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Machtkampf in Jemen spitzt sich zu

Houthi-Rebellen reklamieren Kontrolle über Nord-Provinz

Von Karin Leukefeld *

Im Jemen geht der Kampf um die Macht weiter. Zehntausende trotzen im Zentrum der Hauptstadt Sanaa weiter dem Ausnahmezustand und fordern den sofortigen Rücktritt von Präsident Ali Abdullah Saleh. Der erklärte am Donnerstag seine Bereitschaft zum Rücktritt, sobald sich ein »fähiger Nachfolger« gefunden habe.

Die schiitischen Houthi-Rebellen haben nach eigenen Angaben die nördliche Provinz Saada unter ihre Kontrolle gebracht. Im Südosten wurden Militärposten von Stammeskämpfern übernommen, die zuvor ihre Solidarität mit der oppositionellen »Jugendbewegung« erklärt hatten. Außenminister Abubakr al-Qirbi hat am Samstag nach Gesprächen zwischen der Opposition und der führenden Partei von Präsident Saleh, dem Allgemeinen Volkskongress, erklärt, der Staatschef werde zum Jahresende nach Neuwahlen und einer Verfassungsreform zurücktreten. Am Sonntag allerdings zitierte ihn die englischsprachige »Yemen Post« mit der Äußerung, er hoffe lediglich, dass Verhandlungen über eine mögliche Nachfolge erfolgreich sein würden.

Saleh verlangt offenbar für den Fall seines Rücktritts Straffreiheit für sich und seine Familie, von denen etliche Mitglieder politische Ämter innehaben. In einem Interview mit dem Nachrichtensender »Al Arabiya« sagte Saleh, er fordere (für sich) den Erhalt von »Würde und Prestige«. Seine oberste Sorge sei, »das Land in einen sicheren Hafen zu steuern«. Bei einer öffentlichen Ansprache hatte er zuvor erklärt, er werde »mit allen Mitteln« an der Macht bleiben.

Am Wochenende bekräftigte Saleh bei einem Treffen mit Stammesführern, er werde bis zum Ende seiner Amtszeit 2013 weiter regieren. Es müsse verhindert werden, »dass eine kleine Minderheit der Mehrheit des jemenitischen Volkes« ihren Willen aufzwingt. Der Allgemeine Volkskongress bezeichnete die Forderungen der Opposition als »inakzeptabel und unlogisch«. Parteisprecher Tarik al-Shami warf der Opposition vor, den Dialog zu verweigern. Man wolle den verfassungsgemäßen Prozess einhalten und 2013 Präsidentschaftswahlen durchführen.

In der Vorwoche hatten Dutzende hochrangige Politiker, darunter sechs Minister und verschiedene Botschafter, Journalisten und Militärs, Präsident Saleh die Gefolgschaft aufgekündigt. Damit protestierten sie gegen ein Massaker an der Oppositionsbewegung in Sanaa, bei dem 52 Menschen getötet und mehr als 600 verletzt worden waren. Saleh hatte daraufhin den Ausnahmezustand verhängt, das Parlament legitimierte inzwischen die Maßnahme.

Präsidentensprecher Ahmed al-Sufi bestätigte derweil, dass es ein Treffen zwischen dem Vizepräsidenten und hochrangigen Militärs sowie wichtigen Stammesführern gegeben habe, die sich zuvor öffentlich von Saleh distanziert hatten. Es sei vom US-Botschafter in Jemen vermittelt worden. Es hieß auch, dass Vertreter der USA und aus Europa mit Präsident Saleh und der Opposition verhandelten, um eine »geordnete Machtübergabe sicherzustellen«.

Die USA, Saudi-Arabien und europäische Staaten unterstützen Präsident Saleh seit Jahren finanziell, politisch und militärisch, weil in Jemen angeblich eine »Al Qaida der Arabischen Halbinsel« Anschläge gegen den Westen vorbereitet. Washington hat seine Bürger aufgefordert, das Land zu verlassen. London plant eine Evakuierung britischer Staatsangehöriger; Deutschland hat Botschaftsmitarbeiter zurückgezogen.

* Aus: Neues Deutschland, 28. März 2011


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