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Politikmüde in Phnom Penh

Jüngste kambodschanische Wahlen festigen Macht der Regierungspartei. Historisch niedrige Beteiligung

Von Thomas Berger *

Eine Woche ist es her, daß Kambodschas Bürger über ihre Kommunalvertreter auf kommunaler Ebene abstimmen durften. Inzwischen ist klar: Die regierende Volkspartei (CPP), schon zuvor dominierende Kraft, hat ihren Vorsprung weiter ausbauen können. Nur noch eine Handvoll der gut 1600 Gemeinden im Land steht nicht unter ihrer Vorherrschaft. Ein Grund für diesen überragenden Sieg ist die Politikverdrossenheit, die mittlerweile ein alarmierendes Level erreicht hat. Nur noch 54 Prozent aller Abstimmungsberechtigten machten von dem Grundrecht Gebrauch. Das ist allein gegenüber der vorigen Kommunalwahl 2007 ein Rückgang um zwölf Prozentpunkte. Vorbei sind die Zeiten, da zumindest bei nationalen Urnengängen neun von zehn Kambodschanern ihren politischen Willen bekundeten.

Daß viele Bürger heute so politikmüde sind, hat mehrere Ursachen. Die anhaltende Dominanz der CPP ist einer davon: So mancher Kambodschaner hat die Hoffnung aufgegeben, am Wahltag daran etwas ändern zu können – andere, die mit der gegenwärtigen Regierung zumindest nicht ganz unzufrieden sind, fragen sich allerdings auch, ob die scheinbar allmächtige Volkspartei ausgerechnet ihre Stimmen braucht. Dabei ist die Enthaltung durchaus öffentlich sichtbar. Schließlich tunkt, wie in vielen Ländern üblich, der Wähler im Wahllokal als Zeichen, daß er abgestimmt hat, seinen Zeigefinger in schwer abwaschbare dunkle Spezialtinte. Hat jemand keine schwarzblaue Fingerkuppe vorzuweisen, weiß also jeder ringsum, daß derjenige am Wahltag Abstinenz geübt hat.

Die eingeschlafene Begeisterung liegt allerdings auch am Mangel an Alternativen. Vorbei sind die Zeiten, da sich zuerst die royalistische Funcinpec, dann die konservativ-neoliberale Sam Rainsy Party (SRP) effektiv als Oppositionskräfte in Szene setzen konnten. 1591 der 1630 Kommunen bleiben, teils mit erweiterter Mehrheit, fest in der Hand der CPP. Das stärkt nicht zuletzt Premier Hun Sen, der seinem Land einen Modernisierungskurs verordnet hat. Die Hauptstadt Phnom Penh ist mancherorts eine einzige Baustelle, auf die Bewohner von Armenvierteln nimmt die einst sozialistische Regierungspartei aber wenig Rücksicht. Gerade koreanische und chinesische Investoren haben völlig freie Hand, und einzelne Abgeordnete verdienen an dubiosen »Entwicklungsprojekten« tüchtig mit. Kritiker haben es schwer – und leben gefährlich, wie erst im April die Ermordung des Umweltaktivisten Chut Wutty zeigte. Er hatte in vorderster Front undurchsichtige Landdeals und Korruption bis in höchste Stellen angeprangert. Ende Mai wurden zudem 13 Aktivistinnen, die gegen die Vertreibung ihrer Familien vom Boeung-Kak-See protestiert hatten, zu Haftstrafen verurteilt. Ihre Anwälte waren von dem Kurzprozeß ausgeschlossen.

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 13. Juni 2012


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