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Kaukasus: Russland und Georgien streiten um Süsossetien und Abchasien

Georgien verhängt "Moratorium über alle Äußerungen, die gegen Russland gerichtet sind"

Im Folgenden dokumentieren wir einen Artikel, der sich mit den Auseinandersetzungen zwischen Russland und Georgien über den Status von Südossetien und Abchasien befasst. Beide Regionen haben sich vor Jahren von Georgien losgesagt und streben einen Anschluss an Russland an. Die Auseinandersetzungen haben in den letzten Tagen und Wochen derart an Fahrt gewonnen, dass nun die georgische Parlamentspräsidentin die im Land grassierenden antirussischen Ausfälle zumindest zeitweilig einfrieren möchte. Es ist fraglich, ob das am 6. Juni verhängte "Moratorium" hilfreich sein kann.



Streit um Kaukasusrepubliken

Geplantes Treffen der Präsidenten Putin und Saakaschwili soll Konflikt um Süsossetien und Abchasien zwischen Rußland und Georgien beruhigen

Von Knut Mellenthin*


Nachdem sich die Beziehungen zwischen Rußland und der Kaukasusrepublik Georgien in den vergangenen Wochen erneut zugespitzt hatten, soll jetzt ein Gipfeltreffen die Lage beruhigen. Am 13. Juni wollen sich die Präsidenten Wladimir Putin und Michail Saakaschwili in St. Petersburg treffen.

Die Punkte, an denen sich immer wieder Konflikte entzünden, sind Südossetien und Abchasien, die sich in den 90er Jahren nach schweren Kämpfen von Georgien losgesagt haben. Beide Republiken, die ihren Anschluß an Rußland anstreben, werden von keiner Regierung der Welt anerkannt. Auch Rußland bekennt sich verbal immer noch zur »territorialen Integrität« Georgiens. In der Praxis sind allerdings schwer zu revidierende Fakten geschaffen worden, vor allem dadurch, daß mittlerweile mehr als 90 Prozent der Bewohner der beiden abtrünnigen Republiken die russische Staatsbürgerschaft erworben haben.

Präsident Putin hat zwar mit Blick auf Südossetien und Abchasien gerade noch einmal bekräftigt, daß Rußland keine Annektionsabsichten jenseits seiner derzeitigen Grenzen habe. Putin hat aber ebenso unmißverständlich mehrfach erklärt, daß sowohl die Entwicklung im Kosovo als auch das Unabhängigkeitsreferendum in Montenegro »universale« Konsequenzen haben würden. Was den einen gewährt werde, könne man schwerlich den beiden abtrünnigen Republiken verweigern. Die georgische Regierung hatte in den vergangenen zwei Wochen die Auswechselung der in Südossetien stationierten russischen Einheiten zum Streit hochgespielt. Aufgrund eines Abkommens aus der Mitte der 90er Jahre wird der Waffenstillstand in der Republik von einer Friedens­truppe überwacht, zu der Rußland, Georgien und Südossetien je 500 Mann beisteuern. Das Oberkommando führt ein russischer General, doch operieren die georgischen Einheiten in Südossetien in der Praxis schon lange völlig auf eigene Faust.

Anlaß des Streits war jetzt, daß Rußland die routinemäßige Truppenauswechslung genauso wie bisher immer, nämlich durch den Roki-Tunnel an der Grenze zwischen Rußland und Südossetien, vornahm. Die Regierung in Tbilissi verlangte jedoch, daß die Russen einen russisch-georgischen Grenzübergang überqueren und dann von Georgien aus nach Südossetien weiterfahren sollten.

Außerdem verlangte Tbilissi, daß die russischen Soldaten sich georgische Einreisevisen ausstellen lassen müßten. Dies, ebenso wie der Streit um den zu benutzenden Grenzübergang, soll der Untermauerung der georgischen Ansprüche auf Südossetien dienen.

Georgien strebt für Südossetien ebenso wie für Abchasien die Ersetzung der russischen Einheiten durch eine EU-geführte Friedenstruppe an, von der man sich eine stärkere Unterstützung der georgischen Position erhofft. Tbilissi sieht sich in dieser Absicht durch eine Stellungnahme des Vorsitzenden der OSZE, des belgischen Außenministers Karel De Gucht, ermutigt. Dieser hat am 1. Juni für die von Moldawien losgelöste Republik Transnistrien, wo eine ähnliche Konfliktsituation besteht, die Umwandlung der russischen Friedenstruppen in eine »internationale« Peacekeeping-Operation gefordert. Bisher ist aber weder auf seiten der EU noch der USA zu erkennen, daß sie ähnliche Ambitionen Georgiens für seine beiden abtrünnigen Republiken unterstützen würden.

* Aus: junge Welt, 6. Juni 2006

Georgische Parlamentspräsidentin will antirussische Ausfälle zeitweilig einfrieren

TIFLIS, 06. Juni (RIA Novosti). Die georgische Parlamentspräsidentin, Nino Burdschanadse, hat am Dienstag in einer Plenartagung die Mehrheit und die Opposition dazu aufgerufen, ein Moratorium über antirussische Stellungnahmen zu verhängen, meldete die Agentur Novosti-Grusija.

"Die Beziehungen zwischen Georgien und Russland befinden sich in einer tiefen Sackgasse. Wir hoffen, dass das bevorstehende Treffen der Präsidenten sich positiv auf die Beziehungen auswirken wird und die Lage entschärft", erklärte sie.

Im Zusammenhang mit der Hoffnung auf positive Ergebnisse rief Nino Burdschanadse dazu auf, "maximal diplomatisches Fingerspitzengefühl aufzubringen und ein Moratorium über alle Äußerungen zu verhängen, die gegen Russland gerichtet sind".

Sie stellte fest, dass das Parlament am Donnerstag den Bericht des Präsidentenberaters für Fragen der Konfliktregelung, Iraklij Alassanija, über den Friedensplan für Abchasien entgegennehmen wird. Doch unter Berücksichtigung der neuen Lage würden die Abgeordneten die Tätigkeit der Kollektiven Kräfte der GUS-Staaten zur Aufrechterhaltung des Friedens in der georgisch-abchasischen Konfliktzone nicht debattieren.

"Die Tätigkeit der Friedenstruppen werden wir nach Abschluss der Begegnung der Präsidenten beider Länder zu bewerten haben", sagte Nino Burdschanadse.




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