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Eiszeit im Kaschmir

Indien sagt Gespräch mit Pakistan ab

Von Hilmar König, Neu-Delhi *

Indiens Regierung hat ein Treffen zur Wiederaufnahme des Friedensdialogs mit Pakistan abgesagt. Die für die kommende Woche geplanten Gespräche der Staatssekretäre für auswärtige Beziehungen beider Länder in der pakistanischen Hauptstadt Islamabad waren lange anberaumt. Am Montag kam der Rückzieher aus Neu-Delhi daher unerwartet, wirklich überraschend ist der Schritt allerdings nicht. Indien nimmt dem Nachbarn übel, daß der pakistanische Botschafter in Neu-Delhi Vertreter der separatistischen kaschmirischen Hurriyat-Konferenz zu Gesprächen empfing. Die Beziehungen zwischen den beiden Atommächten sind damit erneut auf einen Tiefpunkt gesunken.

Am 26. Mai hatte Premier Narendra Modi alle Regierungschefs der Nachbarländer zu seiner Amtsvereidigung nach Neu-Delhi eingeladen. Mit besonderer Aufmerksamkeit war dabei die Teilnahme des pakistanischen Regierungschefs Nawaz Sharif registriert worden. Seit Jahrzehnten sind die Beziehungen zwischen Islamabad und Neu-Delhi angespannt, dreimal führten die beiden inzwischen atomar bewaffneten Staaten bereits gegeneinander Krieg. Die Einladung Sharifs und dessen Teilnahme an der Amtseinführung Modis war da ein bedeutendes Signal, den seit Jahren auf Eis liegenden Aussöhnungsdialog wieder aufzunehmen. In einem gesonderten Gespräch vereinbarten die beiden Regierungschefs, ihre Außenministerien mit den Vorbereitungen zu beauftragen. Am Montag kommender Woche sollten die Delegationen in Islamabad den Anfang machen, doch daraus wird nun nichts.

Das liegt auch an mehreren kleineren Gefechten an der Grenze in der zwischen beiden Ländern umstrittenen Region Kaschmir. Zudem schimpfte Modi in der vergangenen Woche bei einem Besuch im Bundesstaat Jammu und Kaschmir vor Militärs, Pakistan sei zu schwach, einen konventionellen Krieg gegen Indien zu führen. Deshalb bediene es sich terroristischer Gruppierungen. Das sei eine Art von »Terror-Stellvertreterkrieg«. Damit meinte Modi die umfassende Unterstützung Pakistans für Rebellen, die im indischen Teil Kaschmirs agieren.

Nach dem Empfang der Hurriyat-Separatisten beim pakistanischen Hochkommissar kam es dann am Montag zum diplomatischen Knall. Es gehört zum von Neu-Delhi stets argwöhnisch verfolgten Ritual Pakistans, vor offiziellen Gesprächen zwischen beiden Regierungen Hurriyat-Vertreter in die Botschaft einzuladen, um ihre Einschätzung der Lage im seit 1947 in einen pakistanischen und einen indischen Teil gespaltenen Kaschmir einzuholen. Diesmal reagierte Indien auf die Konsultationen harsch: »Entweder Gespräche mit uns oder mit der Hurriyat«, stellte die Staatssekretärin im Außenministerium, Sujatha Singh, klar. Gleich danach verkündete ihre Behörden die Absage des Treffens, weil davon keine greifbaren Ergebnisse zu erwarten seien. Pakistan unterminiere das »konstruktive, von Modi initiierte Engagement«. Die Gespräche mit der Hurriyat zeigten, daß Islamabads Versuche, sich in Indiens interne Angelegenheiten einzumischen, unvermindert andauern. Islamabad ließ dagegen verlauten, Indiens Entscheidung sei ein Rückschlag für die Bemühungen um gute Nachbarschaft.

Das ist zweifellos richtig. Schon wird spekuliert, ob das anvisierte Treffen zwischen Modi und Sharif während der UNO-Vollversammlung im September in New York noch eine Chance hat. Erst einmal herrscht wieder Eiszeit, wie es weitergehen soll, ist unklar. Die oppositionelle indische Kongreßpartei fragte jedenfalls bereits, ob die Regierung überhaupt einen konsistenten politischen Kurs gegenüber Pakistan habe.

* Aus: junge Welt, Mittwoch 20. August 2014


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