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Weg zum Tribunal gegen Pol Pots Kumpane frei

Erste Anklageschriften "in wenigen Wochen"

Von Michael Lenz, Kuala Lumpur *

Der Weg für Prozesse gegen eine Handvoll führender Männer des Pol-Pot-Regimes, das Kambodscha zwischen 1975 und 1979 beherrschte, ist frei. Ein aus internationalen und kambodschanischen Juristen gebildetes Gericht verabschiedete am Mittwoch in Phnom Penh einstimmig die lange umstrittene Prozessordnung.

»Diese Regeln setzen uns in die Lage, faire und transparente Verfahren vor einem unabhängigen und unparteiischen Gericht abzuhalten«, betonten die Mitglieder des Tribunals in ihrer Erklärung. Der kanadische Staatsanwalt Robert Petit kündigte an, »in wenigen Wochen« sei mit ersten Anklagen zu rechnen. Ein Beginn der Gerichtsverfahren gegen Spitzenfunktionäre der sogenannten »Roten Khmer« sei jedoch nicht vor Anfang 2008 zu erwarten.

Höchstwahrscheinlich werden »Bruder Nr 2« Nuon Chea, der nominelle Staatschef des damaligen »Demokratischen Kampuchea«, Außenminister Ieng Sary sowie Kang Kek Leu (genannt »Duch«), der Leiter des Foltergefängnisses Tuol Sleng in Phnom Penh, auf die Anklagebank müssen. »Bruder Nr.1« Pol Pot war bereits 1998 verstorben.

Seit seiner feierlichen Vereidigung vor elf Monaten im Königspalast von Phnom Penh hatte das von den Vereinten Nationen unterstützte Tribunal um Verfahrensregeln gestritten. Hauptfinanzier des Budgets von 53 Millionen US-Dollar für das auf drei Jahre angelegte Gericht ist Japan. Tokio erhofft sich von den Verfahren eine Offenlegung der Unterstützung Chinas für das Pol-Pot-Regime.

Tribunalbeobachter in Phnom Penh wollen wissen, dass japanische Scheckbuchpolitik auch das Problem der Zulassungsgebühren für ausländische Verteidiger aus der Welt geschafft hat. Der Streit um die hohen Gebührenforderungen der Anwaltskammer Kambodschas hatte das Tribunal vor zwei Monaten an den Rand des Scheiterns gebracht.

Westliche Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch (HRW) werfen kambodschanischen Mitgliedern des Gerichtshofs vor, von der Regierung abhängig zu sein und einen beträchtlichen Teil ihrer UN-Gehälter abführen zu müssen. Dadurch stehe »die Fähigkeit der Vereinten Nationen auf dem Spiel, für Gerechtigkeit zu sorgen«, klagte HRW-Vertreter Brad Adams in der »Phnom Penh Post«. Das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) weigert sich, eine interne Untersuchung der Vorwürfe zu veröffentlichen. Tribunal-Sprecherin Helen Jarvis verteidigte dies mit dem Hinweis, es handle sich dabei nur um einen Entwurf.

Während der vierjährigen Herrschaft Pol Pots waren zwischen zwei und drei Millionen Kambodschaner (bei einer Bevölkerung von damals 7,3 Millionen) ermordet worden, an Erschöpfung oder Hunger gestorben. Die Schreckensherrschaft wurde im Januar 1979 durch den Einmarsch vietnamesischer Truppen beendet.

* Aus: Neues Deutschland, 14. Juni 2007


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