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Bürger von Iwakuni sagen Nein zu USA-Stützpunkt

Eindeutiges Referendum in der japanischen Präfektur Yamuguchi

Von Sebastian Maslow*

Die Bürger von Iwakuni sagten am Sonntag bei einem Referendum Nein zur Erweiterung der in ihrer Stadt liegenden amerikanischen Militärbasis. Die japanischen Medien sprechen von einem Kampf Davids gegen Goliath.

Den Stein schleuderte in Richtung Tokio und Washington der Bürgermeister von Iwakuni, Katsusuke Ihara, bereits am 7. Februar. An diesem Tag rief er die Bürger der 107 000 Bürger zählenden Stadt in der Präfektur Yamuguchi, im Südwesten Japans, dazu auf, gegen die Pläne der USA und Japans abzustimmen. Lange blieb jedoch unklar, ob das Referendum eine Beteiligung von über 50 Prozent erreichen wird, um Gültigkeit zu erlangen. Nun wurden spät am Sonntagabend die Ergebnisse bekanntgegeben: Die Beteiligung lag bei 58,68 Prozent. 42 400 Bürger haben gegen den Stützpunktplan gestimmt, nur 5200 waren dafür.

Konkret abgestimmt wurde über die Verlagerung von 57 Flugzeugen vom Luftwaffenstützpunkt Atsugi in der Präfektur Kanagawa, südlich von Tokio auf den Stützpunkt in Iwakuni, auf dem bereits eine neue Start- und Landebahn für das neue Kriegsgerät aus dem Boden gestampft wird und bis 2008 fertig gestellt werden soll. Die Verlagerung der Einheiten ist Teil einer breit angelegten Umstrukturierung der amerikanischen Streitkräfte in Japan, die bereits im Oktober des letzten Jahres beschlossen wurde.

Auf einer Kundgebung im Stadtteil Higashi erklärte Ihara den Bürgern, warum er das Referendum ausgerufen hat. »Der Truppenverlagerungsplan ist eine wichtige Frage, die die Zukunft unserer Stadt erheblich beeinflussen wird«, betonte er. Und deshalb müsse die Entscheidung in die Hände der Bürger gelegt werden. »Zurück zu den Fundamenten der Demokratie!« forderte Ihara.

Einer Untersuchung aus dem Jahre 2003 zufolge, die in der »Asahi Shinbun«, Japans größter Tageszeitung, zitiert wurde, könne man täglich 72 Flugzeuge zählen, die über die Häuser des Stadtteils Higashi fliegen. Die durchschnittliche Lärmbelastung liege bei 87 db und würde an einigen Tagen gar die 100-db-Marke überschreiten, was etwa so laut wäre wie ein Schnellzug, der direkt an einem vorbeifahren würde. Und auch sonst ist die Lärmbelastung etwa genauso hoch wie an einer viel befahrenden Schnellstraße, die unmittelbar vor der Haustür verlaufen würde, erklärt die Untersuchung. Die US Marine Corps Iwakuni Airstation, so der offiziell lautende Name des Stützpunktes, nimmt etwa eine 600 Hektar umfassende Fläche ein und zählt zu den wichtigsten Basen den Amerikaner in Japan.

Bürgermeister Ihara kündigte bereits an, dass er sich im Falle eines positiven Ausgangs des Referendums für verstärkte Lärmschutzmaßnahmen einsetzen werde. Und sollte sich gar eine große Mehrheit gegen die Pläne aussprechen, so wolle er noch einmal an Tokio und Washington appellieren, die Pläne zu überdenken.

Tokio zeigte sich trotz der sich abzeichnenden hohen Beteiligung, entschlossen, an den gemeinsamen Plänen mit den USA festzuhalten. Dass zumindest deutete der Direktor der japanischen Behörde für Verteidigung, Fukushiro Nukaga am Freitag an.

Auf Widerstand stößt Ihara aber nicht nur in Tokio und Washington, auch in Iwakuni selbst formierten sich bereits im Vorfeld Bürgerinitiativen, die das Referendum zu Fall bringen wollten. So haben einige Stadtratsabgeordnete ihren Widerstand gegen die Zusicherungen von Wirtschaftsförderungsmaßnahmen in der Region eingetauscht. Gegner des Referendums weisen darauf hin, dass die Militärbasis seit 60 Jahren ein bedeutender Wirtschaftsfaktor für die Kommune sei. Als wichtiger Arbeitgeber sei sie eine wichtige Säule für Iwakuni Viele der Unternehmer würden daher die Stützpunktvorhaben unterstützen, auch wenn sie dies öffentlich nicht zugeben wollen. Und auch Ihara selbst dürfte das Referendum nicht ganz uneigennützig ausgerufen haben, stehen doch im April die Wahlen zum Bürgermeisteramt an. Das freilich sind Vorwürfe, die er vehement von sich weist.

Im Mittelpunkt stehen natürlich die Bürger selber, und die sind, politisches Kalkül hin oder her, der Meinung, dass Ihara einen bedeutenden Beitrag zum Widerstand gegen die Umstrukturierungspläne der US-Basen leistet. Landesweit wird er deshalb von Bürgerbewegungen und auch von der Kommunistischen Partei unterstützt, die die Kampagne um den Volksentscheid bereits seit Wochen in ihrer Tageszeitung »Akahata« verfolgte.

Ob Ihara den Stein kräftig genug geschleudert hat und das Ergebnis von Iwakuni wirklich etwas bewirken kann, wird sich im Laufe dieser Woche zeigen.

* Aus: Neues Deutschland, 14. März 2006


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