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Nachspielzeit für Frazer

Für die USA ist Kenia ein wichtiger Verbündeter im "Antiterrorkrieg"

Von Olaf Standke *

Jendayi Frazer hat gestern ihre Vermittlungsbemühungen in Kenia doch noch fortgesetzt, nachdem die USA-Botschaft in Nairobi zuvor schon mitgeteilt hatte, dass die Sondergesandte für Afrika das Land bereits ohne Ergebnis verlassen habe.

Jendayi Frazer ist bekannt dafür, dass sie im Fall der Fälle kein Blatt vor den Mund nimmt und durchaus eigenwillig undiplomatisch agieren kann. Das ist für eine Diplomatin vielleicht nicht der beste Ausweis, aber wenn man in Washington Unterstaatssekretärin und ein Zögling der Außenministerin ist, sind die Spielräume wohl größer. Condoleezza Rice betreute einst die Doktorarbeit Frazers an der Universität von Stanford über die Rolle des Militärs in der kenianischen Gesellschaft. Doch gestern wurde die USA-Sondergesandte für Nairobi von ihrer Dienstherrin zurückgepfiffen.

Seit dem 3. Januar hatte sich die für Afrika zuständige Abteilungsleiterin im State Department bemüht, zwischen Präsident Mwai Kibaki und Oppositionsführer Raila Odinga zu vermitteln, um eine gemeinsame Lösung zur Beilegung der politischen Krise in dem ostafrikanischen Land zu finden. Vergeblich, trotz Unterstützung durch Ghanas Präsident John Kufuor. Der hat Kenia bereits am Donnerstag verlassen. Frazer wollte in der Nacht zum Freitag folgen, sie sollte ja nur so lange in der Region bleiben, wie es ihr sinnvoll erschien. Aber dann kam überraschend die Verlängerung.

Auch das zeigt, welch wichtige Rolle Kenia in den strategischen Szenarien der Supermacht spielt. Washington hat ein Sicherheitsabkommen mit Nairobi und unterhält Stützpunkte im Land. Die Kibaki-Regierung war bisher ein treuer Verbündeter in Bushs »Krieg gegen den Terrorismus«. Ihre Sicherheitskräfte sollen an der Ergreifung Dutzender mutmaßlicher Al-Qaida-Mitglieder beteiligt gewesen sein. So wurde im Vorjahr auch der Kenianer Abdulmalik Mohammed in Mombasa festgenommen und den USA übergeben. Er habe gestanden, 2002 an dem Bombenanschlag auf ein Hotel in Mombasa beteiligt gewesen zu sein. Inzwischen sitzt er im berüchtigten Lager von Guantanamo.

All das bleibt nicht ohne Lohn. Seit dem Al-Qaida-Attentat 1998 auf die USA-Botschaft in Nairobi flossen nach Erkenntnissen des Centre for Public Integrity in Washington Dutzende Milliarden US-Dollar ins Land. Von den umgerechnet rund 475 Millionen Euro im Vorjahr waren allerdings nur etwa 25 Millionen Entwicklungshilfe, der übergroße Teil dagegen geht an Armee und Geheimdienste. Erst kürzlich zahlte Washington erneut 14 Millionen Dollar für »Ausbildung und Ausrüstung« der Sicherheitskräfte. Die nicht mal fünf Millionen für »gute Regierungsführung« – sprich Korruptionsbekämpfung, transparente staatliche Institutionen oder Finanzierung fairer Wahlen – wirken da im besonderen Maße politisch bigott. Angesichts der Relation sowie mit Blick auf die Menschenrechtssituation im Lande und den Wahlverlauf, der das Fass endgültig zum Überlaufen brachte.

Der übereilte Glückwunsch Washingtons an den vermeintlichen Wahlsieger Kibaki demonstrierte, wen man sich auch künftig als Vasallen wünscht. Frazers Einschätzung wenig später, die Kenianer seien »von ihrer politischen Führung betrogen worden«, zeigt aber auch, dass den USA an Instabilität in der Region überhaupt nicht gelegen ist. In dieser Kehrtwende macht Prof. Rolf Hofmeier vom Hamburger Institut für Afrikakunde die Einsicht der Bush-Regierung aus, dass man sich kein zweites Äthiopien, wo man einem anderen Verbündeten im »Antiterrorkrieg« Wahlbetrug durchgehen ließ, leisten kann, ohne die Glaubwürdigkeit als Förderer der Demokratie in Afrika vollends zu verlieren. Zumal Ostafrika schon jetzt ein Pulverfass ist – das vom Bürgerkrieg geplagte Somalia gilt als Rückzugsgebiet und Transitraum für Terroristen. Für die USA sei die Aussicht auf ein geschwächtes Kenia und die mögliche Entwicklung hin zu einem gescheiterten Staat in unmittelbarer Nähe Somalis deshalb »enorm problematisch«, wie Michelle Gavin vom Council on Foreign Relations betont.

* Aus: Neues Deutschland, 12. Januar 2008


Kenia: Vermittler Kufuor gescheitert – Vermittlerin Frazer ratlos?

Von Raoul Wilsterer **

Jegliche Bemühungen um eine Verhandlungslösung in Kenia scheinen gescheitert. Am Freitag gab John Kufour auf: Der als Vermittler der Afrikanischen Union (AU) nach Nairobi entsandte Präsident Ghanas hatte sich vergeblich bemüht, seinen kenianischen Amtskollegen Mwai Kibaki und Oppositionsführer Raila Odinga zu einem direkten Treffen zusammenzubringen. Nunmehr soll der frühere UN-Generalsekretär Kofi Annan sein Glück versuchen, insbesondere den auf dem obskuren Wahlergebnis vom 30. Dezember beharrenden Kibaki zum Einlenken zu bewegen.

Auch die wichtigste Afrikaexpertin von US-Präsident George W. Bush, Unterstaatssekretärin Jendayi Frazer, scheint nach wie vor Probleme zu haben, ihren bisherigen Verbündeten Kibaki zur Räson zu bringen. Mehrfach verlängerte sie ihren nun bereits zehntägigen Aufenthalt in dem Unruheland und bemühte sich am Freitag erneut »um ein Gespräch mit Kibaki« (AFP). Wenn dieses nicht zustande käme, so war aus der US-Botschaft zu hören, würde sie Kenia verlassen – unverrichteter Dinge. Dabei ist das ostafrikanische Land seit Jahren der »Anker der wirtschaftlichen und geostrategischen Interessen der USA in der unruhigen Region«, so die Agentur IPS, und zugleich »einer der großen Empfänger von Wirtschafts- und Militärhilfe aus Washington«. Von 1998 bis einschließlich 2004 kamen nach Angaben des »Centre for Public Integrity« in Washington fast 80 Milliarden US-Dollar ins Land. Wie aus Unterlagen des Pentagon und des US-amerikanischen Außenministeriums hervorgeht, flossenin den Jahren danach ähnlich hohe Beträge.

Derweil dauerten die Unruhen am Freitag an, wobei es wieder zu Toten kam (unser Foto aus dem Slum Kibera in Nairobi). Die Opposition in Kenia rief für kommende Woche zu drei Tage dauernden, landesweiten Massenprotesten gegen die offensichtlich manipulierte Wiederwahl von Präsident Mwai Kibaki an. An mehr als 20 Orten werde es Demonstrationen geben, erklärte Odingas Orange Demokratische Bewegung (ODM). Zugleich rief sie die Polizei zur Unterstützung auf. Diese stand bisher auf Seiten Kibakis und agierte gewalttätig.

** Aus: junge Welt, 12. Januar 2008


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