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Kenianer stimmten für Verfassung

Neues Grundgesetz soll das ethnisch gespaltene Land einen

Kenia bekommt eine neue Verfassung, die das ostafrikanische Land demokratischer machen soll. Mehr als zwei Drittel der Wähler stimmten bei einem Referendum für die Verfassung, wie die Wahlkommission mitteilte. Das Ja der Kenianer zu dem neuen Grundgesetz komme einer »Wiedergeburt« des Landes gleich, sagte Energieminister Kiraitu Murungi, der die Kampagne anführte. 71 Prozent der rund 12,4 Millionen Wahlberechtigten beteiligten sich an der Abstimmung über das Dokument, das auch von Präsident Mwai Kibaki und Ministerpräsident Raila Odinga unterstützt wird. Kibaki sprach von einem »Sieg für Kenia«, Odinga sagte, dass die Kenianer bei der Abstimmung »mit einer Stimme gesprochen« hätten.

Das über die neue Verfassung, die das in Bevölkerungsgruppen gespaltene Land einen soll, verlief landesweit friedlich, wie Kenias Polizeichef Mathew Iteere sagte. Vor dem Referendum hatte es die Befürchtung gegeben, dass das Land wie nach den Präsidentschaftswahlen im Dezember 2007 in Gewalt und Chaos versinkt.

Die neue Verfassung soll die Konstitution von 1963 ablösen, die Kenia nach seiner Unabhängigkeit von Großbritannien verabschiedete. Sie sieht unter anderem eine Rückkehr zum reinen Präsidialsystem wie vor der Präsidentenwahl 2007 vor. Nach dem umstrittenen Wahlausgang und wochenlangen Unruhen mit 1500 Toten und 300 000 Vertriebenen hatten sich Präsident Kibaki und sein Rivale Odinga auf eine Machtteilung geeinigt. Dafür wurde für Odinga das Amt eines Regierungschefs geschaffen.

* Aus: Neues Deutschland, 7. August 2010


Mandat für den Wandel

Von Martin Ling **

Das ist die Wiedergeburt Kenias.« Ganz so hoch wie Energieminister Kiraitu Murungi muss man die klare Zustimmung zur neuen Verfassung des ostafrikanischen Staates nicht hängen, doch sowohl Abstimmungsverlauf als auch der Inhalt des neuen Grundgesetzes geben Anlass zum Optimismus. Obwohl mit der neuen Verfassung die Machtbalance verschoben wird, blieb der Urnengang friedlich. Selbst im Rift Valley, das nach den Wahlen 2007 bei den darauffolgenden Unruhen die meisten der über 1300 Todesopfer zu beklagen hatte und wo zwei Drittel der Bevölkerung gegen die Verfassung stimmten, blieb es ruhig. Damit war trotz massiver Präsenz von Sicherheitskräften nicht zwingend zu rechnen.

Bis zu einer Wiedergeburt des Vielvölkerstaates, in dem sich viele Konflikte um Macht und Land entlang ethnischer Linien entfalten, ist freilich noch ein gutes Stück zu gehen. Die umfassende Garantie von Bürgerrechten und die Gleichstellung der Frauen ist fortan in der Verfassung verankert, in der Wirklichkeit noch lange nicht. Zur Feuerprobe für die neue Verfassung dürfte die einzurichtende Landkommission werden: Sie soll illegale Landgeschäfte aufheben und davon betroffene Flächen an die ursprünglichen Besitzer rückübereignen. Das betrifft hunderttausende von Hektar und das birgt Zündstoff weit über das Rift Valley hinaus.

Die Bevölkerung hat mit der Zustimmung zur neuen Verfassung der in Misskredit stehenden politischen Klasse noch einmal Kredit verliehen. Doch das Mandat ist klar: Ein »Weiter so« wie bisher darf es nicht geben, Konflikte müssen gelöst und der Korruption durch Machtkontrolle enge Grenzen gesetzt werden. Ob die Elite das verstanden hat, ist offen.

** Aus: Neues Deutschland, 7. August 2010 (Kommentar)


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