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Streit um Beobachter und Streumunition

Grenzkonflikt Thailand–Kambodscha um mittelalterlichen Hindu-Tempel Preah Vihear weiter ungelöst

Von Thomas Berger *

Zumindest eines ist zwischen den Parteien unstrittig: Jeweils 15 Vertreter Indonesiens sollen in nächster Zeit auf beiden Seiten des umstrittenen Grenzabschnitts die Waffenruhe zwischen Thailand und Kambodscha überwachen. Wie nahe sie dabei dem 4,6 Hektar großen Grundstück des mittelalterlichen Hindu-Tempels Preah Vihear, den sowohl Thailand als auch Kambodscha für sich beanspruchen, kommen dürfen, darüber gibt es allerdings noch unterschiedliche Ansichten. Insgesamt tritt der Konflikt zwischen den beiden südostasiatischen Nachbarn auf der Stelle: Auch beim jüngsten Treffen von Vertretern beider Seiten, diesmal ausnahmsweise in der indonesischen Stadt Bogor eine Stunde außerhalb der Hauptstadt Jakarta abgehalten, gab es keine Fortschritte.

Immer wieder war es in den letzten drei Jahren an dem überschaubaren Teilstück der Grenze zu Schußwechseln gekommen, nach dem letzten heftigen Vorfall hatten sich Kambodschaner und Thais schließlich auf eine Mittlerrolle Indonesiens geeinigt, das derzeit den Vorsitz im Regionalbündnis ASEAN führt.

Während Regierung und Armee in Phnom Penh zunächst keinerlei Anmerkungen zu den Vereinbarungen in Bogor hatten, hält sich in der thailändischen Hauptstadt die Diskussion, wie nah die Indonesier dem Tempelareal kommen dürfen. Außenminister Kasit Piromya sah sich gezwungen zurückzurudern, nachdem die Armeeführung ihre scharfe Opposition verkündet hatte, den Beobachtern unmittelbaren Zugang zu Preah Vihear zu gewähren. Nach einigem Hin und Her hat man sich nun offenbar auf die einheitliche Sprachregelung verständigt, daß die Indonesier bis an das Tempelgrundstück heran, aber keinen Fuß darauf setzen dürfen. Schon dies geht einigen hohen Thai-Militärs im Grunde zu weit, und strikt wurde auch darauf hingewiesen, daß die Beobachter in Zivil erscheinen müßten, auch wenn es sich augenscheinlich um Armeeangehörige handelt. Sie sollen von Thailands Außenamt mit dem nötigen diplomatischen Status versehen werden.

Dieser Streit um scheinbare Spitzfindigkeiten illustriert, wie groß der Zündstoff noch immer ist. Seit rund einem halben Jahrhundert dauert der Konflikt um Preah Vihear nun an. Obwohl der Tempel nominell zu Kambodscha gehört, ist ungeklärt, wo auf dem Außengelände die Grenze verläuft. Für nationalistische Kräfte in Bangkok ist der Tempel insgesamt unveräußerlicher Teil Thailands. Zwei dieser Radikalen sitzen gegenwärtig in Phnom Penh Gefängnisstrafen von acht bzw. zehn Jahren ab. Kambodschas Regierung zeigt sich bisher nicht bereit, das Ansinnen eines Gnadenerlasses durch den König prüfen lassen zu wollen. Selbst daß die Verurteilten sich an Thailands im Exil lebenden Expremier Thaksin Shinawatra gewandt haben, einen guten Freund von Kambodschas Regierungschef Hun Sen, kann wohl diesmal wenig bewirken.

Für die Thais wird es derzeit noch unangenehm, weil ihnen vorgeworfen wird, bei der jüngsten Eskalation an dem Grenzabschnitt im Februar auch sogenannte Streumunition eingesetzt zu haben. »Wir haben uns strikt an internationale Gesetze gehalten, die Streubomben verbieten«, sagte Verteidigungsminister Prawit Wongsuwon und stellte sich damit hinter entsprechende Beteuerungen der Armeeführung. Allerdings gehört Thailand schon nicht zu den 107 Ländern, die das entsprechende Abkommen unterzeichnet haben. Und über die Einstufung verwendeter Munition gibt es unterschiedliche Ansichten. Laut der Cluster Munition Coalition (CMC), einer internationalen Nichtregierungsorganisation, gehört DPICM (Dual Purpose Improved Conventional Munition) in die Kategorie dessen, was verboten ist. Thai-Militärs bestreiten das.

* Aus: junge Welt, 13. April 2011


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