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Kein Frieden und keine Gespräche zu Jemen

Schwere Luftangriffe Saudi-Arabiens auf Aden und Sanaa / Amnesty fordert Schutz der Zivilbevölkerung

Von Oliver Eberhardt, Kairo *

Bei einem Luftangriff auf Stellungen der Huthi-Milizen in Jemen sind mindestens 40 Rebellen getötet worden. Die Friedensgespräche in Genf wurden auf unbestimmte Zeit verschoben.

Es ist keine stolze Mission. »Es ist mein Job«, sagt der Mittzwanziger, »Und wie in jedem Job gibt es Momente, in denen man ihn gerne macht, und Momente, in denen man am liebsten kündigen würde.« Für den jungen Piloten der ägyptischen Luftwaffe ist dies solch ein Moment: Am Donnerstagmorgen machte er sich samt Kampfflugzeug auf den Weg nach Saudi-Arabien, verabschiedet von seiner Familie, von Freunden, die ihre Abscheu für seine Mission nicht verbargen.

Ägypten führt Krieg in Jemen. Aber es ist nicht der Krieg der Ägypter. Es seien Muslime, die dort sterben, ganz gleich ob Sunniten oder Schiiten, wird immer wieder gesagt, und außerdem: Was habe Ägypten in Jemen zu schaffen? Die Regierung bemüht sich, die eigene Rolle im Krieg gegen die Huthi-Milizen, so gut es geht, von der Öffentlichkeit fernzuhalten.

Zugute kommt ihr wie auch den anderen beteiligten Regierungen dabei, dass sich die Situation vor Ort nur erahnen lässt. Am Donnerstag wurden bei Luftangriffen auf Huthi-Stellungen in Aden mindestens 40 Rebellen getötet. Darüber hinaus dürfte es eine Vielzahl von zivilen Opfern gegeben haben. Denn die Stellungen befanden sich in dicht bevölkerten Gebieten. Am Tag zuvor hatte die Militärallianz zudem den Hafen von Hudaidah komplett zerstört. Die Huthi-Milizen hätten über diesen Hafen ihre Waffenlieferungen erhalten, sagt das saudische Verteidigungsministerium. In dem Hafen hatte Mitte des Monats ein Frachter in Begleitung von zwei iranischen Kriegsschiffen anlegen sollen; für kurze Zeit sah es nach einer direkten Konfrontation zwischen dem saudischen und dem iranischen Militär aus.

In letzter Minute wurde das Schiff dann allerdings in Dschibuti auf der anderen Seite der Meerenge entladen; die Hilfsgüter an Bord sollten über die Vereinten Nationen verteilt werden. »Nun sieht es wohl so aus, als würden diese Lieferungen die Menschen nicht erreichen«, sagt ein UNO-Mitarbeiter vor Ort. Hudaidah war die einzige direkte Verbindung zwischen der am stärksten von dem Konflikt betroffenen Region rund um die Hauptstadt Sanaa und der Außenwelt. Und die Start- und Landebahnen des Flughafens sind ebenfalls stark beschädigt.

Mindestens 2000 Menschen sind seit Mitte März ums Leben gekommen. Viele der Getöteten seien möglicherweise allerdings nicht Luftangriffen, sondern Boden-Luft-Raketen der Rebellen zum Opfer gefallen, heißt es in einem Bericht von Amnesty International: Diese Raketen verfehlten häufig ihr Ziel und explodierten dann am Boden, oft inmitten dicht bevölkerter Gebiete. Beide Seiten unternähmen nicht genug, um die Zivilbevölkerung zu schützen.

Die Friedensgespräche, die eigentlich Ende der Woche in Genf hätten beginnen sollen, wurden auf unbestimmte Zeit verschoben. Zuvor hatte der im saudischen Exil lebende Präsident Abed Rabbo Mansur Hadi seine Teilnahme abgesagt; die Huthi-Milizen hätten die Forderung, sich aus den von ihnen besetzten Städten zurückzuziehen, nicht erfüllt. Die Mission des mauretanischen UNO-Sondergesandten Ismail Ould Sheikh Ahmed gilt deshalb als weitgehend gescheitert; er selbst sagt, er werde seine Bemühungen »verdoppeln«, dämpft aber die Erwartungen: »Die Situation ist sehr festgefahren.« Die UNO geht davon aus, dass mindestens eine halbe Million Menschen vor den Kämpfen geflohen sind.

Hadi habe nie vorgehabt, ernsthaft zu verhandeln, sagt Saleh al-Samad, Leiter des Huthi-Politkomitees, das zurzeit in der omanischen Hauptstadt Maskat mit Vertretern der dortigen Regierung tagt. Sie ist die einzige Regierung auf der Arabischen Halbinsel, die sich nicht an der Militärallianz gegen Jemen beteiligt. Dialog sei der einzige Weg, betont man immer wieder; man sei bereit, eine Vermittlerrolle einzunehmen, stehe auch in ständigem Kontakt mit Exilpräsident Hadi. Nur: »Beide Seiten müssen ihre Erwartungen zurückfahren«, sagt ein Sprecher von Sultan Qabus Ibn Said. Es sei unwahrscheinlich, dass sich die Huthi-Milizen zuerst zurückziehen und dann verhandeln.

* Aus: neues deutschland, Samstag, 30. Mai 2015


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