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Machtwechsel in Sanaa

Jemen: Schiitische Rebellen setzen Regierung ab. Saudi-Arabien und Golfkooperationsrat fordern Eingreifen der Vereinten Nationen

Von Knut Mellenthin *

Die in den Medien meist als »Huthis« bezeichneten schiitischen Rebellen haben am Freitag offiziell die Macht im Jemen übernommen. Zuvor hatten sie am 1. Februar den Politikern des Landes ein Ultimatum gestellt, das durch den kollektiven Rücktritt der Regierung am 22. Januar entstandene »Vakuum zu füllen«. Mit ihrem Rücktritt hatten Präsident Abed Rabbo Mansur Hadi und sein Kabinett dagegen protestiert, dass die Rebellen zentrale Regierungsgebäude in Sanaa besetzt und die Politiker unter Hausarrest gestellt hatten.

Real wird die jemenitische Hauptstadt allerdings schon seit September vorigen Jahres von den Rebellen beherrscht. Die überwiegend im Norden lebenden Schiiten bilden ungefähr 25 bis 30 Prozent der Bevölkerung. Sie gehören einem anderen Zweig dieser muslimischen Glaubensgemeinschaft an als die meisten Iraner, werden aber von Teheran ganz offen politisch und insgeheim vermutlich auch finanziell und militärisch unterstützt. Ihre raschen Erfolge im letzten halben Jahr verdanken sie darüber hinaus der Tatsache, dass sie mit Teilen der Streitkräfte und Kreisen um den 2012 zum Rücktritt gezwungenen Expräsidenten Ali Abdullah Saleh zusammenarbeiten.

Am Freitag erklärten die »Huthi«, die sich selbst »Ansarollah« (Helfer Gottes) nennen, die Regierung für abgesetzt und das Parlament für aufgelöst. In den nächsten zwei Jahren soll ein von den Rebellen eingesetzter, aus fünf Personen bestehender »Präsidentenrat« als Übergangsregierung fungieren. Anstelle des Parlaments will Ansarollah einen »Nationalrat« mit 551 Mitgliedern bilden lassen.

Wichtigstes Machtorgan wird vermutlich der neu gebildete Oberste Sicherheitsausschuss werden, dessen 17 Mitglieder von den Rebellen am Sonnabend bekanntgegeben wurden. Die Zusammensetzung dieses Gremiums ist ein deutliches Signal des Willens zur Zusammenarbeit an die bisherige politische Führung. So soll Verteidigungsminister Mahmud Salem Al-Subaihi den Vorsitz übernehmen. Weitere Regierungsmitglieder, die dem Ausschuss angehören sollen, sind Innenminister Dschalal Al-Rowaischan, der Chef des Geheimdienstes zur Terrorbekämpfung und der Leiter des Inlandsgeheimdienstes.

Unklar war zunächst, ob diese Personen ihre Ernennung wirklich annehmen wollen. Allerdings war die Anwesenheit von Subaihi und Rowaischan schon am Freitag bei der Veranstaltung aufgefallen, auf der Ansarollah die Maßnahmen zum Machtwechsel bekanntgab. Der Führer von Ansarollah, Abdel Malik Al-Huthi, betonte am Sonnabend in einer Fernsehansprache, alle Parteien könnten bei der Gestaltung von Jemens Zukunft eine Rolle spielen. »Wir reichen jeder politischen Kraft in diesem Land unsere Hand. Es gibt Raum für Partnerschaft, Zusammenarbeit und Brüderlichkeit. Jeder trägt jetzt Verantwortung für Aufbau, nicht Zerstörung.«

Damit wollten die Rebellen offenbar auch eine beruhigende Botschaft an den Hauptgeldgeber Saudi-Arabien, an die USA als wichtigsten strategischen Verbündeten und an den UN-Sicherheitsrat senden. Das nützte allerdings zunächst wenig. Die sechs Mitgliedstaaten des von Saudi-Arabien dominierten Golfkooperationsrats verurteilten die Veränderungen in Sanaa mit scharfen Worten als »Huthi-Putsch«. Der Machtwechsel im Jemen bedeute »eine Bedrohung für die Sicherheit und Stabilität der Region«, mit der sich die Vereinten Nationen befassen müssten.

Jamal Benomar, der Sonderbotschafter von UN-Generalseketär Ban Ki Moon, der sich in den letzten Monaten um die Vermittlung von Gesprächen zwischen den rivalisierenden Kräften bemüht hatte, sagte am Freitag, er sei »tief enttäuscht über die einseitigen Maßnahmen der Huthis«. Im UN-Sicherheitsrat droht, wie schon einmal im November 2014, eine mit Sanktionen verbundene Verurteilung der schiitischen Rebellen. Das US-Außenministerium erklärte, dass man Hadi weiterhin als legitimen Präsidenten betrachte und die Zusammenarbeit mit den jemenitischen »Antiterrorkräften« fortsetzen wolle.

* Aus: junge Welt, Montag, 9. Februar 2015


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