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Überraschungserfolg für Kommunisten

Japan: Kommunalwahlen in Tokio machen Hoffnung für die Oberhauswahlen

Von Josef Oberländer *

Die Kommunalwahlen in Tokio haben unerwartete Sieger hervorgebracht. Wenige Wochen vor den Oberhauswahlen konnten Japans Kommunisten die Zahl ihrer Sitze im Stadtparlament der Hauptstadt mehr als verdoppeln und haben nun das Recht, eigene Vorschläge zur Abstimmung zu stellen. Damit zog die KPJ an den Demokraten vorbei, die zu Beginn der Atomkatastrophe von Fukushima das Land regierten. Die rechtsextreme »Nippon Ishin no Kai« von Ex-Gouverneur Shintaro Ishihara verlor deutlich an Einfluß. Die Abstimmung wurde als Indikator für die Mitte Juli anstehenden Oberhauswahlen gewertet – für gewöhnlich ein Schaulaufen von Filmsternchen, Sportlern und anderen B-Prominenten, die von den großen Parteien als Stimmenfänger aufgestellt werden.

Daß die regierenden Liberaldemokraten mit ihrem buddhistischen Koalitionspartner Komeito die Mehrheit verteidigen konnten, wurde in den Medien zum Vertrauensbeweis für Premierminister Shinzo Abe erklärt. Der macht vor allem mit seiner Wirtschaftspolitik Schlagzeilen, den sogenannten Abenomics. Was den Wählern als große politische Erneuerung verkauft wird, ist allerdings wieder einmal nur eine Mogelpackung. Wie immer lassen sich die Konjunkturprogramme der Zentralregierung in Kubikmeter Beton ausdrücken. In Tokio sieht Abenomics so aus: Für phantasielose Projekte der eigenen Klientel wie einen neuen Autobahnring, der 78000 Euro pro Meter kosten soll, ist genug Geld da. Für Kinder und Senioren nicht: Auf der Warteliste für Kindertagesstätten stehen 21000 Namen, für 43000 Menschen gibt es erst mal keinen Platz im Altersheim. Geht es um öffentliche Sporteinrichtungen, kommt die Hauptstadt unter den 47 Regierungsbezirken Japans gerade einmal auf Platz 46.

Um landesweit noch mehr Geld für sinnlose Bauvorhaben mobilisieren zu können, wurde die Notenpresse kräftig angeworfen und darauf gehofft, daß Inflation die Verbraucher zum Konsum und die auf enormen Bargeldbeständen sitzenden Unternehmen zu Investitionen motiviert. Bislang spricht nichts dafür. Die weiterhin grassierende Deflation macht das Horten von Geld für die Konzerne Nippons zur besten Anlageform. Aber dem Staat wird das Geld für deren Subventionierung nicht ausgehen. Denn wenn alle Stricke reißen, erhöhen die Liberaldemokraten wieder die Mehrwertsteuer. Im Herbst will Abe entscheiden, ob sie ab April kommenden Jahres von derzeit fünf auf acht Prozent angehoben werden soll. Ist die Steuer niedrig, kommt das vor allem ärmeren Bevölkerungsschichten zugute, die einen Großteil ihres Einkommens für Güter des täglichen Bedarfs ausgeben – nicht nur in Japan. Wird sie angehoben, kann Geld von Haushalten abgeschöpft werden, die sonst keine oder nur wenig Steuern zahlen, etwa von Rentnern und Arbeitslosen.

Mit nunmehr 17 statt acht Sitzen im Stadtparlament von Tokio ist die KPJ zwar noch weit von ihrem 1997 erreichten Rekordergebnis von 26 Sitzen entfernt. Aber es gelang ihr, einen jahrelangen Abwärtstrend zu stoppen und sich als »die einzig wahre Oppositionspartei« zu profilieren. Umfragen der Tageszeitung Asahi Shinbun ergaben, daß rund ein Fünftel der zuvor noch unentschlossenen Wähler für die KPJ gestimmt hatten. Das läßt für die Oberhauswahlen im Juli hoffen, bei denen es um die Hälfte der Sitze in der zweiten Kammer geht. Daß Ishiharas Rechtspartei nur zwei ihrer drei Sitze im Stadtparlament von Tokio halten konnte, macht klar, wie wenig Japans Bevölkerung für nationalistische Töne übrig hat.

* Aus: junge Welt, Samstag, 29. Juni 2013


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