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Tonnenweise Kriegsgut

Katar erwirbt Waffen von den USA und läßt in Syrien den Konflikt eskalieren

Von Karin Leukefeld *

Das Golfemirat Katar kauft für elf Milliarden US-Dollar Waffen von den USA. Das bestätigte am Montag ein Pentagonsprecher vor Journalisten.

Der Kauf umfaßt demnach zehn Radarsysteme, 34 Abschußrampen für Patriot-Abwehrraketen, 24 Apache-Kampfhubschrauber und Antipanzerraketen von Typ Javelin. Mit den Waffen wolle man sich gegen die wachsende Gefahr aus dem Iran schützen, hieß es von seiten Katars. Verteidigungsminister Generalmajor Hamad Bin Ali-Al-Attiyah unterzeichnete den Vertrag am Montag in Washington. Zuvor hatte er Berichten zufolge mit seinem US-Amtskollegen Chuck Hagel Details des Waffengeschäfts besprochen. Zusätzlich zu dem bereits getätigten Kauf könnte Katar noch Kampfjets aus den USA erwerben. Das alles sei »ein gutes Zeichen«, sagte ein Beamter des US-Verteidigungsministeriums. Man wolle für Katar und andere Golfstaaten der »auserwählte Waffenlieferant« bleiben. Das abgeschlossene Waffengeschäft sei mit elf Milliarden US-Dollar das größte für die USA im laufenden Jahr 2014. Auch wenn man die Unterstützung für einige der bewaffneten Gruppen in Syrien nicht richtig finde, weil diese »zu radikal« seien, werde das Rüstungsgeschäft die gegenseitigen Beziehungen im Bereich von Sicherheit und Diplomatie weiter festigen.

Bei der Militarisierung des »Arabischen Frühlings« spielt Katar eine zentrale Rolle. Das Emirat war der einzige arabische Staat, der sich 2011 mit Kampfjets an der Mission zur Durchsetzung einer Flugverbotszone im Osten Libyens beteiligte. Anschließend lieferte Katar durch diese Zone auf dem Seeweg Waffen an die »Aufständischen«, die von katarischen Sondereinheiten ausgebildet wurden. Während des Krieges wurden tonnenweise Waffen aus militärischen Frachtflugzeugen Katars am Flughafen in Djerba, Tunesien, abgeladen. Libysche Politiker und Oppositionelle, die das Land verlassen hatten, wurden über eine Einsatzzentrale in der katarischen Hauptstadt Doha mit Geheimdienstinformationen und Geld unterstützt.

Nach ähnlichem Muster verfuhr das Emirat anschließend in Syrien. Damaskus hatte zunächst auf die Vermittlungs­angebote aus Doha positiv reagiert und der Entsendung einer Beobachtermission der Arabischen Liga zugestimmt. Gleichzeitig unterstützte Katar Kampfverbände der Opposition in ihrem Widerstand gegen die syrische Regierung. Politikern und Militärs, die sich aus dem Land absetzten, wurden hohe Summen geboten. Die Beobachtermission scheiterte im Januar 2012, auf Betreiben Katars wurde Syriens Mitgliedschaft in der Arabischen Liga ausgesetzt. Später sorgte das Emirat dafür, daß der Sitz von der oppositionellen Nationalen Koalition (Etilaf) eingenommen wurde.

Im März 2012 erklärte der damalige Ministerpräsident Katars, Scheich Hamad Bin Jassim Al-Thani, der Aufstand in Syrien sei zehn Monate lang friedlich gewesen. »Niemand hatte Waffen, niemand hat irgendwas getan. Und Bashar bringt sie weiter um.« Darum sei es nun an der Zeit, »alles zu unternehmen«, um der Opposition in Syrien zu helfen, »sich zu verteidigen«. Eine Journalistin der Irish Times begleitete wenige Wochen später libysche Kampfverbände durch die Türkei nach Syrien. Zuvor hatten diese sich mit Waffen eingedeckt, die per Schiff über das Mittelmeer in die Türkei gebracht worden waren. Der Schmuggel boomte. Nach Recherchen der New York Times schickte das Emirat Katar zwischen Januar 2012 und März 2013 85 Militärmaschinen mit Waffenlieferungen für die syrischen oppositionellen Kampfverbände in die Türkei. Saudi-Arabien lieferte zwischen Oktober 2012 und März 2013 lediglich 37 Militärmaschinen mit Waffen.

Die deutschen Rüstungsexporte in die Golfstaaten sind seit 2011 drastisch gestiegen. Katar gehörte zwischen 2011 und 2013 neben Saudi-Arabien zu den größten Einkäufern auf dem deutschen Rüstungsmarkt und erwarb hauptsächlich Kleinwaffen. Lagen die Verkaufswerte 2012 für Drittländer noch bei 37 Millionen Euro, stiegen sie 2013 auf 42,3 Millionen Euro an.

Die ungebremsten Waffenlieferungen aus den Golfstaaten und das Schweigen der NATO-Staaten dazu, haben den ursprünglich innenpolitischen Konflikt in Syrien inzwischen weit über die Grenzen hinausgetragen. Washington zog die Notbremse, und US-Außenminister John Kerry erwirkte im Frühjahr 2013 personelle Konsequenzen in Katar. Das neue Waffengeschäft mit den USA deutet nicht darauf hin, daß Katar in Zukunft wieder auf das diplomatische Parkett zurückkehren will.

* Aus: junge Welt, Mittwoch 16. Juli 2014


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