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Rom kopiert das Pariser Vorgehen

Innenminister will schnellere Abschiebungen

Von Anna Maldini, Rom *

Die Roma-feindliche Politik des französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy macht Schule. Und in Europa hat sie sogar jemanden gefunden, dem diese Abschiebepolitik der Franzosen noch nicht weit genug geht. Der italienische Innenminister Roberto Maroni will Roma und Sinti einfach ausweisen und dafür auch die EU gewinnen.

Roberto Maroni von der Lega Nord ist klar: Am kommenden 6. September wird er bei einem Treffen der Innenminister der EU erneut den Vorschlag machen, dass man auch »Bürger der Gemeinschaft« ausweisen sollte, wenn sie nicht den Anforderungen des Gaststaates entsprechen, kein angemessenes Einkommen und keine akzeptable Unterkunft nachweisen können oder dem »Sozialstaat zur Last fallen«. Dass er dabei in erster Linie auf die Roma und Sinti abzielt, ist offensichtlich. Obwohl Maroni das Vorgehen der Franzosen mit ihrer sogenannten freiwilligen Ausreise und dem kleinen finanziellen Anreiz schon nicht schlecht findet, möchte er noch sehr viel weiter gehen und gleich eine regelrechte Ausweisung »wie für illegale Einwanderer« vornehmen. Nur leider gebe es da ein Problem: 80 Prozent der Roma und Sinti, die in Italien leben, sind auch Staatsbürger dieses Landes und die »haben das Recht zu bleiben«. »Da kann man nichts machen«, fügte Maroni in einem Interview bedauernd hinzu.

Der Vorstoß des Innenministers hat in einem sommerlich schläfrigen politischen Italien für nur geringe Aufregung gesorgt. Allein die migrationspolitischen Sprecher von der kommunistischen Partei »Rifondazione Comunista«, Stefano Galieni und Giovanni Russo Spena, erklärten ihr Entsetzen und sprachen von »staatlich verordnetem Rassismus« und der »Suche nach einem Sündenbock für das eigene Versagen bei der Bekämpfung der Wirtschafts- und Sozialkrise«. Harte Kritik äußerte auch die italienische Bischofskonferenz, die von »Diskriminierung« und dem »Scheitern einer jeglichen Migrationspolitik« spricht. Ähnliches erklärte Senator Roberto di Giovanpaolo von der Demokratischen Partei, der darauf verwies, dass die EU und der Europarat Italien schon mehrmals wegen dieser populistischen Politik verurteilt haben.

Besonders verletzt und natürlich auch wütend äußerte sich Alexian Santino Spinelli, Musiker, Universitätsprofessor und Roma. »Jetzt fehlen nur noch die Verbrennungsöfen«, erklärte er in einem Interview. »Das hier ist kultureller Völkermord!«. Am stärksten sei er jedoch von dem Schweigen, verletzt, das auf den Vorstoß von Maroni gefolgt sei.

Tatsächlich hatte es in Italien 2008 sehr viel stärkere Proteste gegeben, als die Regierung von Silvio Berlusconi beschlossen hatte, allen in Italien lebenden Roma und Sinti – Kinder eingeschlossen – Fingerabdrücke abzunehmen, um sie dann besser identifizieren zu können. Damals waren zahlreiche Bürger und Intellektuelle vor das Innenministerium in Rom gezogen und hatten verlangt, dass man ihre Fingerabdrücke ebenfalls registriert. Obwohl die Verordnung nie zurück genommen wurde, wurde sie doch nicht wirklich umgesetzt. Nicht zuletzt, weil sich viele Polizisten und Sozialarbeiter geweigert hatten, an solch einer Operation teilzunehmen.

* Aus: Neues Deutschland, 24. August 2010


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