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Krieg als Planspiel

Katar will arabische Armeen in Syrien einmarschieren lassen

Von Karin Leukefeld, Beirut *

Der syrische Präsident Baschar Al-Assad hat eine Generalamnestie für alle seit dem Beginn der Protestwelle in Syrien begangenen Straftaten erlassen. Die Maßnahme beziehe sich auf Taten, die zwischen dem 15. März 2011 und dem 15. Januar 2012 verübt worden seien, berichtete die amtliche Nachrichtenagentur SANA am Sonntag (15. Jan.). Einzelheiten wurden nicht genannt. Assad hatte bereits früher Straffreiheit verkündet. Für desertierte Soldaten war vor einigen Wochen bereits eine dreimonatige Amnestiefrist eingeräumt worden.

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon hatte sich am Sonntag morgen am Rande einer Konferenz über »Demokratie in der arabischen Welt« in der libanesischen Hauptstadt Beirut zur Lage in Syrien geäußert. Der Weg der Unterdrückung führe in eine »Sackgasse«, sagte Ban Ki Moon. »Dem Präsidenten von Syrien, Assad, sage ich noch einmal: Beenden Sie die Gewalt. Hören Sie auf, Ihr Volk zu töten.« Der UN-Generalsekretär erwähnte demnach nicht die Gewalt, die von bewaffneten Aufständischen in Syrien ausgeht.

Der Emir von Katar, Scheich Hamad bin Khalifa Al-Thani, sagte derweil dem US-Sender CBS, man müsse darüber nachdenken, arabische Armeen nach Syrien zu schicken, damit »das Töten aufhört«. Der frühere Generalsekretär der Arabischen Liga und Aspirant auf das ägyptische Präsidentenamt, Amr Moussa, griff das Stichwort umgehend auf. Am Rande der arabischen Demokratiekonferenz in Beirut forderte Moussa die Liga auf, die Entsendung von Soldaten nach Syrien zu prüfen und darüber zu beraten.

Seit dem 26. Dezember befindet sich eine Beobachtermission der Arabischen Liga in Syrien. Die 163 Personen besuchen täglich Brennpunkte von Auseinandersetzungen, Gefängnisse, Krankenhäuser und treffen sich mit Syrern, um deren Beschwerden und Erfahrungen zu protokollieren. Ein vorläufiger Abschlußbericht soll am kommenden Wochenende in Kairo von der Arabischen Liga erörtert werden. Es habe »einige Fortschritte« gegeben, sagte deren Generalsekretär Nabil Al-Arabi. Gleichwohl seien täglich Tote in Syrien zu beklagen, »die Liga will, daß das aufhört.« Die arabischen Staaten sind sich uneinig, wie sie sich Damaskus gegenüber weiter verhalten sollen. Während eine Mehrheit ein stärkeres ziviles Engagement der Liga favorisiert und Bereitschaft erklärt hat, weitere Beobachter nach Syrien zu entsenden, setzen vor allem Katar und Saudi-Arabien auf Konfrontation. Da Rußland und China mit ihrem Veto jede Entscheidung im UN-Sicherheitsrat für eine internationale militärische Intervention in Syrien blockieren, setzen sie nun wohl auf eine militärische Operation arabischer Staaten wie in Bahrain.

Ein Sprecher der syrischen Muslimbruderschaft, die im oppositionellen Syrischen Nationalrat (SNR) vertreten ist, hatte kürzlich erklärt, ein militärisches Eingreifen des NATO-Mitglieds Türkei in Syrien sei einem internationalen Angriff vorzuziehen. Der türkische Außenminister Ahmet Davutoglu, der ebenfalls an der Demokratiekonferenz in Beirut am Wochenende teilnahm, hatte Libanon aufgefordert, im Norden des Landes ein Camp für desertierte syrische Soldaten einzurichten, wo man sie verpflegen und für den weiteren Kampf gegen die reguläre syrische Armee trainieren könnte. Libanesische Medien berichteten, das Ansinnen sei abgelehnt worden.

Der Medienberater des Syrischen Nationalrates, Osama Monajed, teilte derweil mit, der SNR und die aus der Türkei agierende »Freie Syrische Armee« (FSA) hätten sich auf ein koordiniertes Vorgehen geeinigt. Um eine ständige Kommunikation zu gewährleisten, werde beim SNR ein Verbindungsbüro zur FSA eingerichtet. Außerdem solle die Pressearbeit letzterer effizienter gestaltet werden. Ein extra Gremium soll zudem »die militärischen Operationen« der FSA überwachen und helfen, daß »Soldaten und Offiziere in großem Umfang aus der regulären syrischen Armee desertieren«.

* Aus: junge Welt, 16. Januar 2012


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