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Obama richtet Blutbad an

Viele Tote und Verletzte bei US-Drohnenangriff auf Hochzeitsgesellschaft im Jemen. Rüstungskonzern EADS drängt auf EU-Budget für unbemannte Flugkörper

Von Knut Mellenthin *

Was eine fröhliche Feier werden sollte, endete auf Befehl von US-Präsident Barack Obama mit einem Blutbad. Am Donnerstag wurde im Jemen eine Hochzeitsgesellschaft durch Raketen US-amerikanischer Drohnen attackiert. Die Zahl der Toten wuchs schnell, von zunächst zwölf auf später 17. Über 20 Menschen wurden verletzt, von denen sich am Freitag noch mehrere in Lebensgefahr befanden. Aus Sicht des US-Geheimdienstes CIA hatten die Opfer – alles Angehörige eines örtlichen Stammes – sich dadurch »verdächtig« gemacht, daß sie mit ihren elf Fahrzeugen einen Konvoi gebildet hatten. Das soll bei Hochzeiten auch schon mal in Berlin, Hamburg oder Los Angeles vorkommen.

Jemenitische Funktionäre, die auf Anonymität Wert legten, sprachen von einem »tragischen Mißverständnis zu einem sehr kritischen Zeitpunkt«. Keiner der Getöteten sei ein »von der jemenitischen Regierung gesuchter Verdächtiger« gewesen. Aber anscheinend seien die beteiligten US-Stellen von der irrigen Annahme ausgegangen, daß es sich um eine Ansammlung von Al-Qaida-Leuten handele. Die für das Massaker Verantwortlichen in den USA verweigerten wie üblichen jeden Kommentar.

Das hatte Obama auch schon am 9. August getan, als er während einer Pressekonferenz im Weißen Haus nach der seit 2012 steil angestiegenen Zahl der Drohnenangriffe im Jemen und der ihrer Opfer gefragt wurde. Zu »operativen Vorgängen« nehme er grundsätzlich nicht Stellung, gab sich der US-Präsident demonstrativ arrogant und menschenverachtend. Aber schließlich könne jeder seine Rede vom 23. Mai nachlesen. Da hatte Obama behauptet, daß nur »Terroristen« angegriffen würden, die »eine fortwährende und unmittelbar drohende Gefahr für das amerikanische Volk darstellen«, und wenn mit nahezu absoluter Gewißheit gewährleistet sei, daß keine Zivilpersonen getötet oder verletzt werden. »Der allerhöchste Standard, den wir uns setzen können«, hatte sich der Präsident dafür selbst auf die Schulter geklopft.

Es bleibt perfide, Angehörige eines jemenitischen Stammes, die nur selten ihre Provinz verlassen, als eine »unmittelbar drohende Gefahr für das amerikanische Volk« zu bezeichnen. Aber die US-Regierung behauptet genau das weiter von den vielen Zivilisten, die ihrem Tötungsprogramm im Jemen zum Opfer fielen. 2012 wurde die Zahl der Drohnenangriffe gegenüber dem Vorjahr fast verdreifacht, 2013 nochmals erhöht. Erst am Montag waren drei Insassen eines Fahrzeugs getötet worden, zuvor drei Menschen am 19. und fünf am 7. November.

Medea Benjamin, eine Vertreterin der US-amerikanischen Friedensorganisation »Code Pink«, die sich gerade in Deutschland befindet, verurteilte am Freitag das neuerliche Massaker. An die deutsche Regierung richtete sie die Forderung, »sich klar und eindeutig gegen die rechtswidrige Praxis der US-Drohnenangriffe in Pakistan, Jemen, Somalia und anderswo auszusprechen, um damit dazu beizutragen, daß diese Praxis nicht internationales Gewohnheitsrecht wird«. Darüber hinaus verlangte sie, »klar und eindeutig zu erklären, daß die Bundesregierung dauerhaft auf die Anschaffung von bewaffneten Drohnen verzichtet«.

Im totalen Gegensatz dazu forderte der Chef des Rüstungskonzerns EADS, Thomas Enders, daß die EU sich bei ihrem Gipfeltreffen in der nächsten Woche auf ein Budget für die Anschaffung solcher Flugkörper einigen müsse, um auf diesem Gebiet nicht länger von den USA und Israel abhängig zu sein.

* Aus: junge Welt, Samstag, 14. Dezember 2013


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