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Berlusconi vor schwerem Gewitter

Ratingagentur senkt Bonitätsnote Italiens / Griechenland kämpft um Kreditauszahlung

Von Kurt Stenger *

Auch wenn sich in den letzten Tagen in der Euro-Schuldenkrise wieder mal alles um Griechenland drehte: Mit Italien gibt es ein weit größeres Sorgenkind.

Während die griechische Regierung die drohende Zahlungsunfähigkeit zu vermeiden versucht, verschärft sich ein weiteres Problem der Euro-Schuldenkrise: Die Ratingagentur Standard & Poor's (S&P) hat die Bonitätsnote Italiens um eine Stufe von »A+« auf »A« gesenkt. »Die Herabstufung spiegelt unserer Meinung nach die schlechter werdenden Wachstumsaussichten für Italiens Wirtschaft wider«, teilte die US-Finanzfirma am Montagabend in London zur Begründung mit. Der Ausblick für die weitere Bewertung bleibe negativ.

Die Note »A« bedeutet im S&P-Sprech, dass für Investoren die Anlage in italienische Staatsanleihen sicher ist, »falls keine unvorhersehbaren Ereignisse die Gesamtwirtschaft beeinträchtigen«. Und diese Einschränkung sieht die Ratingagentur als gar nicht so unwahrscheinlich an. Da sind zum einen die sich verschlechternden Wachstumsaussichten für das Bruttoinlandsprodukt (BIP) Italiens. Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat gerade seine Prognose für 2012 von 0,7 auf 0,5 Prozent gesenkt. S&P rechnet im schlimmsten Fall sogar mit einer leichten Rezession. Ein schwächeres Wachstum oder gar eine Schrumpfung der Wirtschaft bedeutet für den Staat niedrigere Steuereinnahmen und höhere Sozialausgaben – die Verschuldungssituation Italiens würde sich dadurch also verschlechtern. Hinzu kommt, dass die Ratingagentur Zweifel hegt, ob das beschlossene Sparprogramm wirklich umgesetzt wird. Die Regierungsparteien in Rom sind ziemlich zerstritten, zudem gibt es großen Widerstand gegen die unsoziale Stoßrichtung der Maßnahmen. Die linke Opposition fordert seit Langem den Rücktritt von Ministerpräsident Silvio Berlusconi, damit Italien wieder Glaubwürdigkeit zurückgewinne.

Die Rechtsregierung in Rom kritisierte am Dienstag, die Einschätzung der Ratingagentur sei von Medienberichten »diktiert« worden. Die Bewertung fuße nicht auf den Tatsachen, sondern sei »von politischen Erwägungen fehlgeleitet«. Die Regierung habe immer das Vertrauen des Parlaments gehabt und damit Stärke bewiesen. Die EU-Kommission unterstrich die Sparbemühungen Roms. »Italien handelt, um die gesamtstaatliche Verschuldung zu senken«, sagte der Sprecher von EU-Währungskommissar Olli Rehn in Brüssel. Italien werde seine mit den EU-Partnern vereinbarten Sparziele erreichen. Der Sprecher kommentierte nicht im Detail die Herabstufung, verwies jedoch auf EU-Empfehlungen an Italien, mehr für das Wirtschaftswachstum zu tun.

Mit der Note »A« hat Italien zwar noch immer ein gutes Rating – ganz anders als Griechenland. Die leichte Herabstufung bringt dennoch ein Problem mit sich: Üblicherweise erhöhen sich mit einem solchen Schritt die von den Investoren verlangten Kreditzinsen, was die Staatsschuldenkrise noch verschärft. Die hohen Zinsen sind auch das eigentliche Problem der Euro-Krisenländer. Italien musste schon zuletzt für fünfjährige Staatsanleihen einen Zinssatz per annum von 5,6 Prozent bieten.

Auch Spanien bekommt derzeit nur gegen hohe Zinsen Geld. Das Finanzministerium in Madrid gab am Dienstag Anleihen im Umfang von 4,5 Milliarden Euro mit kürzeren Laufzeiten von 12 und 18 Monaten aus. Dafür muss man Zinsen von 3,6 bzw. 3,9 Prozent zahlen.

Griechenland indes kann sich längst nur noch teilweise über den Kapitalmarkt refinanzieren und hängt am Kredittropf von EU und IWF, die bekanntlich im vergangenen Jahr das erste Paket von 110 Milliarden Euro geschnürt hatten. Derzeit ringt die Regierung in Athen um die Auszahlung der nächsten Tranche – ohne die fälligen acht Milliarden Euro wäre Griechenland wohl schon im Oktober zahlungsunfähig. Über die Auszahlung entscheidet die Troika von EU, Europäischer Zentralbank und IWF, deren Vertreter allerdings Anfang September – offenbar unzufrieden wegen verfehlter Ziele bei der Haushaltssanierung – vorzeitig abgereist waren. Finanzminister Evangelos Venizelos kündigte am Montag weitere harte Einschnitte an und versuchte am Abend, die Troika per Telefonkonferenz zur Rückkehr zu bewegen. Die Gespräche seien »substanziell und produktiv« gewesen, teilte die griechische Regierung hinterher mit, ohne Einzelheiten zu nennen. Gestern Abend sollte erneut zum Hörer gegriffen werden.

* Aus: Neues Deutschland, 21. September 2011


Konkurrenzkampf

Herabstufung der Bonität Italiens

Von Rainer Rupp **


In der Nacht von Montag auf Dienstag hat eine neue Hiobsbotschaft die Finanzmärkte erschüttert. Die US-Ratingagentur Standard & Poor’s hat die Bonität Italiens weiter herabgestuft, von »A+« auf »A«. Auch der weitere Ausblick sei negativ. Italien ist die drittgrößte Volkswirtschaft der Euro-Zone und wird von einem Schuldenberg von 1900 Milliarden Euro (120 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts) regelrecht erdrückt. Daher wird seine Herabstufung dem bereits angeschlagenen Euro schwer zu schaffen machen, während der Dollar und das britische Pfund von dieser Entwicklung schon jetzt profitieren. Als wären die USA und Großbritannien in der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise die einzig sicheren Häfen der Stabilität. Diese Phantasievorstellung wird in der Tat von den angelsächsischen Medien, die das Gros der globalen Finanzmarktinformationen produzieren, kräftig bedient.

Trotz aller Bekenntnisse zur Sparpolitik brauchen die EU-Länder und die USA in diesem und den nächsten Jahren weiterhin Billionen Euro und Dollar, um ihre Defizite zu finanzieren, und das zu möglichst niedrigen Zinsen. Zugleich sind die Ersparnisse der traditionellen Exportüberschußländer kleiner geworden. Sie reichen längst nicht mehr aus, um alle Defizite zu decken. Der ungehemmte Einsatz der Druckmaschinen in den EU- und US-Zentralbanken EZB und Fed hat weltweit zu verstärktem Mißtrauen gegenüber der Bonität beider Währungen geführt, weshalb vermehrt in alternative Anlagen investiert wird. Daher stehen die schuldensüchtigen USA, Großbritannien und die Euro-Zone in direkter und verschärfter Konkurrenz, um den schwindenden Pool an globalen Ersparnissen zu möglichst niedrigen Zinsen anzuzapfen. Das scheint den USA am besten zu gelingen, wenn der Euro madig gemacht wird. »Das Streben der Anleger nach Sicherheit treibt die Nachfrage nach US-Staatsanleihen«, schrieb z. B. die Financial Times am Dienstag. Die Renditen von Zweijahrespapieren seien dabei auf ein Rekordtief von 0,1431 Prozent gefallen, während die Rendite für italienische Papiere auf 5,73 Prozent stieg.

Italiens Ministerpräsident Berlusconi wirft Standard & Poor’s »politische Erwägungen« als Grund für die Herabstufung vor und schimpft auf die Medien. Auch wenn seine Bunga-Bunga-Fixierung ihm das Hirn vernebelt haben mag, in diesem Fall hat er nicht ganz Unrecht. Denn die Argumente, mit denen Standard & Poor’s die Herabstufung rechtfertigt, gelten sämtlich auch für die USA – wie z. B. die von der Ratingagentur für Italien prognostizierten »schwachen Wachstumsaussichten«. In Rom wird die Sanierung der Staatsfinanzen durch politische Handlungsunfähigkeit der Regierung zwar gefährdet, aber das ist in Washington noch viel deutlicher der Fall. Auf diesem Auge scheinen jedoch alle US-Ratingagenturen blind zu sein, wenn nur der Dollar gestärkt werden kann – auf Kosten des Euro.

** Aus: junge Welt, 21. September 2011


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