, der am Freitag bekannt wurde.

Der israelischen Strategie, Fakten zu schaffen und internationale Vereinbarungen und Regeln zu ignorieren, ist auch die geplante Zerstörung des palästinensischen Dorfes Susija südlich von Hebron zuzurechnen. Es liegt in der sogenannten C-Zone im palästinensischen Westjordanland und ist bereits von illegalen zionistischen Siedlungen und Militärposten umgeben.

55 Familien, rund 340 Menschen, leben seit Generationen in Susija. Das Land, auf dem sie leben und das sie bewirtschaften, gehört ihnen. Das Dorf wurde bereits 2001 und nochmals 2011 zerstört, doch die Bewohner kehrten jedesmal zurück. Die israelische Besatzungsverwaltung und das israelische Verteidigungsministerium betrachten Susija als illegal, weil etwa die Hälfte des Ortes in der C-Zone liegt.

Die israelische Besatzungsmacht beansprucht die volle Kontrolle über diese Gebiete, Baumaßnahmen eingeschlossen. Rund 60 Prozent des Westjordanlandes sind als C-Zonen markiert, was im Oslo-Abkommen von 1996 als vorübergehende Maßnahme bewilligt worden war. Nach UN-Angaben stehen heute weniger als ein Prozent dieses Gebietes den Palästinensern als Bauland zur Verfügung. Wegen einer alten Synagoge war das Dorf Susija 1986 von der israelischen Besatzungsbehörde zu einer archäologischen Anlage erklärt worden. Der palästinensischen Bevölkerung wurde befohlen, das Dorf zu verlassen. Die Menschen kehrten aber zurück.

Nun liegen erneut Abrissanordnungen gegen 170 Gebäude vor, die sich in der C-Zone befinden. Betroffen sind Wohnzelte, Tierställe, Wasserzisternen und Latrinen sowie zwei Gesundheitszentren, eine Schule und ein Kindergarten, die mit Spenden von internationalen Unterstützern errichtet wurden.

Sowohl die EU als auch das US-Außenministerium haben die israelischen Pläne kritisiert. Die Zerstörung von Susija wäre »schädlich und eine Provokation«, sagte US-Außenamtssprecher John Kirby am Donnerstag. Die palästinensische Bevölkerung von Susija hat erneut ihren Widerstand gegen jeden Räumungsversuch angekündigt. »Selbst wenn sie uns gewaltsam vertreiben, werden wir am nächsten Tag wieder dasein«, sagte Dschihad Al-Nawajaa, der Bürgermeister des Orts.

* Aus: junge Welt, Samstag, 25. Juli 2015


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