Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Mit Atomstrom das Tote Meer retten?

Jordanien setzt auf Uranbergbau und Kernkraftwerke für die Meerwasserentsalzung

Von Norbert Suchanek *

Während Länder wie Deutschland, die Schweiz und Belgien sich von der Atomkraft verabschieden, geht Jordanien den entgegengesetzten Weg. Um sowohl seine Energie- als auch Trinkwasserprobleme zu lösen, will das Königreich am Toten Meer nicht nur Atomreaktoren errichten, sondern auch im Land selbst Uran abbauen.

Jordanien ist nach Regierungsangaben zu 98 Prozent von Energieimporten abhängig. Dem will das Land mit Hilfe der Atomenergie abhelfen. 2030 sollen 30 Prozent des Strombedarfs aus AKW kommen. Der erste 1000-Megawatt-Reaktor soll bis 2019 bei Mafraq, 40 Kilometer nordöstlich der Hauptstadt Amman, entstehen.

Da die Region extrem wasserarm ist, soll der Reaktor mit dem Wasser aus der Kläranlage Khirbet Al Samra gekühlt werden, der Atomstrom wiederum soll überwiegend zur Meerwasserentsalzung dienen. Das Wasser soll über ein bereits seit Jahren diskutiertes Kanalprojekt aus dem Roten Meer kommen. Während der Löwenanteil des Salzwassers in das vom Austrocknen bedrohte Tote Meer fließt, würde ein Teil davon über Entsalzungsanlagen Trinkwasser für die Hauptstadtregion liefern. Für die Entsalzung von 800 Millionen Kubikmeter Wasser veranschlagt Jordaniens Energie- und Bergbauminister Khalid Toukan eine Leistung von schätzungsweise 900 Megawatt. Und Sharif Nasser, Direktor des Middle East Scientific Institute for Security, bescheinigt dem jordanischen Atomprogramm, dass es das Tote Meer retten könne.

Die Standorte für weitere drei geplante Atommeiler stehen noch nicht fest. Ebenso unklar ist, wer die AKW bauen soll. Zur Wahl stehen das kanadische Atomunternehmen AECL, die russische Atomstroyexport sowie das japanisch-französische Konsortium AREVA-Mitsubishi.

Frankreichs Atomkonzern AREVA ist bereits an der ersten Uranmine Jordaniens etwa 50 Kilometer südlich von Amman beteiligt. Bereits ab 2013 soll die Mine der Jordan French Uranium Mining Company mit 13 000 Tonnen bestätigten und bis zu 70 000 Tonnen geschätzten Uranerzvorkommen in Betrieb gehen. Und am Abbau der Uranlagerstätten im Norden bei Hamra-Hausha sowie im Süden bei Wadi Baheyya ist die China National Nuclear Corporation (CNNC) interessiert.

Das ehrgeizige Atomprogramm von König Abdullah II stößt allerdings nicht bei allen seinen 6,3 Millionen Untertanen auf Gegenliebe. So demonstrieren schon seit Monaten Umweltschützer gegen den geplanten Reaktorbau in Mafraq. Unter dem Namen »Irhamouna«, was übersetzt »Habt Gnade mit uns« bedeutet, gründete sich inzwischen auch eine Koalition von Aktivisten, Umweltschutzgruppen und Hilfsorganisationen gegen die Nutzung der Atomenergie in Jordanien.

Auch die in Amman ansässige Umweltorganisation Friends of the Earth Middle East (FoEME) ist gegen die Atomkraftwerke und den Uranbergbau in der gesamten Region. »Unser Ziel ist ein atomkraftfreier Mittlerer Osten«, so FoEME-Sprecher Munqeth Meh-yar.

* Aus: neues deutschland, 5. Dezember 2011

Lexikon: Rotes Meer

Das Rote Meer, ein Nebenmeer des Indischen Ozeans, liegt am Nord-ende des Ostafrikanischen Grabenbruchs, wo aufquellendes Magma das Auseinanderdriften der Afrikanischen und der Arabischen Platte bewirkt. Es ist deshalb mit maximal 360 Kilometern Breite relativ schmal und mit 2604 Metern vergleichsweise tief. Wegen des geringen Wasseraustauschs mit dem Indischen Ozean und des Fehlens ständiger Süßwasserzuflüsse hat das Rote Meer einen ungewöhnlich hohen Salzgehalt von 4,2 Promille. nd




Zurück zur Jordanien-Seite

Zur Kernkraft-Seite

Zurück zur Homepage