Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Japans Premier vor Rücktritt

Nach Massenprotesten gegen US-Militär droht Scheitern der Regierungskoalition in Tokio

Von Josef Oberländer *

Japans Premierminister Yukio Hatoyama steht mit dem Rücken zur Wand. Bis Ende Mai wollte er eine Lösung im Streit um den US-Militärstützpunkt Futenma auf Okinawa gefunden haben. Eine Verlegung der dort stationierten US-Marines, wenn schon nicht gleich auf die Pazifikinsel Guam, dann doch zumindest weg von der Inselgruppe, war 2009 ein Wahlversprechen des Mitbegründers der Demokratischen Partei gewesen. Doch daraus wurde nichts. Hinter den Kulissen machten die Vereinigten Staaten Druck. Nun sollen die Hubschrauber auf Okinawa bleiben, allerdings aus der dicht besiedelten Inselhauptstadt Ginowan heraus in die Nähe des Stützpunkts Camp Schwab verlegt werden. So war das eigentlich schon 2006 mit der konservativen Regierung unter Junichiro Koizumi vereinbart worden. Umweltschützer und Anwohner protestieren seitdem gegen die dafür geplante Aufschüttung einer künstlichen Insel als Landeplatz. Jetzt soll diese Insel auf Metallpfeilern errichtet werden, um den Meeresgrund zu schonen –als kleines Zugeständnis an die Inselbewohner.

Als Trumpfkarte wollte Hatoyama eine Verlegung von rund 1000 Marines nach Tokunoschima ins Spiel bringen. Die Insel liegt etwa 200 Kilometer nordöstlich von Okinawa. Doch gegen die Pläne des Premiers ging in Tokunoschima mehr als die Hälfte der Bevölkerung auf die Straße, zuletzt am Samstag. Auch die Bürgermeister der drei Inselgemeinden lehnten Hatoyamas Futenma-Idee am Freitag noch einmal rundheraus ab. »Tokunoschima wird diesen Vorschlag niemals akzeptieren«, sagte Akira Okubo, der Bürgermeister der Gemeinde Isen. Zuvor hatte man in Tokio noch gehofft, die Lokalpolitiker mit massiven Subventionen für die strukturschwache Region locken zu können.

Dem Gouverneur von Okinawa, Hirokazu Nakaima, versprach der Premier, die Belastung durch die Militärpräsenz zu verringern. Derzeit sind mehr als die Hälfte der 47000 US-Soldaten in Japan auf der Inselgruppe stationiert. Sie bilden neben den Einheiten auf Guam die Speerspitze des Pentagons im westlichen Pazifik zwischen China, Taiwan und Japan.

Nach der Ablehnung der Lokalpolitiker von Tokunoschima droht dem Premier nun das Scheitern seiner Regierung. Von seinen Beratern ist zu hören, daß man sich zwar vorgenommen habe, das Problem bis Ende Mai zu lösen, bis dahin müßten aber nicht alle Fragen geklärt sein. Einen eigentlich für den 15. Mai zum 28. Jahrestag der Rückgabe der Inseln an Japan geplanten Besuch in Okinawa hat Hatoyama bereits abgesagt. Sein Koalitionspartner, die Sozialdemokratische Partei (SPJ), denkt derweil laut über einen Ausstieg aus dem Regierungsbündnis nach. Hatoyamas Popularitätswerte sind bereits von 72 auf 20,7 Prozent gefallen.

* Aus: junge Welt, 10. Mai 2010


Zurück zur Japan-Seite

Zur Seite "Militärstützpunkte"

Zurück zur Homepage