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Verbrannte Erde

Saudi-Arabien greift auf seiten Jemens in Kampf gegen Houthi-Milizen ein

Von Karin Leukefeld *

Nach anfänglichen Dementis hat die saudische Regierung am Wochenende zugegeben, daß eigene Truppen und die Luftwaffe in den Kampf der jemenitischen Armee gegen die Houthi-Milizen im Nordwesten Jemens eingegriffen haben. Milizen hätten Dörfer und Militärstellungen im saudischen Grenzgebiet in den Bergen von Jebel Al-Dukhan angegriffen und saudische Zivilisten getötet, so die offizielle Begründung. Die Gebirgsregion wird von der saudisch-jemenitischen Grenze geteilt. Die Nachrichtenagentur AFP berichtete aus dem Grenzgebiet von saudischer Seite, daß die Region seit Tagen von saudischen F-15 und Tornadokampfjets überflogen und bombardiert werde. Artillerie und Raketenwerfer seien in Stellung gebracht, Militärcamps aufgeschlagen, die Straße zur jemenitischen Grenze werde vom Militär kontrolliert. In Gegenrichtung seien Lastwagen unterwegs, die das Hab und Gut der Bevölkerung aus der Grenzregion abtransportierten.

Die Houthi-Milizen, die ihrerseits die Gefangennahme von saudischen Soldaten angaben, fordern ein sofortiges Ende der »ungerechtfertigten und empörenden saudische Aggression«, so Mohammad Abdulsalem, Sprecher der Houthis, in einem Telefoninterview mit dem arabischen Nachrichtensender Al-Dschasira. Seit drei Monaten werden die Houthis von der jemenitischen Armee in der Operation »Verbrannte Erde« angegriffen, Zehntausende Bewohner der unzugänglichen Gebirgsregion um die Provinzhauptstadt Saada sind in Lager internationaler Hilfsorganisationen und der Vereinten Nationen geflohen. In der vergangenen Woche hatten die Houthis Saudi-Arabien erstmals beschuldigt, die Jemen bei der Offensive zu unterstützen. Sollte das nicht aufhören, sehe man sich gezwungen »zurückzuschlagen«.

Die Militäroperation solle, »den Angriff der Eindringlinge neutralisieren«, sagte jetzt ein saudischer Militärsprecher. Lager der Houthis in der Umgebung der Provinzhauptstadt Saada seien bombardiert worden, die jemenitische Regierung habe man darüber informiert. Ein jemenitischer Regierungssprecher dementierte hingegen, daß die Saudis militärisch im Nordwesten interveniert hätten.

Die Situation im Kampfgebiet ist unübersichtlich, zumal von jemenitischer Seite Nachrichtensperre besteht und Journalisten der Zugang in die Region um Saada verweigert wird. »Wir werden sie kriegen, diese Verräter, diese Ungläubigen«, sagte der jemenitische Präsident Ali Abdullah Saleh bei einer Rede für die gefallenen Soldaten. Es werde »keine Versöhnung, keinen Waffenstillstand und kein Einlenken geben, bis wir das Ende dieser kleinen Gruppe von Abweichlern sehen«. Saleh beschuldigte den Iran, die Houthi-Milizen mit Waffen zu versorgen, was Teheran zurückweist. Der iranisch-arabische Nachrichtensender Al-Alam wurde derweil von zwei großen Satellitenanbietern abgeschaltet. Die jemenitische Regierung hatte dem Sender vorgeworfen, mit seiner Berichterstattung die Rebellen zu unterstützen.

Der Stamm der Houthis gehört der Religionsgemeinschaft der Zaiditen an, einer Minderheitenströmung des schiitischen Islam, die es nur im Jemen gibt. Bis 1962 herrschte in der Region das Imamat der Zaiditen, das über weitreichende religiöse und soziale Rechte in der Stammesgesellschaft verfügte. Sanaa behauptet, die Houthis wollten das Imamat wieder beleben, die allerdings fordern lediglich mehr religiöse und soziale Rechte sowie bessere Wirtschaftschancen in der verarmten Region. Das Emirat Katar vermittelte 2007 einen Waffenstillstand, der unter anderem vorsah, daß Jemen gefangene Houthis freilassen sollte. In den letzten Monaten allerdings wurden in Sanaa Dutzende gefangener Houthis zum Tode verurteilt.

* Aus: junge Welt, 10. November 2009


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