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Keine Kampfpause in Jemen

Dialogaufforderung Westerwelles in Sanaa offenbar ohne Wirkung

Von Karin Leukefeld *

Ein führendes Mitglied von Al Qaida soll am Dienstag im Jemen von jemenitischen Sicherheitskräften getötet worden sein. Erst am Montag hatte Jemens Präsident beim Besuch des deutschen Außenministers Westerwelle erklärt, die Konflikte im Land »auch« mit friedlichen Mitteln lösen zu wollen.

Der in der Hauptstadt Sanaa erscheinende »Yemen Observer« gibt den Namen des Toten mit Abdullah al-Mahdhar an, die Gefechte mit den Qaida-Kämpfern hätten sich in der Gebirgsregion Al Kur in der Ostprovinz Schabwah zugetragen. Nach Angaben des Provinzgouverneurs Ali Hassan el-Ahmadi sollen sich Dutzende Qaida-Kämpfer in dem Gebiet aufhalten, es handele sich dabei um Rückkehrer aus Afghanistan, so der Provinzgouverneur. Seit die westlichen Verbündeten des Landes, allen voran die USA, von Jemen ein härteres Vorgehen gegen Al Qaida verlangen, meldet die Regierung fast tägliche Razzien mit Toten als Beweis, dass Jemen vom Westen zwar militärische Unterstützung brauche, aber ansonsten selber in der Lage sei, gegen Al Qaida vorzugehen. Appelle wie die von Außenminister Guido Westerwelle, die internen Konflikte »ohne Militär und durch Dialog« zu lösen, verhallen offenbar ungehört.

Der einflussreiche Geistliche und Leiter der religiösen Iman-Universität Sanaa, Abdulmajid al-Zaidani, warnte die Regierung derweil vor einer zu engen Zusammenarbeit mit dem Ausland. Einen »Rückfall in den Kolonialismus« werde es nicht geben.

Sollte das Parlament zustimmen, dass ausländische Truppen Jemen besetzten, werde »das Volk sich noch am gleichen Tag erheben und (die Regierung) stürzen«, so Zaidani. Der Geistliche und seine Universität werden im Westen seit 2004 als »terroristisch« eingestuft. Die Regierung von Ali Abdullah Saleh ist nie gegen ihn vorgegangen, was auf einen enormen Einfluss Zaidanis schließen lässt.

Im Norden des Landes führt die jemenitische Armee, unterstützt von Saudi-Arabien, seit sechs Monaten Krieg gegen die Houthi-Bewegung. Im Grenzgebiet zu Saudi-Arabien sollen nach Angaben eines saudischen Armeesprechers als Vergeltung für den Tod von vier saudischen Soldaten »Hunderte Eindringlinge« getötet worden sein. Die Houthi beschreiben ihren Kampf als »Verteidigung der eigenen Würde« und haben mehrfach auf ihre Forderungen an die jemenitische Regierung hingewiesen, die in erster Linie sozialer, ökonomischer und kultureller Natur seien. Saudi Arabien forderten sie wiederholt auf, sich aus dem Konflikt herauszuhalten.

Unabhängige Berichte über das, was sich im Norden Jemens tatsächlich ereignet, gibt es nicht. Weder Journalisten noch Hilfsorganisationen ist der Zugang in das Gebiet gestattet, über das die Regierung den Ausnahmezustand verhängt hat. Andrej Mahecic, Sprecher des UN-Hochkommissars für Flüchtlinge, sagte am Dienstag in Genf, die Zahl der Kriegsflüchtlinge sei seit Beginn des Konflikts 2004 auf 200 000 gestiegen. Täglich würden Tausende Zivilisten zum Teil zu Fuß versuchen, in die benachbarten Provinzen zu fliehen.

* Aus: Neues Deutschland, 14. Januar 2010


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